NicoH
16.09.2014, 20:54
Jens Voigt
Der zur Zeit sicherlich bekannteste Deutsche Radprofi ist Jens Voigt. Jens Voigt, der morgen 43 Jahre alt wird, ist seit 1997 Radprofi. Bekannt ist er seit Beginn seiner Laufbahn für seinen unwahrscheinlichen Kampfeswillen und seinen Einsatz für Mannschaftskameraden. Er fuhr 17 Mal die Tour de France, trug das Gelbe Trikot, gewann dort Etappen und auch die Gesamtwertung bei der Deutschland Tour 2006 und 2007.
Zu Ende der Saison 2014 wollte Jens Voigt seine Karriere beenden. Seit Monaten, wie sich nun herausstellte, schmiedete er aber schon Pläne, seine Karriere zu krönen: mit dem Stundenweltrekord.
Der Stundenweltrekord
Der Stundenweltrekord ist ein wenig beachteter, aber sehr einfach zu erklärender Rekord im Radport. (Es gibt den Stundenweltrekord auch im Laufen, wo er noch weniger bekannt ist, und sicherlich noch in anderen Sportarten). Das Reglement ist einfach: hier ist ein Fahrrad, damit fährt man eine Stunde lang, und wer am weitesten gefahren ist, hat gewonnen.
Der Stundenweltrekord ist daher sehr viel "ehrlicher" als andere Rennen. In einem Einzelzeitfahren haben die Starter vielleicht wechselnde Bedingungen, in Straßenrennen kann die Taktik schief gehen - aber der Stundenweltrekord ist einfach: Topmaterial hat jeder, der ihn angreift, die Bahn, auf welcher gefahren wird, kann man sich auch aussuchen, und so geht es nur um den Sportler selbst. (A propos Bahn: Jens Voigt fährt übermorgen in Grenchen in der Schweiz. Der Italiener Franceso Moser brach den Stundenweltrekord im Jahr 1984 in Mexiko-Stadt. Mexiko-Stadt liegt auf einer Höhe von 2.300m über dem Meeresspiegel - jeder, der sich mal in einer solchen Höhe bewegt hat, würde es für verrückt halten, dort Höchstleistungen bringen zu wollen. Moser konnte sich jedoch akklimatisieren und nutze den niedrigeren Luftdruck in der Höhe zu seinem Vorteil: weniger Luftdruck bedeutet auch weniger Windwiderstand, und dann ist man mit weniger Kraft gleich schnell oder mit der gleichen Kraft schneller als in der Ebene).
Der Stundenweltrekord - die "Stunde" - wurde in den vergangenen Jahrzehnten von einigen berühmten Radsportlern in Angriff genommen. Der erste Stundenweltrekord wurde im Jahr 1893 vom Tour de France-Erfinder Henri Desgrange mit respektablen 35km gefahren. Spätere Rekordhalter waren Fausto Coppi und Eddy Merckx. Doch alle scheiterten an der magischen Grenze von 50km.
Der erste Fahrer, der mehr als 50km in einer Stunde fuhr, war der eben schon erwähnte Francesco Moser, der Italiener in Mexiko:
http://www.smnh.de/random/stunde/francescomoserstunde1.jpg
Auffällig ist das Material: Moser fuhr mit einem riesigen Hinterrad und als erster Radsportler mit so genannten "Scheibenrädern", bei denen der Fahrtwind nicht durch Speichen verwirbelt wurde.
Das Material
Nachdem die sportliche Leistungsfähigkeit an ihre Grenzen stieß, war es dann das Material, das seine wilden Blüten trieb. So holte sich der Brite Graeme Obree den Stundenweltrekord mit dem folgenden Rad:
http://www.smnh.de/random/stunde/grahamobreestunde1.jpg
Das Rad baute er gerüchteweise im eigenen Keller, und der Steuersatz soll ein Lager aus einer Waschmaschine enthalten ;) Das Design überzeugt vielleicht nicht ästhetisch, aber aerodynamisch: die Arme sind unter dem Oberkörper versteckt. Und was nicht in der Luft ist, kann sie nicht verwirbeln. Clever gedacht und clever gemacht :)
Als nächstes folgte sein Versuch in der "Superman-Position":
http://www.smnh.de/random/stunde/grahamobreestunde2.jpg
Und noch einmal - Stundenweltrekord wieder verbessert.
Mit dieser Sitzposition versuchte es dann auch sein Landsmann Chris Boardman:
http://www.smnh.de/random/stunde/chrisboardmanstunde1.jpg
Und auch Chris Boardman knackte den Stundenweltrekord. Zwischenzeitlich war man bei sagenhaften 56,375km angelangt.
Vorstehendes bitte ich, nicht falsch zu verstehen: Sowohl Graeme Obree als auch Chris Boardman waren exzellente Radfahrer und auch auf "normalen" Rädern mit Olympischen Medaillen und weiteren Rennsiegen ausgezeichnet. Sie waren also nicht nur wegen ihrer ungewöhnlichen Räder schnell, aber wenn die "Superman-Position" nur 1% schneller ist als eine normale Sitzposition, fährt man schon einige hundert Meter weiter.
Das wurde der UCI, dem Radsport-Weltverband, aber zu bunt. Die UCI sagte, dass der Stundenweltrekord mit Fahrrädern gefahren werden müsste, mit denen man auch auch normal Rad fahren kann, und strich die Rekorde auf Spezialrädern.
Seit dem Jahr 2005 wird der Rekord nun von dem Tschechen Andrei Sosenka gehalten, und meines Wissens nach seitdem nicht mehr ernsthaft angegriffen. Er liegt aktuell bei 49,700km.
2014
Nun kommt Jens Voigt nach Grenchen und will es tun.
Sein Rad entspricht optisch einem normalen Zeitfahrrad und technisch natürlich dem aktuellen UCI-Reglement:
http://www.smnh.de/random/stunde/jensvoigtstunde1.jpg
Die Scheibenräder stellen Uhren dar. Witzig sind die motivierenden Beschriftungen auf dem Rahmen: so steht auf dem Unterrohr "Warum fährt Jens Voigt nicht gerne auf der Bahn? Weil er sich nicht gerne selber überrundet" oder auf dem Oberrohr "Jens Voigt kann eine Stunde in unter 60 Minuten fahren" ;) Wer Jens Voigt kennt, weiß aber, dass er solche Motivation kaum nötig hat. Wir können uns sicher sein, dass er nach der Zieldurchfahrt keinen Muskelfaser im Körper geschont haben wird.
Der Rekordversuch wird am Donnerstag, 18. September 2014, live auf Eurosport gezeigt. Vorher gibt es den "Tag des Radsports" in diesem Sender mit verschiedener Vorberichterstattung. Die "Stunde" selber findet irgendwann zwischen 18h und 20h statt.
Der zur Zeit sicherlich bekannteste Deutsche Radprofi ist Jens Voigt. Jens Voigt, der morgen 43 Jahre alt wird, ist seit 1997 Radprofi. Bekannt ist er seit Beginn seiner Laufbahn für seinen unwahrscheinlichen Kampfeswillen und seinen Einsatz für Mannschaftskameraden. Er fuhr 17 Mal die Tour de France, trug das Gelbe Trikot, gewann dort Etappen und auch die Gesamtwertung bei der Deutschland Tour 2006 und 2007.
Zu Ende der Saison 2014 wollte Jens Voigt seine Karriere beenden. Seit Monaten, wie sich nun herausstellte, schmiedete er aber schon Pläne, seine Karriere zu krönen: mit dem Stundenweltrekord.
Der Stundenweltrekord
Der Stundenweltrekord ist ein wenig beachteter, aber sehr einfach zu erklärender Rekord im Radport. (Es gibt den Stundenweltrekord auch im Laufen, wo er noch weniger bekannt ist, und sicherlich noch in anderen Sportarten). Das Reglement ist einfach: hier ist ein Fahrrad, damit fährt man eine Stunde lang, und wer am weitesten gefahren ist, hat gewonnen.
Der Stundenweltrekord ist daher sehr viel "ehrlicher" als andere Rennen. In einem Einzelzeitfahren haben die Starter vielleicht wechselnde Bedingungen, in Straßenrennen kann die Taktik schief gehen - aber der Stundenweltrekord ist einfach: Topmaterial hat jeder, der ihn angreift, die Bahn, auf welcher gefahren wird, kann man sich auch aussuchen, und so geht es nur um den Sportler selbst. (A propos Bahn: Jens Voigt fährt übermorgen in Grenchen in der Schweiz. Der Italiener Franceso Moser brach den Stundenweltrekord im Jahr 1984 in Mexiko-Stadt. Mexiko-Stadt liegt auf einer Höhe von 2.300m über dem Meeresspiegel - jeder, der sich mal in einer solchen Höhe bewegt hat, würde es für verrückt halten, dort Höchstleistungen bringen zu wollen. Moser konnte sich jedoch akklimatisieren und nutze den niedrigeren Luftdruck in der Höhe zu seinem Vorteil: weniger Luftdruck bedeutet auch weniger Windwiderstand, und dann ist man mit weniger Kraft gleich schnell oder mit der gleichen Kraft schneller als in der Ebene).
Der Stundenweltrekord - die "Stunde" - wurde in den vergangenen Jahrzehnten von einigen berühmten Radsportlern in Angriff genommen. Der erste Stundenweltrekord wurde im Jahr 1893 vom Tour de France-Erfinder Henri Desgrange mit respektablen 35km gefahren. Spätere Rekordhalter waren Fausto Coppi und Eddy Merckx. Doch alle scheiterten an der magischen Grenze von 50km.
Der erste Fahrer, der mehr als 50km in einer Stunde fuhr, war der eben schon erwähnte Francesco Moser, der Italiener in Mexiko:
http://www.smnh.de/random/stunde/francescomoserstunde1.jpg
Auffällig ist das Material: Moser fuhr mit einem riesigen Hinterrad und als erster Radsportler mit so genannten "Scheibenrädern", bei denen der Fahrtwind nicht durch Speichen verwirbelt wurde.
Das Material
Nachdem die sportliche Leistungsfähigkeit an ihre Grenzen stieß, war es dann das Material, das seine wilden Blüten trieb. So holte sich der Brite Graeme Obree den Stundenweltrekord mit dem folgenden Rad:
http://www.smnh.de/random/stunde/grahamobreestunde1.jpg
Das Rad baute er gerüchteweise im eigenen Keller, und der Steuersatz soll ein Lager aus einer Waschmaschine enthalten ;) Das Design überzeugt vielleicht nicht ästhetisch, aber aerodynamisch: die Arme sind unter dem Oberkörper versteckt. Und was nicht in der Luft ist, kann sie nicht verwirbeln. Clever gedacht und clever gemacht :)
Als nächstes folgte sein Versuch in der "Superman-Position":
http://www.smnh.de/random/stunde/grahamobreestunde2.jpg
Und noch einmal - Stundenweltrekord wieder verbessert.
Mit dieser Sitzposition versuchte es dann auch sein Landsmann Chris Boardman:
http://www.smnh.de/random/stunde/chrisboardmanstunde1.jpg
Und auch Chris Boardman knackte den Stundenweltrekord. Zwischenzeitlich war man bei sagenhaften 56,375km angelangt.
Vorstehendes bitte ich, nicht falsch zu verstehen: Sowohl Graeme Obree als auch Chris Boardman waren exzellente Radfahrer und auch auf "normalen" Rädern mit Olympischen Medaillen und weiteren Rennsiegen ausgezeichnet. Sie waren also nicht nur wegen ihrer ungewöhnlichen Räder schnell, aber wenn die "Superman-Position" nur 1% schneller ist als eine normale Sitzposition, fährt man schon einige hundert Meter weiter.
Das wurde der UCI, dem Radsport-Weltverband, aber zu bunt. Die UCI sagte, dass der Stundenweltrekord mit Fahrrädern gefahren werden müsste, mit denen man auch auch normal Rad fahren kann, und strich die Rekorde auf Spezialrädern.
Seit dem Jahr 2005 wird der Rekord nun von dem Tschechen Andrei Sosenka gehalten, und meines Wissens nach seitdem nicht mehr ernsthaft angegriffen. Er liegt aktuell bei 49,700km.
2014
Nun kommt Jens Voigt nach Grenchen und will es tun.
Sein Rad entspricht optisch einem normalen Zeitfahrrad und technisch natürlich dem aktuellen UCI-Reglement:
http://www.smnh.de/random/stunde/jensvoigtstunde1.jpg
Die Scheibenräder stellen Uhren dar. Witzig sind die motivierenden Beschriftungen auf dem Rahmen: so steht auf dem Unterrohr "Warum fährt Jens Voigt nicht gerne auf der Bahn? Weil er sich nicht gerne selber überrundet" oder auf dem Oberrohr "Jens Voigt kann eine Stunde in unter 60 Minuten fahren" ;) Wer Jens Voigt kennt, weiß aber, dass er solche Motivation kaum nötig hat. Wir können uns sicher sein, dass er nach der Zieldurchfahrt keinen Muskelfaser im Körper geschont haben wird.
Der Rekordversuch wird am Donnerstag, 18. September 2014, live auf Eurosport gezeigt. Vorher gibt es den "Tag des Radsports" in diesem Sender mit verschiedener Vorberichterstattung. Die "Stunde" selber findet irgendwann zwischen 18h und 20h statt.