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roland
20.04.2004, 16:17
Folge 2
Die moderne ETA-Automatik ...

... und was dahintersteckt.

Der zweite Teil der UJS-Serie soll, ja muß mit einer kleinen Richtigstellung beginnen.


Diese lieferte Anton Bally, rühriger ETA-Chef, auf Anfrage leider erst nach Produktionsbeginn der zurückliegenden Ausgabe von Uhren Juwelen Schmuck. Trotzdem an dieser Stelle ganz herzlichen Dank: »Heute unterhält die ETA S.A. allein in der Schweiz insgesamt 15 Produktionsstätten, wobei sich die wichtigsten Stützpunkte in Grenchen (Unternehmensleitung, Forschung und Entwicklung, Finanzen, Administration, Marketing und Verkauf sowie natürlich auch Produktion), Bettlach, Fontainemelon, Mendrisio, Sion sowie Vallée de Joux befinden. Hinzu kommen noch ein Betrieb in Pforzheim, zwei Fabrikationsstätten in Frankreich sowie je eine Fabrik in China, Malaysia und Thailand. Die hier erzeugten Werke sind für Uhren ohne die Aufschrift »Swiss Made« bestimmt.«
Explosionsdarstellung des Kalibers Felsa 692 aus dem Jahr 1942..


Der Weg zum ETA-Rotor
Zur hinreichenden Ausleuchtung des Phänomens ETA steht auch der zweite Teil dieser Serie im Zeichen einer Rückblende. Und das aus gutem Grund: Das Fundament für die aktuellen ETA-Automaten legte nämlich wiederum die Eterna, und zwar im Jahr 1939. Als Flugzeuge die 10.500 Kilometer lange Strecke Berlin-Bangkok in fünf Tagen bewältigten, als die »Me 109« sagenhafte 755 km/h erreichte und Zarah Leander unter der Regie von Carl Froelich in »Es war eine rauschende Ballnacht« zahlreiche Herzen eroberte, präsentierte die Grenchener ETA-Ur-Mutter ihre ersten, 12-linigen Selbstaufzugs-Kaliber 834 und 835 mit rotierendem, durch Pufferfedern begrenzten Hammer.

Der Verwendung des Rotoraufzugs hatten der talentierte Techniker und Uhrmacher Emil Borer sowie das charismatische kaufmännische Genie Hans Wilsdorf nämlich einen gewissen Riegel vorgeschoben. Bereits Ende der zwanziger Jahre griff das kreative, in selbstverordneter Gütertrennung arbeitende Gespann eine Erfindung des uhrmacherischen Autodidakten Abraham Louis Perrelet aus dem Jahre 1770 auf. Gemeinsam machten sie sich daran, den automatischen Aufzug für die Nutzung am vielbewegten Handgelenk durch eine unbegrenzt drehende Schwungmasse zu vervollkommnen. 1931 konnten Wilsdorf und Borer voller Stolz die neue »Rolex Perpetual« präsentieren, in der das 7,5 Milimeter hohe Kaliber NA 620 mit einseitig wirkendem Rotor tickte. Zwei Jahre später erlangten sie für diese Konstruktion schweizerische und ausländische Patente. Wer von den beiden in welchem Umfang an der Genese beteiligt war, läßt sich mehr als sechzig Jahre später nicht mehr eindeutig nachvollziehen. Auf jeden Fall reklamieren beide Seiten, zum einen die Manufacture des Montres Rolex SA, Biel, zum anderen die Montres Rolex SA, Genf, in ihren Publikationen jeweils einen gehörigen Anteil für sich.

In der Jubiläumsbroschüre zur »Hundertjahrfeier der Fabrik 1878 - 1978« (Manufacture des Montres Rolex SA) schreibt Rolex-Biel-Besitzer Harry Borer hierzu jedenfalls folgendes: »Als nach dem Jahre 1948 die 15jährige Gültigkeitsdauer des Patentschutzes erlosch und die Erfindung jedermann zugänglich wurde, kopierte und benutzte praktisch die gesamte in- und ausländische Uhrenindustrie dieses genial sichere Selbstaufzugssystem. Die Entstehungsgeschichte der Rolex Perpetual bleibt für immer verbunden mit den Namen des Erfinders Emil Borer, dem technisch hochbegabten Uhrenkonstrukteur und späteren Leiter der Fabrik in Biel.«

Das einfallsreiche Rolex-Duo konnte die Rotor-Entwicklung indessen nicht völlig blockieren. Durch eine raffinierte Ergänzung konnte der 1918 gegründete und 1928 in die Ebauches SA eingegliederte Rohwerkehersteller Felsa AG, Lengnau (Kanton Bern), die rechtlichen Hemmnisse umgehen. Beim 1942 lancierten Kaliber Felsa 692 (11 1/2 Linien, Höhe 5,8 mm) sorgte ein »Umschalter« auf Zahnrad-Basis für die Polarisierung der Rotorbewegungen. Der Aufzug erfolgte also in beide Drehrichtungen der Schwungmasse.

Die Wirkungsweise des Zahnradwechslers im "Bidynator"



Doch zurück zur Eterna:

1942 stellten die Grenchener ein rundes, 9 1/2-liniges Automatikwerk vor, das sich auch für die Verwendung in Damenarmbanduhren eignete. Das Pedometer-Prinzip, das die Werks-Konstrukteure nach eigenen Bekundungen in den Firmenbiographien nicht zufriedenstellte, mußten sie allerdings beibehalten. Die rechtliche Situation ließ ihnen - noch - keine andere Wahl.

Das Kaliber Felsa 692 "Bidynator", das erste Automatik-Kaliber mit beidseitig wirkendem Rotor.

Drei Jahre später erschien Longines mit dem Rotor-Kaliber 22 A (13 ON, 6,5 mm hoch) auf der Bildfläche. Auch hierbei lieferte die Schwungmasse in beiden Drehrichtungen Energie an das Federhaus. Zu diesem Zweck hatten die Uhrmacher in Saintt Imier einen neuartigen Exzenterwechsler ersonnen und zum Patent angemeldet.

Wiederum drei Jahre später, inzwischen schrieb man das Jahr 1948, war wiederum Eterna an der Reihe. Und diesmal hatte die Pendelschwungmasse endgültig ausgedient. Mehr noch: Dem Eterna-Ingenieur Heinrich Stamm, intern Daniel Düsentrieb genannt, und seinen Mitarbeitern war die Entwicklung eines Miniatur-Kugellagers gelungen, das erstmals eine weitestgehend verschleißfreie Rotorlagerung erlaubte. Die fünf Miniatur-Kugeln besaßen einen Durchmesser von jeweils nur 0,65 mm. Tausend davon wogen weniger als ein Gramm. Eine einzelne war so leicht, daß sie auf dem Wasser schwamm.

Die Eterna-Matic 1198 aus dem Jahr 1948

Das Kugellager brachte zahlreiche handfeste Vorteile mit sich:

1. reduzierte Lagerreibung

2. geringeres Lagerspiel und damit eine verminderte Kippneigung. Das gefürchtete Scheuern des Rotors am Gehäuseboden oder an der Werksplatine war so gut wie ausgeschlossen.

3. Durch die Eliminierung der bruchgefährdeten Rotorachse konnten Lagerschäden bei harten Stößen oder beim Herunterfallen weitgehend beseitigt werden.

4. Mittelfristig ließ sich die Bauhöhe im Sinne der Kunden beträchtlich senken. Darüber hinaus konnten die neuen, 9 1/4- bzw. 10-linigen Uhrwerke, Kaliber 1198 und 1199, Höhe 5,35 Millimeter, ein Wechselgetriebe mit federlosen Klinken vorweisen.

Dieses patentierte System mit minimalen Verlustwegen beim Klinkenrückgang zog wegen seiner hohen Effizienz in den folgenden Jahrzehnten eine Vielzahl ähnlicher Konstruktionen nach sich.

Infolge des hohen Wirkungsgrads der neuen »Eterna-Matic« gelang es auch älteren und bewegungsarmen Menschen, im Laufe des Tages eine Gangreserve von mehr als 40 Stunden aufzubauen. Die Lancierung der revolutionären, durch mehrere Patente geschützten Automatik fand bei Presse und Fachhandel eine überwältigende Resonanz. Sie galt »als die wissenschaftlich modernste und von Fachleuten bevorzugte Uhr«, weshalb man ihr den Beinamen »The Watchmaker's Watch« zugestand.

Bei der Konstruktion war Stamm von folgenden zukunftsweisenden Überlegungen ausgegangen: Bekanntlich nimmt der Wirkungsgrad einer Maschine mit einer Reduzierung der Dimensionen ab. Der Grund liegt darin, daß sich die unvermeidlichen, durch Reibung und andere Faktoren hervorgerufenen Verluste nicht im gleichen Maße vermindern lassen wie die Größe. Deshalb hatte ein kleines Damen-Kaliber, welches identische Konstruktionsmerkmale wie ein gut funktionierendes Werk in »Herrengröße« aufwies, beinahe zwangsläufig Probleme. Ergo mußte das System des automatischen Aufzugs unter Verwendung neuer Technologien so umgestaltet werden, daß es auch für Damen-Armbanduhren uneingeschränkt geeignet war. Nach mehrjähriger Arbeit hatten die Eterna-Uhrmacher 1948 den »Stein der Weisen« gefunden. Und der stellte sich im Klartext so dar:

1. Vergrößerung des Wirkungsgrades der Schwungmasse
- durch Ausnutzung beider Drehrichtungen
- Wegfall der Federpuffer,
- Reduzierung der verlorenen Wege und
- ein günstiges Übersetzungsverhältnis des Aufzugs-Räderwerks;

2. Reduktion der systembedingten Verluste durch
- Verminderung der Zapfenreibung im Schwungmassenlager und
- Ersatz der unter Federdruck stehenden Schaltklinken

3. Reduktion der Störungsanfälligkeit durch
- den Ersatz der feinen Klinkenrad-Teilung durch eine gröbere Verzahnung,
- die Unterbindung einer raschen Abnützung und
- die ausschließliche Verwendung rotierender Teile;

4. Steigerung der Servicefreundlichkeit durch einen modularen Aufbau des Werks.

Zum Punkt vier ist festzustellen, daß es Eterna erstmals in der Geschichte des Selbstaufzugs gelungen war, die Automatik in einem aus insgesamt zwölf Teilen bestehenden Modul zu vereinigen. Nach dem Lösen von drei, in neueren Kalibern nurmehr zwei Schrauben konnte das ganze in weniger als einer Minute vom Basiswerk abgehoben werden. 1949 folgte ein nach ähnlichen Prinzipien konstruiertes Werk mit einem Durchmesser von 11 1/2 Linien und einer Höhe von 5,9 mm: das Kaliber 1248, natürlich mit Kugellagerrotor und Klinkenrad-Wechsler ausgestattet.

Im Rahmen eines nächsten Entwicklungsschritts ersetzte Eterna das »doppelstöckige« Klinkenrad durch zwei nebeneinanderliegende Räder mit prinzipiell gleicher Funktionsweise.

Diese Form der Anordnung gestattete eine spürbare Reduktion der Bauhöhe, die 1962 im seinerzeit weltweit flachsten Kaliber 1453 (3,6 mm inklusive Datumsanzeige) gipfelte. An diesem Rekord war die Verwendung von Klinken- und Zahnrädern aus Beryllium nicht unmaßgeblich beteiligt.