Prof. Rolex
17.06.2005, 07:31
Liebe Uhren-Fans,
aus gegebenem Anlaß (Frage zu einer Breitling - Limited Edition (http://www.r-l-x.de/wbb2/thread.php?postid=374247#post374247)) findet Ihr nachfolgend einige Anmerkungen zu den beiden Kalibern, die sich 1969 ein Wettrennen um den ersten automatischen Chronographen geliefert haben.
Das Kaliber Breitling, Heuer 11:
http://img.photobucket.com/albums/v463/MatthiasRBO/watches/breit2110.jpg
Das Kaliber 11 war eine Gemeinschaftenwicklung der Firmen Breitling, Heuer, Hamilton-Büren und Dubois-Depraz. Es handelt es sich um ein Modulwerk, wobei als Basiswerk das sogenannte Büren Intramatic Kaliber verwendet wurde. Dies war ein vorhandenes Automatikwerk mit einem außermittigen Microrotor, welches bereits in den fünfziger Jahren entwickelt wurde. Für dieses vorhandene Werk wurde dann ein Chronomodul entwickelt, welches werkrückseitig (und nicht wie heute üblich zifferblattseitig) auf das Intramatic-Kaliber aufgesetzt wurde. Da aber durch die werkrückseitige Anordnung des Moduls die Achsen des Minuten- und Stundenzählers durch das Basiskaliber von Büren hindurchgeführt werden mussten und auch die Zugänglichkeit der Unruh für Regulierungszwecke ohne Demontage des Moduls möglich sein sollte, wurde eine Drehung des Intramatic-Kalibers um 180 ° erforderlich. Daher sitzt die Krone beim Kaliber 11 (und den Nachfolgekalibern 12 mit höherer Frequenz und 15 ohne Stundenzähler) auf der linken Seite. Die permanente Sekunde ging durch diese Maßnahme bei den Kalibern 11 und 12 verloren.
Beim Kaliber 15 wurde durch den Wegfall des Stundenzählers zwar Platz für die permanente Sekunde geschaffen, allerdings war dies wohl nur mit einer asymmetrischen Anordnung der permanenten Sekunde (sie liegt bei 10 Uhr) auf dem Zifferblatt möglich.
Das Chronomodul wurde Anfang der siebziger Jahre nochmals im Handaufzugskaliber Valjoux 7740 eingesetzt. Dort war aber aufgrund der andersartigen Konstruktion des Basiskalibers keine Drehung erforderlich, die Krone sitzt daher rechts und auch eine permanente Sekunde war trotz vorhandenem Stundenzähler realisierbar (siehe nachfolgendes Bild).
Breitling Navitimer mit Kaliber Valjoux 7740:
http://img.photobucket.com/albums/v463/MatthiasRBO/watches/navi7806.jpg
Das Kaliber Zenith El Primero:
http://img.photobucket.com/albums/v463/MatthiasRBO/watches/zenithz.jpg
http://img.photobucket.com/albums/v463/MatthiasRBO/watches/zenithw.jpg
Zenith hat bei der Entwicklung des El Primero Kalibers im Vergleich zu dem Kaliber 11 einen völlig anderen Weg beschritten. Das El Primero ist ein voll integriertes Chronographenkaliber mit klassischer Schaltradsteuerung, einem Zentralrotor und der extrem hohen Unruhfrequenz von 36.000 Halbschwingungen pro Stunde. Die Zifferblattanordnung ist klassisch (Tricompax) mit permanenter Sekunde auf der 9, Minutenzähler auf der 3 und Stundenzähler auf der 6. Zusätzlich wurde bei 4.30 Uhr ein Datum integriert, welches schlagartig um Mitternacht wechselt. Die Datumschnellverstellung erfolgt völlig unüblich auf der zweiten (!) Kronenraste, wohingegen auf der ersten Raste die Zeitverstellung erfolgt. Ein Sekundenstopp ist nicht vorhanden.
Die Historie:
Das Kaliber 11 wurde am 3. März 1969 der Öffentlichkeit als erstes automatisches Chronographenwerk vorgestellt. Zenith präsentierte auf der Baseler Messe im Frühjahr 1969 dann sein „El Primero“ argumentierte aber vorsichtshalber, daß es das erste voll integrierte automatische Chronographenkaliber sei, da das Kaliber 11 ja nur ein Modulwerk mit einem bereits vorhandenen Automatikbasiskaliber war. Ob Zenith bereits vor dem 3. März 1969 oder erst auf der Baseler Messe 1969 sein Kaliber der Öffentlichkeit präsentiert hat, darüber gehen die Meinungen auseinander. Überlebt hat von beiden Kalibern bekanntermaßen nur das „El Primero“, die letzten Uhren mit dem Kaliber 12 wurden von Heuer Anfang der achtziger Jahre in einem 18k-Gelbgoldgehäuse verkauft.
Daß Heuer als Mitentwickler des Kalibers 11 und der damalige Konkurrent Zenith heute gemeinsam unter dem Dach des LVMH-Konzerns agieren und Heuer-Uhren auch mit dem „El Primero“ ausgestattet werden, ist wohl eine seltsame Fügung des Schicksals. Hingegen ist Breitling eine der wenigen unabhängigen Uhrenfirmen (neben z.B. Rolex und Patek Philippe) geblieben und nicht dem Diktat eines übergeordneten Konzerns unterworfen. Breitling befindet sich im Besitz der Familie Schneider, wobei Willy Breitling 1979 noch kurz vor seinem Tod persönlich mit Ernest Schneider die Übernahmemodalitäten verhandelt hat.
Es ist übrigens nur dem „Ungehorsam“ eines Zenith-Mitarbeiters zu verdanken, daß das Kaliber „El Primero“ überlebt hat. Als Mitte der siebziger Jahre das „El Primero“ eingestellt wurde, sollten die dazugehörigen Werkzeuge verschrottet werden. Die Anweisung wurde allerdings nicht befolgt, sondern ein offensichtlich sehr weitsichtiger Mitarbeiter schaffte die Werkzeuge beiseite. Als Ebel dann Anfang der achtziger Jahre bei Zenith nachfragte, ob die Möglichkeit bestünde für Ihren neuen Automatikchronographen auf das „El Primero“ zurückzugreifen, war die Verwirrung bei Zenith groß, da die Werkzeuge offiziell nicht mehr vorhanden waren, dann aber auf wundersame Weise wieder auftauchten. Seit Anfang der achtziger Jahre wird das „El Primero“ wieder gebaut und tauchte zunächst in Ebel- und Dunhill-Chronographen auf, bis Zenith dann kurze Zeit später auch wieder eigene Uhren mit dem Kaliber anbot. Mitte der achtziger Jahre meldete sich dann Rolex bei Zenith und wollte das „El Primero“ als Basis für seinen neuen automatischen Chronographen verwenden. Aber das ist eine andere Geschichte.
Viele Grüße
Matthias
aus gegebenem Anlaß (Frage zu einer Breitling - Limited Edition (http://www.r-l-x.de/wbb2/thread.php?postid=374247#post374247)) findet Ihr nachfolgend einige Anmerkungen zu den beiden Kalibern, die sich 1969 ein Wettrennen um den ersten automatischen Chronographen geliefert haben.
Das Kaliber Breitling, Heuer 11:
http://img.photobucket.com/albums/v463/MatthiasRBO/watches/breit2110.jpg
Das Kaliber 11 war eine Gemeinschaftenwicklung der Firmen Breitling, Heuer, Hamilton-Büren und Dubois-Depraz. Es handelt es sich um ein Modulwerk, wobei als Basiswerk das sogenannte Büren Intramatic Kaliber verwendet wurde. Dies war ein vorhandenes Automatikwerk mit einem außermittigen Microrotor, welches bereits in den fünfziger Jahren entwickelt wurde. Für dieses vorhandene Werk wurde dann ein Chronomodul entwickelt, welches werkrückseitig (und nicht wie heute üblich zifferblattseitig) auf das Intramatic-Kaliber aufgesetzt wurde. Da aber durch die werkrückseitige Anordnung des Moduls die Achsen des Minuten- und Stundenzählers durch das Basiskaliber von Büren hindurchgeführt werden mussten und auch die Zugänglichkeit der Unruh für Regulierungszwecke ohne Demontage des Moduls möglich sein sollte, wurde eine Drehung des Intramatic-Kalibers um 180 ° erforderlich. Daher sitzt die Krone beim Kaliber 11 (und den Nachfolgekalibern 12 mit höherer Frequenz und 15 ohne Stundenzähler) auf der linken Seite. Die permanente Sekunde ging durch diese Maßnahme bei den Kalibern 11 und 12 verloren.
Beim Kaliber 15 wurde durch den Wegfall des Stundenzählers zwar Platz für die permanente Sekunde geschaffen, allerdings war dies wohl nur mit einer asymmetrischen Anordnung der permanenten Sekunde (sie liegt bei 10 Uhr) auf dem Zifferblatt möglich.
Das Chronomodul wurde Anfang der siebziger Jahre nochmals im Handaufzugskaliber Valjoux 7740 eingesetzt. Dort war aber aufgrund der andersartigen Konstruktion des Basiskalibers keine Drehung erforderlich, die Krone sitzt daher rechts und auch eine permanente Sekunde war trotz vorhandenem Stundenzähler realisierbar (siehe nachfolgendes Bild).
Breitling Navitimer mit Kaliber Valjoux 7740:
http://img.photobucket.com/albums/v463/MatthiasRBO/watches/navi7806.jpg
Das Kaliber Zenith El Primero:
http://img.photobucket.com/albums/v463/MatthiasRBO/watches/zenithz.jpg
http://img.photobucket.com/albums/v463/MatthiasRBO/watches/zenithw.jpg
Zenith hat bei der Entwicklung des El Primero Kalibers im Vergleich zu dem Kaliber 11 einen völlig anderen Weg beschritten. Das El Primero ist ein voll integriertes Chronographenkaliber mit klassischer Schaltradsteuerung, einem Zentralrotor und der extrem hohen Unruhfrequenz von 36.000 Halbschwingungen pro Stunde. Die Zifferblattanordnung ist klassisch (Tricompax) mit permanenter Sekunde auf der 9, Minutenzähler auf der 3 und Stundenzähler auf der 6. Zusätzlich wurde bei 4.30 Uhr ein Datum integriert, welches schlagartig um Mitternacht wechselt. Die Datumschnellverstellung erfolgt völlig unüblich auf der zweiten (!) Kronenraste, wohingegen auf der ersten Raste die Zeitverstellung erfolgt. Ein Sekundenstopp ist nicht vorhanden.
Die Historie:
Das Kaliber 11 wurde am 3. März 1969 der Öffentlichkeit als erstes automatisches Chronographenwerk vorgestellt. Zenith präsentierte auf der Baseler Messe im Frühjahr 1969 dann sein „El Primero“ argumentierte aber vorsichtshalber, daß es das erste voll integrierte automatische Chronographenkaliber sei, da das Kaliber 11 ja nur ein Modulwerk mit einem bereits vorhandenen Automatikbasiskaliber war. Ob Zenith bereits vor dem 3. März 1969 oder erst auf der Baseler Messe 1969 sein Kaliber der Öffentlichkeit präsentiert hat, darüber gehen die Meinungen auseinander. Überlebt hat von beiden Kalibern bekanntermaßen nur das „El Primero“, die letzten Uhren mit dem Kaliber 12 wurden von Heuer Anfang der achtziger Jahre in einem 18k-Gelbgoldgehäuse verkauft.
Daß Heuer als Mitentwickler des Kalibers 11 und der damalige Konkurrent Zenith heute gemeinsam unter dem Dach des LVMH-Konzerns agieren und Heuer-Uhren auch mit dem „El Primero“ ausgestattet werden, ist wohl eine seltsame Fügung des Schicksals. Hingegen ist Breitling eine der wenigen unabhängigen Uhrenfirmen (neben z.B. Rolex und Patek Philippe) geblieben und nicht dem Diktat eines übergeordneten Konzerns unterworfen. Breitling befindet sich im Besitz der Familie Schneider, wobei Willy Breitling 1979 noch kurz vor seinem Tod persönlich mit Ernest Schneider die Übernahmemodalitäten verhandelt hat.
Es ist übrigens nur dem „Ungehorsam“ eines Zenith-Mitarbeiters zu verdanken, daß das Kaliber „El Primero“ überlebt hat. Als Mitte der siebziger Jahre das „El Primero“ eingestellt wurde, sollten die dazugehörigen Werkzeuge verschrottet werden. Die Anweisung wurde allerdings nicht befolgt, sondern ein offensichtlich sehr weitsichtiger Mitarbeiter schaffte die Werkzeuge beiseite. Als Ebel dann Anfang der achtziger Jahre bei Zenith nachfragte, ob die Möglichkeit bestünde für Ihren neuen Automatikchronographen auf das „El Primero“ zurückzugreifen, war die Verwirrung bei Zenith groß, da die Werkzeuge offiziell nicht mehr vorhanden waren, dann aber auf wundersame Weise wieder auftauchten. Seit Anfang der achtziger Jahre wird das „El Primero“ wieder gebaut und tauchte zunächst in Ebel- und Dunhill-Chronographen auf, bis Zenith dann kurze Zeit später auch wieder eigene Uhren mit dem Kaliber anbot. Mitte der achtziger Jahre meldete sich dann Rolex bei Zenith und wollte das „El Primero“ als Basis für seinen neuen automatischen Chronographen verwenden. Aber das ist eine andere Geschichte.
Viele Grüße
Matthias