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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hilfe zum Thema Vereinsrecht / Satzungen - konkretes Thema: Investitionsumlagen



Chefcook
09.03.2014, 13:54
Tach auch,

ich brauche mal Eure Hilfe mangels eigener Kompetenz auf dem Gebiet:

Mein Bruder übernimmt eine Vorstandsposition in einem Schützenverein. Dort stößt er auf folgende Situation:

Der Verein erhebt von jedem Mitglied mit der Aufnahme als Vollmitglied zusätzlich zum Mitgliedsbeitrag eine Investitionsumlage, die zu verschiedenen Zwecken rund um Anschaffung, Tilgung und Modernisierung des eigenen Schießstandes und Vereinsheims genutzt wird. Per Satzung kann die Investitionsumlage in 10 Jahresraten geteilt werden. Dies ist wohl unter anderem steuerrechtlich eine der Voraussetzungen zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit.
Die Aufnahme als Vollmitglied bedarf per Satzung eines schriftlichen Ersuchens an den Vorstand.
Als ermäßigtes Mitglied zu 50% des Beitrags kann jeder mitmachen, der jünger als 25 Jahre ist und Student / Schüler ist.


Nun stellt der Bruder fest, dass sein Vorgänger es mit der Einhaltung der eigenen Satzung überhaupt nicht ernst genommen hat.

Diverse Mitgliedern wurde zum 25. Geburtstag einfach die Beitragsrechnung als Vollmitglied geschickt, obwohl diese gar nie einen schriftliches Ersuchen zur Mitgliedschaft als Vollmitglied eingereicht hatten. Die Mitglieder haben einfach den höheren Beitrag bezahlt und sind Mitglied geblieben.
Diesen Mitgliedern wurde keine Investitionsumlage in Rechnung gestellt.
Die allermeisten dieser Mitglieder erfüllten nur die Voraussetzung jünger als 25 Jahre zu sein, nicht aber Student / Schüler zu sein.
Diverse andere Mitglieder sind zwar nach wie vor unter 25 Jahre alt und zahlen den ermäßigten Beitrag, können aber keine Schüler-/Studententätigkeit nachweisen.


Kurzum, es fehlen mehrere Tausend Euro in der Kasse, die für einen Schützenverein der Größe erheblich sind (die Finanzlage ist katastrophal - nun wissen auch alle, warum!).

Mein Bruder hat die entsprechenden Mitglieder angeschrieben, auf die Situation hingewiesen und dabei folgendes Vorgehen an den Tag gelegt:

Eine rückwirkende Nachzahlung der Mitgliedsbeiträge der zu unrecht ermäßigten Mitglieder wird nicht verlangt.
Wohl aber wird die Zahlung der Investitionsumlage ab Stichtag der Fälligkeit gemäß Satzung verlangt.


Nun kommen einige Mitglieder um die Ecke und sagen, dass sie

nicht wussten, wann und in welcher Höhe die Investitionsumlage fällig wird, sie sich auf die korrekte Rechungsstellung durch den Verein verlassen haben, dessen Fehler nicht ausbaden wollen. Sie zahlen die Investitionsumlage selbstverständlich in 10 Raten ab sofort, aber keinesfalls rückwirkend.
oder bei Kenntniserlangung der Investitionsumlage selbstverständlich ihre Mitgliedschaft gekündigt hätten und dementsprechend nun nicht zahlen wollen und um sofortige Auflösung ihrer Mitgliedschaft bitten. Ihrer Meinung nach hätte die Fälligkeit der Investitionsumlage einer Ankündigung bedurft.
oder sie ja gar nie Vollmitglied wurden, weil sie nie darum gebeten haben und auch nie aufgefordert wurden, darum zu bitten. Deshalb zahlen sie auch keine Investitionsumlage und bitten um Rauswurf, wenn Sie die Voraussetzungen der Mitgliedschaft nicht mehr erfüllen.


Die Argumente meines Bruders sind, dass die Vereinssatzung als Bekannt vorauszusetzen ist und darin schließlich alles steht, sich also niemand über Unkenntnis herausreden könne. Dem entgegnen die Querulanten, dass der Verein sich schließlich auch nicht an die Satzung gehalten hat, sondern irgendetwas anderes fabriziert hat und davon auszugehen ist, dass der Vorstand ausreichende Sorgfalt walten lässt.

Die Situation ist verfahren, gut ein Zehntel der Mitglieder ist betroffen und will den Verein nun verlassen.

Ich selbst finde die Lage sehr unübersichtlich, weil allen beiden Seiten Versäumnisse anzukreiden sind. Der alte Vorstand hatte den Verein nicht im Griff und die Finanzen nicht im Blick, die Mitglieder haben sich auch nicht drum gekümmert.
Ich selbst habe Verständnis für Antwort derer, die sagen, dass sie zahlen, aber eben ab jetzt mit Rechnungsstellung und nicht rückwirkend. Dafür spricht meiner Meinung nach, dass die Forderung einer höheren Investitionsumlage als der Jahresrate den Status der Gemeinnützigkeit gefährdet.
Das sind aber nur zwei, der große Rest will nun aus dem Verein raus.

Wie seht Ihr die Lage - was kann der Verein von den Mitgliedern, die sagen, dass sie einfach die Beitragsrechnung bezahlt haben und sich darauf verlassen haben, dass der Verein weiß, was er tut, verlangen?
Kann man die Satzung bei jedem Mitglied als Bekannt voraussetzen?
Wie ist das mangelnde Ersuchen um Aufnahme als Vollmitglied zu werten?

Fragen über Fragen...
Ich danke Euch im Voraus!

siebensieben
09.03.2014, 19:00
Die Situation ist verfahren, gut ein Zehntel der Mitglieder ist betroffen und will den Verein nun verlassen.


Ich selbst finde die Lage sehr unübersichtlich,Ich denke, dass so konkrete Fragen doch eher an einen Fachmann für Vereinsrecht zu stellen sind.

Eigentlich gibst Du dir die Antwort ja schon selber. Da muss ein Fachmann ran. In einem Uhrenforum müsste m.E. die Frage allenfalls heißen: 'Gibt's hier einen Fachmann für Vereinsrecht, dann bitte PN'.



Kann man die Satzung bei jedem Mitglied als Bekannt voraussetzen?
Kann man nicht, man muss und darf!

Und ich habe das Gefühl, dass da was an der Vereinsspitze nicht stimmt. Da sitzt der Wurm tiefer und kommt jetzt ans Tageslicht.

Spacewalker
09.03.2014, 19:14
Unbedingt einen Fachmann, und am besten einen Fachanwalt für Vereinsrecht, dran setzen.

Und ich hoffe, Dein Bruder hat gute Nerven.

markus247
09.03.2014, 19:24
und am besten einen Fachanwalt für Vereinsrecht, dran setzen.

Den gibt es leider nicht. Also verzweifel nicht beim Suchen ;) Ich denke, ein FA für Handels- und Gesellschaftsrecht dürfte aber rech nah an der Materie sein.

Viel Erfolg :gut:

Chefcook
09.03.2014, 19:35
...Da sitzt der Wurm tiefer und kommt jetzt ans Tageslicht.

Genau das ist der Punkt.
Die bisherige Vereinsspitze ist katastrophal sorglos mit den Finanzen umgegangen und nun gibts das böse Erwachen auf allen Seiten.

Ich hatte gehofft, dass hier einfach jemand eine total klare, einfache Antwort aus dem Hut zaubern kann. Man kanns ja mal probieren ;) Ich denke aber auch, dass am Weg zum Anwalt nichts vorbeiführt...

Spacewalker
09.03.2014, 20:07
Den gibt es leider nicht.

Habe ich falsch formuliert, mein Fehler. Dann nenn ich es mal einen auf Vereinsrecht spezialisierten Rechtsanwalt.

In "meinem" Verein werden seit Jahren regelmäßig Gerichte bemüht. Die bisherigen "Rechtsprechungen" basierten dann meistens auf Verfahrensfehlern oder unzureichender Satzung.

uhrenmaho
09.03.2014, 20:14
Eine JHV ist doch immer Voraussetzung und Pflicht. Sind diese Merkwürdigkeiten
mit der Zeit denn nicht aufgefallen?

LG Manfred

Chefcook
09.03.2014, 20:19
Scheinbar nicht...

Spacewalker
09.03.2014, 20:39
Den meisten ist das egal. So lange der Laden läuft, wird alles durchgewunken.

meldestelle
10.03.2014, 08:02
Hi Max,

ich selber bin auch Vorstand eines gemeinnützigen Vereins und versuche immer recht aktuell alle Gesetzesänderungen etc. zu verfolgen und hatte auch schon so manche Unstimmigkeit mit den Amtsgerichten.

Aber nun zu Deinem Fall:

1. Wie schon mehrfach geraten .... nimm Dir einen Beistand in Form eines auf Vereinsrecht spezialisierten Anwalts.

2. Es kommt bei Dir auf den genauen Wortlaut der Satzung in Bezug auf die Mitgliedschaften an. Entscheidend wird sein
ob es ein (wie ich es bei Dir lese) "Ermäßigtes Mitglied" gibt oder ob es Mitglieder mit Ermäßigung gibt.
Diese kleine Wortspielerei kann sehr entscheidend sein.


Gruß

Thomas

X-E-L-O-R
10.03.2014, 10:08
Ich war drei Jahre 1. Vorsitzender unseres Tennisclubs. Dabei habe ich teilweise ganz ähnliche Erfahrungen gemacht.
Mitglieder die keine, oder reduzierte Beiträge bezahlt haben, aus welchen Gründen auch immer, auf alle Fälle nicht durch die Satzung abgedeckt.

Mein Weg war sehr mühsam. Ich habe die entsprechenden Personen angeschrieben und darauf aufmerksam gemacht, dass es ab so fort anders läuft. Wer damit nicht einverstanden war, konnte den Verein verlassen. Was ich ganz bewusst nicht gemacht habe: Mit juristischen Schritten gedroht oder gar Gerichte bemüht. Das kostet Zeit und Nerven und bringt den Verein nicht nach vorne, da Ausgang sehr zweifelhaft.

Was ich gelernt habe: Man muss mit Fehlern und Versäumnissen früherer Vorstandsmitglieder rechnen, teilweise können diese Sachen schon vor 2-3 Vorstandsperioden passiert sein, und sie wurden "durchgeschleppt". Was man nicht kann: Alles ausbügeln. Oft sind klare, unbeliebte Schnitte erforderlich. In erster Linie muss man dafür sorgen, dass ab sofort alles sauber läuft!

Ingo.L
10.03.2014, 10:21
Juristische Schritte schaden nur dem Ansehen des Vereins. Besser an die Vernunft und das Solidargefühl appellieren. Wer dann meint gehen zu müssen, ist eh kein besonders wertvolles Vereinsmitglied, auf solche Leute kann man getrost verzichten.

Den Anwalt sollte man aber hinzuziehen, ob man das überhaupt machen darf, ohne sich persönlich für den bereits enstandenen Schaden haftbar zu machen, wenn man auf dessen EIntreibung verzichtet.

Cosmic
10.03.2014, 10:49
Ich war lange Jahre ehrenamtlicher GF eines etwas größeren Vereins, mit zu Beginn ähnlichen Schwierigkeiten. Besser wurde die Lage, als ein mir auch noch bestens bekannter RA zum Schatzmeister gewählt wurde und wir gemeinsam den von Frank (X-E-L-O-R) schon beschriebenen Weg gegangen sind, mit Rückendeckung durch fast 100% des restlichen Vorstandes. Hat aber etwa noch 3 Jahre gedauert, bis wir dann aus dem Tal der Tränen raus waren. Für die restlichen 7 Jahre meiner Zeit als GF war dann aber - was das betraf - "Ruhe auf dem Schiff" und ist es bis heute.

X-E-L-O-R
10.03.2014, 13:41
Fehler in der Vergangenheit müssen auch nicht immer wissentlich oder gar vorsätzlich gemacht worden sein. Ich habe, soweit man es ermitteln konnte, dann stets das Gespräch mit den damaligen Protagonisten gesucht und nachgefragt, warum dies so oder so gelaufen ist. Die Führung eines Vereines ist oft ein Balanceakt. Es gibt dafür kein Handbuch, an das man sich zu 100% halten kann. Jeder Verein und jeder Vorstand hat seine Eigenheiten, auf die man mitunter flexibel reagieren muss. Da ist dann Kreativität gefragt!

Das Wichtigste für mich war damals, dass wir uns im Vorstandskreis einig waren. Hätte man dort zustätzlich zur Vergangenheit auch noch Baustellen... Mission Impossible.