Flopi
24.07.2016, 18:01
Hallo zusammen,
Nachdem es über Hublot ja kürzlich etwas polarisierende Diskussionen hier im Forum gab, habe ich mich mit der Big Bang Unico und der Marke einmal etwas intensiver beschäftigt und wage mal den Versuch einer Erklärung:
Nachdem die Marke erst in den 80er Jahren gegründet wurde und die interessante Entwicklung nach dem Einstieg von JC Biver viele Jahre später erfolgte, gibt es keine wirkliche Historie, der sich die Entwicklung von Marke und Produkten unterordnen musste. Entsprechend konnte der Fokus auf den Kunden gelegt und Produkte realisiert werden, die dem Zeitgeist entsprechen.
Quer durch alle Foren wird heute sehr schnell deutlich, dass es in unserer schnelllebigen und eher immer komplexer werdenden Welt bei der Entscheidung für eine Uhr im Kern um zwei wichtige Themen geht: eine ansprechende Optik und eine gut positionierte Marke, die eine interessante Geschichte erzählen kann. Ob diese authentisch ist, ist eher nebensächlich, da es Zeit und Aufwand bedeuten würde, sich damit tiefer auseinander zusetzen. Und die Zeit und/oder das Interesse haben die wenigsten. Solange die Marke selbst ein paar gut kommunizierte Argumente liefert, reicht das. Als Beleg dafür mag dienen, dass bei fast keiner Marke heute in Foren eine wirkliche Diskussion um die Technik im Inneren stattfindet.
Die Verantwortlichen bei Hublot haben das perfekt realisiert und Marke und Produkte entsprechend ausgerichtet:
Das Marketing besetzt viele Sponsoring-Plattformen im glamourösen Spitzensport und schafft damit die Bildung einer perfekten Markenpositionierung - die Top-Positionierung der Sportplattformen stärkt Hublot als Sponsor und vermittelt gleichzeitig den Eindruck vom Erfolg der Marke - schließlich ist hinlänglich bekannt, dass solche Sponsorengagement i.d.R. sehr teuer sind und nur erfolgreiche Marken die Ressourcen für ein solches Marketing-Engagement haben.
Die Preispositionierung wurde von Beginn an auf ein sehr hohes Level gesetzt - ein Nievau, dass andere Spitzenmarken erst nach vielen Jahren erfolgreich durchsetzten konnten. Für die Akzeptanz der Preise sorgte einerseits das erfolgreiche Marketing, andererseits eine herausragende Service-Orientierung, die im Luxusbereich schon eine Benchmark-Stellung einnimmt.
Jetzt fehlte zur perfekten Inszenierung "nur" noch ein entsprechendes Produkt. Und auch hier folgte die Umsetzung der Big Bang Unico in meisterlicher Weise der eingangs beschriebenen Ausgangslage:
Zuerst einmal muss eine Luxusuhr heute für die meisten Käufer - ganz besondere in Fernost - eine deutliche Präsenz am Handgelenk haben, was die Big Bang zweifelsfrei liefert. Die Präsenz wird verstärkt durch die deutlichen Designanleihen, die von einer Ikone der luxuriösen Sportuhren genommen wurden, der AP Royal Oak Offshore. Die Offshore war unbestritten bereits vor der Big Bang vorhanden und die Zeichnung von Gehäuseform, Lünette (inkl den darin gezeigten Schrauben) bis hin zu den charakteristischen Bandanstößen ähnelt sich in äußerst deutlicher Weise. Eine Betrachtung beider Uhren nebeneinander bei einem Konzi beseitigt alle Zweifel!
Nun lehrt ja schon Konfuzius, dass es eine Ehre sei, beim Meister abzuschauen. Und schließlich sind da ja noch die genialen Materialinnovationen von Hublot, sei es Magic Gold, oder die Fusion von Carbon mit textilen Werkstoffen usw. Auf den ersten Blick klingt das wirklich spannend - eine emotional überzeugende Geschichte. Bis man die Konstruktion des Gehäuses zum ersten Mal genauer ansieht. Sascha hatte dazu ja die Konstruktionszeichnungen gepostet. Beim genauen Hinsehen wird deutlich, dass die zentralen Gehäusefunktionen (Wasserdichtigkeit, Staubschutz und Schutz vor Erschütterungen) durch den Titan-Container übernommen wird. Die in den Vordergrund gestellten Materialinnovationen dienen also vornehmlich der Gehäuseoptik. Ein technischer Anspruch, diese Materialien auch in Bezug auf Funktionen auszulegen und zu konstruieren, besteht nicht - mit der Ausnahme, dass Sie als Gehäuseummantelung einfach halten und so befestigt sein müssen, dass sie auch bei Stößen nicht abfallen. Den optischen Effekt, der heute eine so hohe Bedeutung spielt, liefern die Materialien hingegen perfekt. Aus Sicht der Marke ergibt sich so nebenbei auch die geniale Situation, schnell und recht günstig "neue" Gehäuse zu realisieren, ohne langwierige und aufwändige Funktionstests durchführen zu müssen.
Bleibt in der Betrachtung noch das Werk. Neu konstruiert ist es, Maunfaktur ist es auch, aber wie innovativ ist es? Als Nicht-Techniker würde ich sagen: das Unico ist auf seine spezielle Weise extrem innovativ, da es meines Wissens nach das erste Chronographenwerk ist, das vornehmlich auf optische Effekte ausgelegt wurde und damit ebenfalls den von mir vermuteten Zielkatalog für die Uhr erfüllt. Durch den Verzicht auf ein Zifferblatt wird das Werk durch die Draufsicht sichtbar und dazu wurden zentrale Funktionen wie z.B. Das Schaltrad auf die Oberseite des Werks verlegt. Konstruktiv befinden sie sich bei den meisten anderen Werken hinten. Laut Meinung eines Uhrmachers führt das beim Unico trotz integrierter Bauweise zu einer verhältnismäßig hohen Bauhöhe von über 8mm. Für mich zentrales Argument, das bei Hublot die Philosophie "Function Follows Form" gilt, ist jedoch die Wahl der Kupplung des Schaltradwerks. Anstatt einer modernen vertikalen Kupplung, die jedoch optisch viel verdeckt, wurde eine horizontale Kupplung verwendet, die konstruktionsbedingt zum Nachteil führt, dass der Chrono-Sekundenzeiger beim Start des Chronos einen deutlich sichtbaren Sprung nach vorne macht. Gerne erwähnt werden in Tests des Werks noch der Einsatz von High-Tech-Materialien wie die Verwendung von Silizium beim Anker und dem Ankerrad. Klingt innovativ, wurde aber bei anderen Werken schon längst eingesetzt.
Fazit: Hublot setzt Marke und Produkte äußerst konsequent um, muss aber dennoch einfach polarisieren. Für die einen reichen Markenpositionierung, Präsenz und Optik der Uhr sowie die geschickte Innovationskommunikation aus für eine Begeisterung. Bei anderen muss die eher auf optische Effekte ausgerichtete Produktpolitik auf Ablehung stoßen, da eine authentische Produktumsetzung im Sinne "Form follows Function" für Technik-Interessierte nicht gegeben ist.
Letztlich kommt es ganz individuell auf die eigenen Präferenzen an. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass mich einige Modelle optisch sehr ansprechen. Mir persönlich ist das für die verlangten Preise jedoch zu wenig.
Viele Grüße
Ralf
Nachdem es über Hublot ja kürzlich etwas polarisierende Diskussionen hier im Forum gab, habe ich mich mit der Big Bang Unico und der Marke einmal etwas intensiver beschäftigt und wage mal den Versuch einer Erklärung:
Nachdem die Marke erst in den 80er Jahren gegründet wurde und die interessante Entwicklung nach dem Einstieg von JC Biver viele Jahre später erfolgte, gibt es keine wirkliche Historie, der sich die Entwicklung von Marke und Produkten unterordnen musste. Entsprechend konnte der Fokus auf den Kunden gelegt und Produkte realisiert werden, die dem Zeitgeist entsprechen.
Quer durch alle Foren wird heute sehr schnell deutlich, dass es in unserer schnelllebigen und eher immer komplexer werdenden Welt bei der Entscheidung für eine Uhr im Kern um zwei wichtige Themen geht: eine ansprechende Optik und eine gut positionierte Marke, die eine interessante Geschichte erzählen kann. Ob diese authentisch ist, ist eher nebensächlich, da es Zeit und Aufwand bedeuten würde, sich damit tiefer auseinander zusetzen. Und die Zeit und/oder das Interesse haben die wenigsten. Solange die Marke selbst ein paar gut kommunizierte Argumente liefert, reicht das. Als Beleg dafür mag dienen, dass bei fast keiner Marke heute in Foren eine wirkliche Diskussion um die Technik im Inneren stattfindet.
Die Verantwortlichen bei Hublot haben das perfekt realisiert und Marke und Produkte entsprechend ausgerichtet:
Das Marketing besetzt viele Sponsoring-Plattformen im glamourösen Spitzensport und schafft damit die Bildung einer perfekten Markenpositionierung - die Top-Positionierung der Sportplattformen stärkt Hublot als Sponsor und vermittelt gleichzeitig den Eindruck vom Erfolg der Marke - schließlich ist hinlänglich bekannt, dass solche Sponsorengagement i.d.R. sehr teuer sind und nur erfolgreiche Marken die Ressourcen für ein solches Marketing-Engagement haben.
Die Preispositionierung wurde von Beginn an auf ein sehr hohes Level gesetzt - ein Nievau, dass andere Spitzenmarken erst nach vielen Jahren erfolgreich durchsetzten konnten. Für die Akzeptanz der Preise sorgte einerseits das erfolgreiche Marketing, andererseits eine herausragende Service-Orientierung, die im Luxusbereich schon eine Benchmark-Stellung einnimmt.
Jetzt fehlte zur perfekten Inszenierung "nur" noch ein entsprechendes Produkt. Und auch hier folgte die Umsetzung der Big Bang Unico in meisterlicher Weise der eingangs beschriebenen Ausgangslage:
Zuerst einmal muss eine Luxusuhr heute für die meisten Käufer - ganz besondere in Fernost - eine deutliche Präsenz am Handgelenk haben, was die Big Bang zweifelsfrei liefert. Die Präsenz wird verstärkt durch die deutlichen Designanleihen, die von einer Ikone der luxuriösen Sportuhren genommen wurden, der AP Royal Oak Offshore. Die Offshore war unbestritten bereits vor der Big Bang vorhanden und die Zeichnung von Gehäuseform, Lünette (inkl den darin gezeigten Schrauben) bis hin zu den charakteristischen Bandanstößen ähnelt sich in äußerst deutlicher Weise. Eine Betrachtung beider Uhren nebeneinander bei einem Konzi beseitigt alle Zweifel!
Nun lehrt ja schon Konfuzius, dass es eine Ehre sei, beim Meister abzuschauen. Und schließlich sind da ja noch die genialen Materialinnovationen von Hublot, sei es Magic Gold, oder die Fusion von Carbon mit textilen Werkstoffen usw. Auf den ersten Blick klingt das wirklich spannend - eine emotional überzeugende Geschichte. Bis man die Konstruktion des Gehäuses zum ersten Mal genauer ansieht. Sascha hatte dazu ja die Konstruktionszeichnungen gepostet. Beim genauen Hinsehen wird deutlich, dass die zentralen Gehäusefunktionen (Wasserdichtigkeit, Staubschutz und Schutz vor Erschütterungen) durch den Titan-Container übernommen wird. Die in den Vordergrund gestellten Materialinnovationen dienen also vornehmlich der Gehäuseoptik. Ein technischer Anspruch, diese Materialien auch in Bezug auf Funktionen auszulegen und zu konstruieren, besteht nicht - mit der Ausnahme, dass Sie als Gehäuseummantelung einfach halten und so befestigt sein müssen, dass sie auch bei Stößen nicht abfallen. Den optischen Effekt, der heute eine so hohe Bedeutung spielt, liefern die Materialien hingegen perfekt. Aus Sicht der Marke ergibt sich so nebenbei auch die geniale Situation, schnell und recht günstig "neue" Gehäuse zu realisieren, ohne langwierige und aufwändige Funktionstests durchführen zu müssen.
Bleibt in der Betrachtung noch das Werk. Neu konstruiert ist es, Maunfaktur ist es auch, aber wie innovativ ist es? Als Nicht-Techniker würde ich sagen: das Unico ist auf seine spezielle Weise extrem innovativ, da es meines Wissens nach das erste Chronographenwerk ist, das vornehmlich auf optische Effekte ausgelegt wurde und damit ebenfalls den von mir vermuteten Zielkatalog für die Uhr erfüllt. Durch den Verzicht auf ein Zifferblatt wird das Werk durch die Draufsicht sichtbar und dazu wurden zentrale Funktionen wie z.B. Das Schaltrad auf die Oberseite des Werks verlegt. Konstruktiv befinden sie sich bei den meisten anderen Werken hinten. Laut Meinung eines Uhrmachers führt das beim Unico trotz integrierter Bauweise zu einer verhältnismäßig hohen Bauhöhe von über 8mm. Für mich zentrales Argument, das bei Hublot die Philosophie "Function Follows Form" gilt, ist jedoch die Wahl der Kupplung des Schaltradwerks. Anstatt einer modernen vertikalen Kupplung, die jedoch optisch viel verdeckt, wurde eine horizontale Kupplung verwendet, die konstruktionsbedingt zum Nachteil führt, dass der Chrono-Sekundenzeiger beim Start des Chronos einen deutlich sichtbaren Sprung nach vorne macht. Gerne erwähnt werden in Tests des Werks noch der Einsatz von High-Tech-Materialien wie die Verwendung von Silizium beim Anker und dem Ankerrad. Klingt innovativ, wurde aber bei anderen Werken schon längst eingesetzt.
Fazit: Hublot setzt Marke und Produkte äußerst konsequent um, muss aber dennoch einfach polarisieren. Für die einen reichen Markenpositionierung, Präsenz und Optik der Uhr sowie die geschickte Innovationskommunikation aus für eine Begeisterung. Bei anderen muss die eher auf optische Effekte ausgerichtete Produktpolitik auf Ablehung stoßen, da eine authentische Produktumsetzung im Sinne "Form follows Function" für Technik-Interessierte nicht gegeben ist.
Letztlich kommt es ganz individuell auf die eigenen Präferenzen an. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass mich einige Modelle optisch sehr ansprechen. Mir persönlich ist das für die verlangten Preise jedoch zu wenig.
Viele Grüße
Ralf