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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Filme, die man sehen kann: HANNAH ARENDT



Donluigi
11.02.2013, 20:24
Eigentlich wollte ich nicht in den Film. An der Beschreibung war so rein garnix, was auf einen unterhaltsamen Filmabend hoffen ließ. Aber es war ein kalter Abend in einer Provinzstadt, das Kino hatte nur 2 Säle, im anderen lief "Kokowääh 2" und die Kinder wollten den partout sehen. Stuck between the devil and the deep blue sea...

Naja, wir also in Hannah Arendt. Die Story dürfte hinlänglich bekannt sein: die nach dem 2. WK in die USA emigrierte jüdische Philosophin und Heidegger-Studentin Hannah Arendt beobachtet im Auftrag des "New Yorker" den Prozess gegen Adolf Eichmann und enttarnt diesen im Laufe des Prozesses als denkunfähigen Biedermann; das Monster, für das der damalige Zeitgeist ihn halten wollte, war er nicht, was viele erschrak. Der Begriff der "Banalität des Bösen" war geboren, Folge war etwas, was man heute wohl als shitstorm bezeichnen würde. Von ebendem handelt der Film.

Der Film ist wirklich gut. Sehr angenehm erstmal, überhaupt mal wieder einen Film zu sehen, der null auf Effekten basiert, sondern rein von Atmosphäre und schauspielerischer Leistung getragen wird. Besonderes Augenmerk wurde auf die Darstellung der Spannungen innerhalb der scheinbar homogenen Gruppen gelegt, die in der und durch die Zeitgeschichte bestehen und die Zeitläufe unterschiedlich wahrgenommen, erlebt und interpretiert haben und die diese Gruppen (europäische Intellektuelle, amerikanische Bildungselite, Zeitzeugen, Medien) im Laufe der sich entwickelnden Handlungen bis zum zerreißen sprengt. Dazwischen immer wieder alte Aufnahmen des tatsächlichen Eichmann-Prozesses. Sicherlich, mit alter Natsi-Doku kann man einen mittlerweile jagen, die sind soo Guido Knopp. Dennoch: das Puzzle aus realen Aufnahmen und fiktiven Bildern gelingt. Unter anderem auch, weil das Timing perfekt, das Casting brillant und die Ausstattung sehr detailverliebt und überzeugend ist. Der Film ist trotz seiner Gravität keine Sekunde erdrückend oder belehrend, sondern hochinteressant und trotz seiner langsamen und ruhigen Erzählweise sehr mitreißend und spannend. Den erhobenen Zeigefinger hat sich die Regisseurin Margarethe von Trotta dankenswerterweise ebenso verkniffen wie eine Parteiiergreifung. Der Film ist erstaulich objektiv, man kann sich sehr gut sein eigenes Bild machen.

Hätte nie gedacht, daß ich mal Til Schweiger für einen wohltuenden Kinoabend dankbar sein würde.