ehemaliges mitglied
24.09.2017, 15:33
Liebe Uhrenfans,
um es gleich zu sagen: Ich bin weder Werbe- noch Uhrenexperte. Dennoch geht mir der Gedanke, einen markenübergreifenden Thread über Uhrenwerbung zu starten, schon etwas länger durch den Kopf.
Werbung nervt. Mich. Meistens. Radiowerbung schalte ich weg, Internetwerbung blende ich aus, Newsletter bestelle ich ab und Fernsehwerbung sehe ich nie oder fast nie, da ich schon lange nie oder fast nie fernsehe.
Alles klar? – Im Gegenteil!
Seit ich denken kann, finde ich Werbung gleichermaßen faszinierend wie abscheulich. Man entkommt ihr nicht, wenn man sich nicht freiwillig aller Sinnesorgane berauben möchte. Sie ist mächtig und immer schon da. Wie der Igel vor dem Hasen. Als Abbild ihrer Zeit und Kultur verrät sie vieles über vermeintliche oder tatsächliche Wünsche und Bedürfnisse einer Gesellschaft. Also auch über meine. Nur, wenn mich das Beworbene interessiert, bin ich erreichbar – dann aber zwangsläufig und notfalls gegen meinen Willen. Dabei gibt es manchmal Missverständnisse. Dazu ein Selbstversuch:
Nach wie vielen Zehntelsekunden landet euer Blick auf der Armbanduhr?
Bild 1: Alle Bildnachweise stehen am Ende dieses Beitrags.
http://www.swisstime.ch/mailing/PaulPicot/June2010/image002.jpg
So viele? Aber es wird hier eine Uhr beworben! Mit der vielleicht größten aller Komplikationen!
Von Helmut Neustädter alias Helmut Newton gibt es eine ganze Reihe solcher Motive. Hier ein weiteres:
Bild 2:
http://www.paulpicot.ch/Fichiers/ContestVote/2010-08-26-11h25-1-Eric-Zoom.jpg
Und eins mit Rollentausch:
Bild 3:
http://www.paulpicot.ch/Fichiers/ContestVote/2010-08-03-21h31-2-ALIVON-Zoom.jpg
Die Uhren, ursprünglich als Hauptdarsteller gecastet, erhalten darauf scheinbar eine Nebenrolle.
Meine derzeitige Lieblingswerbung ist diese hier:
Bild 4:
http://www.ablogtowatch.com/wp-content/uploads/2011/04/PP-Satire-Ad.jpg
Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Parodie der seit 1996 bestehenden, überaus erfolgreichen „Generations“-Kampagne einer Londoner Werbeagentur für Patek Philippe:
http://www.20min.ch/people/international/story/30636873
https://www.hodinkee.com/articles/untold-story-patek-philippe-generations-advertising-campaign
Selbstironie ist nicht jedermanns Sache und würde womöglich manchen potentiellen Käufer vergraulen. In der ernst gemeinten Form bilden die „Generations“-Motive stets eine heile Welt ab: mit Vater und Sohn oder Mutter und Tochter, gelegentlich auch mit Vertretern aus drei Generationen. Alles ist geordnet und gepflegt. Räumlichkeiten, Kleidung und Accessoires wirken gediegen und hochwertig und sprechen für sich.
An traditionellen Geschlechtsrollen wird nicht gerüttelt: Kleine wie große Männer müssen lernen und arbeiten und spielen mit technischen Geräten wie Autos, Motorbooten oder Spielzeugeisenbahnen. Kleine Mädchen werden später große, müssen schön sein, werden liebkost, malen oder spielen mit Pusteblumen:
Bild 5:
http://17rg073sukbm1lmjk9jrehb643.wpengine.netdna-cdn.com/wp-content/uploads/2013/12/p6.jpg
Bild 6:
http://www.patek.com/contents/images/advertisingcampaign/ads_2016_4968R_zoom.jpg
Bild 7:
https://hodinkee.imgix.net/uploads/images/1482614250725-7kyv0lk251axly7f-2c51f5e68c7680bf95946dc451b6c50f/patek_6.jpg?ixlib=rails-1.1.0&auto=format&ch=Width%2CDPR%2CSave-Data&fit=crop&fm=jpg&q=55&usm=12&w=820&
Bild 8:
http://www.horizont.net/news/media/12/Die-neue-Printkampagne-von-Patek-Philippe-113866.jpeg
Und diese Idylle lässt sich durch den Beginn „einer eigenen Tradition“ – sprich: durch den Kauf einer Uhr von Patek Philippe – erschaffen, so das Werbeversprechen, als sei man in einen kalten, luftleeren, traditionslosen Raum hineingeboren worden, den es erst mit Wärme und schönen Dingen zu füllen gilt.
Zum Vergleich eine Anzeige von Lange & Söhne:
Bild 9:
http://langeaficionado.com/wp-content/uploads/2016/06/print114901.jpg
Im Unterschied zur „Generations“-Werbung von Patek Philippe wirkt diese technisch, kalt und nüchtern. Die Leerstellen auf dem Bild entsprechen denen auf dem Zifferblatt. Weniger ist mehr also statt barocker Fülle – zumindest bei diesem Modell.
Die Bildüberschrift enthält einen Widerspruch: eine Digitaluhr „für Menschen, die niemals eine Digitaluhr tragen würden“. Eine Uhr demnach, die auf den ersten Blick wie eine Quarzuhr aussieht, aber eine mechanische ist. Understatement pur. Gewissermaßen eine klare, sachliche und präzise Uhr mit Herz, das man aber nur von hinten sieht. Auch die Bezeichnung „Zeitwerk“ klingt so gar nicht heimelig.
Treibt uns also der Wunsch nach einer heilen Familienwelt geradewegs in die Arme des erfolgreichen Familienunternehmens Patek Philippe? Spiegelt der lang ersehnte neue „Navitimer“ unser Verlangen nach grenzenloser Freiheit in den Lüften wider? Ist unsere überschwängliche Begeisterung für Uhren von Glashütte Original Ausdruck purer Ostalgie? Oder ist das alles Unsinn?
Mir ist bewusst, dass es auf RLX bereits markenspezifische Threads über Uhrenwerbung gibt; ebenso, dass im Internet eine unüberschaubare Zahl an Beiträgen zu diesem uferlosen Thema existiert, wie z.B. diese Sammlung hier:
https://100percentpassion.net/tag/advertising/
Noch spannender, als Uhrenwerbung lediglich kommentarlos zu bewundern oder gar zur Kunst zu stilisieren, finde ich es allerdings zu erfahren, was Uhrenbesessene wie wir über sie denken und zu sagen haben – auch wenn es dabei zu der einen oder anderen Wiederholung von bereits Vorhandenem kommen mag.
Und sollte ich der einzige bleiben, den das interessiert und der dazu etwas schreiben will, dann gehört wenigstens dieser Thread mir ganz allein ;) ...
____________
Bildnachweise:
1:
http://www.swisstime.ch/mailing/PaulPicot/June2010/image002.jpg
2:
http://www.paulpicot.ch/Fichiers/ContestVote/2010-08-26-11h25-1-Eric-Zoom.jpg
3:
http://www.paulpicot.ch/Fichiers/ContestVote/2010-08-03-21h31-2-ALIVON-Zoom.jpg
4:
http://www.ablogtowatch.com/wp-content/uploads/2011/04/PP-Satire-Ad.jpg
5:
http://17rg073sukbm1lmjk9jrehb643.wpengine.netdna-cdn.com/wp-content/uploads/2013/12/p6.jpg
6:
http://www.patek.com/contents/images/advertisingcampaign/ads_2016_4968R_zoom.jpg
7:
https://hodinkee.imgix.net/uploads/images/1482614250725-7kyv0lk251axly7f-2c51f5e68c7680bf95946dc451b6c50f/patek_6.jpg?ixlib=rails-1.1.0&auto=format&ch=Width%2CDPR%2CSave-Data&fit=crop&fm=jpg&q=55&usm=12&w=820&
8:
http://www.horizont.net/news/media/12/Die-neue-Printkampagne-von-Patek-Philippe-113866.jpeg
9:
http://langeaficionado.com/wp-content/uploads/2016/06/print114901.jpg
um es gleich zu sagen: Ich bin weder Werbe- noch Uhrenexperte. Dennoch geht mir der Gedanke, einen markenübergreifenden Thread über Uhrenwerbung zu starten, schon etwas länger durch den Kopf.
Werbung nervt. Mich. Meistens. Radiowerbung schalte ich weg, Internetwerbung blende ich aus, Newsletter bestelle ich ab und Fernsehwerbung sehe ich nie oder fast nie, da ich schon lange nie oder fast nie fernsehe.
Alles klar? – Im Gegenteil!
Seit ich denken kann, finde ich Werbung gleichermaßen faszinierend wie abscheulich. Man entkommt ihr nicht, wenn man sich nicht freiwillig aller Sinnesorgane berauben möchte. Sie ist mächtig und immer schon da. Wie der Igel vor dem Hasen. Als Abbild ihrer Zeit und Kultur verrät sie vieles über vermeintliche oder tatsächliche Wünsche und Bedürfnisse einer Gesellschaft. Also auch über meine. Nur, wenn mich das Beworbene interessiert, bin ich erreichbar – dann aber zwangsläufig und notfalls gegen meinen Willen. Dabei gibt es manchmal Missverständnisse. Dazu ein Selbstversuch:
Nach wie vielen Zehntelsekunden landet euer Blick auf der Armbanduhr?
Bild 1: Alle Bildnachweise stehen am Ende dieses Beitrags.
http://www.swisstime.ch/mailing/PaulPicot/June2010/image002.jpg
So viele? Aber es wird hier eine Uhr beworben! Mit der vielleicht größten aller Komplikationen!
Von Helmut Neustädter alias Helmut Newton gibt es eine ganze Reihe solcher Motive. Hier ein weiteres:
Bild 2:
http://www.paulpicot.ch/Fichiers/ContestVote/2010-08-26-11h25-1-Eric-Zoom.jpg
Und eins mit Rollentausch:
Bild 3:
http://www.paulpicot.ch/Fichiers/ContestVote/2010-08-03-21h31-2-ALIVON-Zoom.jpg
Die Uhren, ursprünglich als Hauptdarsteller gecastet, erhalten darauf scheinbar eine Nebenrolle.
Meine derzeitige Lieblingswerbung ist diese hier:
Bild 4:
http://www.ablogtowatch.com/wp-content/uploads/2011/04/PP-Satire-Ad.jpg
Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Parodie der seit 1996 bestehenden, überaus erfolgreichen „Generations“-Kampagne einer Londoner Werbeagentur für Patek Philippe:
http://www.20min.ch/people/international/story/30636873
https://www.hodinkee.com/articles/untold-story-patek-philippe-generations-advertising-campaign
Selbstironie ist nicht jedermanns Sache und würde womöglich manchen potentiellen Käufer vergraulen. In der ernst gemeinten Form bilden die „Generations“-Motive stets eine heile Welt ab: mit Vater und Sohn oder Mutter und Tochter, gelegentlich auch mit Vertretern aus drei Generationen. Alles ist geordnet und gepflegt. Räumlichkeiten, Kleidung und Accessoires wirken gediegen und hochwertig und sprechen für sich.
An traditionellen Geschlechtsrollen wird nicht gerüttelt: Kleine wie große Männer müssen lernen und arbeiten und spielen mit technischen Geräten wie Autos, Motorbooten oder Spielzeugeisenbahnen. Kleine Mädchen werden später große, müssen schön sein, werden liebkost, malen oder spielen mit Pusteblumen:
Bild 5:
http://17rg073sukbm1lmjk9jrehb643.wpengine.netdna-cdn.com/wp-content/uploads/2013/12/p6.jpg
Bild 6:
http://www.patek.com/contents/images/advertisingcampaign/ads_2016_4968R_zoom.jpg
Bild 7:
https://hodinkee.imgix.net/uploads/images/1482614250725-7kyv0lk251axly7f-2c51f5e68c7680bf95946dc451b6c50f/patek_6.jpg?ixlib=rails-1.1.0&auto=format&ch=Width%2CDPR%2CSave-Data&fit=crop&fm=jpg&q=55&usm=12&w=820&
Bild 8:
http://www.horizont.net/news/media/12/Die-neue-Printkampagne-von-Patek-Philippe-113866.jpeg
Und diese Idylle lässt sich durch den Beginn „einer eigenen Tradition“ – sprich: durch den Kauf einer Uhr von Patek Philippe – erschaffen, so das Werbeversprechen, als sei man in einen kalten, luftleeren, traditionslosen Raum hineingeboren worden, den es erst mit Wärme und schönen Dingen zu füllen gilt.
Zum Vergleich eine Anzeige von Lange & Söhne:
Bild 9:
http://langeaficionado.com/wp-content/uploads/2016/06/print114901.jpg
Im Unterschied zur „Generations“-Werbung von Patek Philippe wirkt diese technisch, kalt und nüchtern. Die Leerstellen auf dem Bild entsprechen denen auf dem Zifferblatt. Weniger ist mehr also statt barocker Fülle – zumindest bei diesem Modell.
Die Bildüberschrift enthält einen Widerspruch: eine Digitaluhr „für Menschen, die niemals eine Digitaluhr tragen würden“. Eine Uhr demnach, die auf den ersten Blick wie eine Quarzuhr aussieht, aber eine mechanische ist. Understatement pur. Gewissermaßen eine klare, sachliche und präzise Uhr mit Herz, das man aber nur von hinten sieht. Auch die Bezeichnung „Zeitwerk“ klingt so gar nicht heimelig.
Treibt uns also der Wunsch nach einer heilen Familienwelt geradewegs in die Arme des erfolgreichen Familienunternehmens Patek Philippe? Spiegelt der lang ersehnte neue „Navitimer“ unser Verlangen nach grenzenloser Freiheit in den Lüften wider? Ist unsere überschwängliche Begeisterung für Uhren von Glashütte Original Ausdruck purer Ostalgie? Oder ist das alles Unsinn?
Mir ist bewusst, dass es auf RLX bereits markenspezifische Threads über Uhrenwerbung gibt; ebenso, dass im Internet eine unüberschaubare Zahl an Beiträgen zu diesem uferlosen Thema existiert, wie z.B. diese Sammlung hier:
https://100percentpassion.net/tag/advertising/
Noch spannender, als Uhrenwerbung lediglich kommentarlos zu bewundern oder gar zur Kunst zu stilisieren, finde ich es allerdings zu erfahren, was Uhrenbesessene wie wir über sie denken und zu sagen haben – auch wenn es dabei zu der einen oder anderen Wiederholung von bereits Vorhandenem kommen mag.
Und sollte ich der einzige bleiben, den das interessiert und der dazu etwas schreiben will, dann gehört wenigstens dieser Thread mir ganz allein ;) ...
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Bildnachweise:
1:
http://www.swisstime.ch/mailing/PaulPicot/June2010/image002.jpg
2:
http://www.paulpicot.ch/Fichiers/ContestVote/2010-08-26-11h25-1-Eric-Zoom.jpg
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