Kronenträger
22.03.2020, 12:10
Onkel Herrmann, die Verfügbarkeit von Stahl-Daytonas, mein 120. Geburtstag und eine Jahrgangsuhr aus Glashütte – wie alles irgendwie zusammenhängt.
Liebe Mitinsassen,
ich möchte Euch an dieser Stelle einen Neuerwerb vorstellen, der sich schon seit einigen Wochen in meinem Besitz befindet. Bin bisher nicht dazu gekommen, ein paar Bilder davon zu schießen. Heute hat es endlich mal geklappt – zumindest diesbezüglich kann man der Corona-bedingten Ausgangssperre mal etwas Positives abgewinnen.
Apropos Virus – vom Uhrenvirus bin ich ja schon länger befallen. Möchte jetzt nicht behaupten, dass ich eine Sammlung mein Eigen nenne – dafür ist zum einen mein Budget zu endlich und zum anderen mag ich es nicht, dass bei einer Sammlung der Größe x zwangsläufig (x-1) Uhren in irgendwelchen Schließfächern, Tresoren oder Reiseetuis herumliegen und nicht getragen werden. Aber immerhin, ein paar Uhren haben den Weg zu mir nach Hause gefunden, am liebsten davon sind mir die mit der Krone auf dem Zifferblatt 😊. Meine Batman trage ich fast immer, meine 16710er Pepsi schon deutlich seltener, der Rest ist aus dem Budget-Bereich und kommt immer mal wieder zum Einsatz, wenn mir das Kratzer-Risiko bei irgendwelchen Tätigkeiten recht hoch erscheint. Eigentlich wäre ich damit rundum zufrieden. Wenn, ja wenn es diese Daytona nicht gäbe. Die hat es mir echt angetan.
Vor ein paar Jahren hätte ich mal eine 116520 haben können. Nagelneu, zum Listenpreis. :facepalm: Hat mich aber nicht geflasht. War mir optisch immer zu klein. Aus Rendite-Spacko-Sicht hätte ich sie natürlich trotzdem nehmen sollen, weiß ich. Bin aber meinem Grundsatz treu geblieben, dass ich mir keine Uhr kaufe, nur um auf Wertzuwachs zu spekulieren. Gekauft wird nur, was ich auch tragen will. Ob das jetzt schlau ist oder nicht, darüber kann man trefflich streiten. Ist aber letztendlich auch egal, das Thema ist rum ums Eck, preislich ist die 116520 mittlerweile ziemlich entrückt, besser gefallen tut sie mir immer noch nicht.
Doch dann kam die 116500. Erstes Foto gesehen, hmm… gar nicht schlecht. Gefiel mir besser als die 116520. Wirkt irgendwie etwas größer. So könnte das schon eher was werden mit uns. Auf eine Warteliste habe ich mich aber erst einmal nicht setzen lassen, denn der Drang, eine zu besitzen, war nicht so groß (siehe oben). Ich konnte gut damit leben, mich an den Fotos dieser Uhr hier im Forum zu erfreuen – bis ich sie kürzlich zum ersten Mal live an einem Handgelenk vor mir gesehen habe. Da war es um mich geschehen – so eine Uhr brauche ich! :ea:
Vor ein paar Wochen war ich dann mal wieder im wunderschönen Dresden zu Gast. Dort tummeln sich ja rund um den Neumarkt und die Frauenkirche diverse Händler für neue und gebrauchte Edeluhren, u.a. auch eine Filiale von W…e. Also bin ich da mal rein. Sehr netter Verkäufer, wenig los, also konnte ich mir mal das eine oder andere unverbindlich zeigen lassen:
DJ36 in Edelstahl, Weißgoldlünette, blaues Sonnenschliffblatt: Sehr schön, aber für mein Handgelenk doch viel zu klein.
DJ41: größenmäßig deutlich stimmiger, aber nur in Gold und Bicolor zu haben.
Submariner Bicolor mit dem blauen Sonnenschliffblatt: Ein Traum, aber nicht kaufbar. War schon so ein Ausstellungsstück, was dann demnächst im Schaufenster stehen soll, um noch mehr potenzielle Interessenten in die Depression zu treiben.
Daytona? Ein mitleidiger Blick. Natürlich nicht da. Ob ich mich auf eine Warteliste setzen lassen kann? Ja, könne ich schon, nur wird das wohl wenig bringen. Derzeit stehen ca. 300 Leute allein bei W. in Dresden auf der Liste. Pro Jahr bekommen sie etwa 4 Stück. Wenn es dabei bleibt, dann könnte ich also mit etwas Glück zu meinem 120. Geburtstag eine in Empfang nehmen. :weg:
Ich fange schon mal an zu sparen, denn wenn ich eine durchschnittliche jährliche Preiserhöhung von 3% unterstelle, dann muss ich bis dahin etwa 112.000€ zusammen haben.
Sarkasmus hin oder her, ganz nüchtern betrachtet heißt das einfach nur eines: Das mit der Daytona und mir wird in diesem Leben wohl nix mehr. :mimimi: Die Preise am Graumarkt zahle ich nicht. Also finde ich mich damit ab. Vorhang und Abgang. Raus an die frische Luft.
So ernüchternd, wie der Besuch bei W. gerade war, die Freude an schönen Uhren hat mir das nicht verdorben. Also mache ich mich auf zum weiteren Schaufensterbummel in Dresden. Gibt ja wirklich extrem viel zu bewundern dort: Einen Juwelier L…t (dessen Auslage war bezüglich Rolex noch dünner als die von W.), eine Lange & Söhne-Boutique, eine Glashütte Original-Boutique und auch noch zwei feine kleine Händler, die sich hauptsächlich auf gebrauchte Edeluhren, aber auch die eine oder andere Neu-Uhr spezialisiert haben.
Und bei einem dieser Händler lag dann tatsächlich eine 116500 WD im Schaufenster. Da wollte ich doch zumindest die Chance nutzen und die mir mal ans Handgelenk hängen. Hat leicht masochistische Züge, ich weiß. Trotzdem. Meine Frau rollt mit den Augen, kommt aber mit rein. Und begutachtet, während ich mir die Daytona zeigen lasse, mal die übrige Auslage. Folgenschwer, soviel darf an dieser Stelle schon verraten werden. ;)
Die Daytona war erwartungsgemäß ein Traum. Ich hätte sie zwar lieber mit schwarzem Blatt, aber auch in weiß war die wunderschön. Der Preis war mit 22K für eine entklebte, aber ungetragene Uhr sogar noch einigermaßen im Rahmen, da habe ich im Netz schon wesentlich unverschämtere Preisschilder gesehen. Aber ich bleibe dabei. 10K über Liste zahle ich einfach nicht. Punkt.
So, das war bis hierher sehr, sehr viel Text für eine Uhrenvorstellung, in der es noch kein einziges Bild zu sehen gab. Danke für alle, die bisher drangeblieben sind. Es geht noch weiter 😊.
Jetzt mache ich nämlich einen Zeit- und Themensprung. Zu Onkel Herrmann. Onkel Herrmann kennt ihr ziemlich sicher nicht. Aber viele von euch kennen ein Produkt von Onkel Herrmann, speziell die Ossis unter uns.
Onkel Herrmann ist eigentlich gar nicht mein Onkel. Er ist der Großonkel meiner Frau. Aber er ist dieser Typ Mensch, den man gern seinen Onkel nennt, auch wenn das gar nicht so ganz korrekt ist. Onkel Herrmann ist ein gemütlicher Sachse, schon über 80 Jahre alt und ein sehr, sehr angenehmer Zeitgenosse. So ein Typ, auf den man sich jedes Mal freut, wenn man ihn sieht und mit dem es immer angenehme und inspirierende Gespräche gibt.
Und bei einem dieser Gespräche kam mal ganz nebenbei heraus, dass Onkel Herrmann der Konstrukteur des Spezimatic-Kalibers ist, welches zu DDR-Zeiten in den Uhren von GUB Glashütte verbaut wurde.
Es hat damals wohl eine Art Wettbewerb zwischen den verschiedenen Uhrenkonstrukteuren bei GUB gegeben. Sein Entwurf hat am Ende den Zuschlag bekommen, weil das Werk 0,1mm flacher war als das des Zweitplatzierten. Und so fand Onkel Herrmanns Konstruktion zwischen 1964 und 1979 den Weg an schätzungsweise 3 Millionen Handgelenke in der DDR, aber auch weltweit.
So, jetzt biegt diese Geschichte langsam auf die Zielgerade ein, ihr ahnt vermutlich schon, was kommt. Ich habe nämlich schon lange ins Auge gefasst, mir so eine Uhr mit Onkel Herrmanns Werk zu kaufen. Das war konkret aber gar nicht so einfach wie gedacht. Keine Ahnung, wie viele Uhren von den ehemals verkauften noch existieren. Viele dürften in den Jahren nach der Wende wohl gegen eine vermeintlich tolle neue Quarzuhr eingetauscht worden sein. Im Idealfall schlummern sie noch in irgendwelchen Schubladen, vermutlich sind sie aber häufig einfach entsorgt worden. Des Weiteren ist es natürlich so, dass mir so eine Uhr natürlich auch gefallen soll – Spezimatic-Werk hin oder her. Und das schränkt die Auswahl noch einmal mal spürbar ein. Vieles, was seinerzeit so auf den Markt gebracht wurde, würde ich heute schlicht und einfach in die Kategorie Designunfall einordnen. So etwas mag ich nicht haben. Und schließlich ist es auch nicht einfach, eine Uhr in einem schönen Zustand zu finden. Zu DDR-Zeiten waren das schlicht und einfach Gebrauchsgegenstände, die die Zeit am Handgelenk anzeigen sollten. Vergleichsweise teuer zwar, aber normalerweise keine Sammlerstücke, kein Schmuckersatz – einfach Armbanduhren, die im Alltag getragen wurden. Und so sehen sie denn auch häufig aus. 8o
Und jetzt steht meine Frau also in diesem Laden, guckt sich die Auslage an und sagt: Ist das hier nicht so eine Spezimatic-Uhr die Du mal haben wolltest?
Der Rest ist schnell erzählt: GUB Glashütte mit Onkel Herrmanns Spezimatic-Werk (Kaliber 75), ein für die damalige Zeit schönes Design, aus meinem Geburtsjahr. Sehr gut erhalten, wenngleich offensichtlich recht stark aufgearbeitet. Stört mich aber nicht so sehr, ich freue mich da eher an der quasi-neuen Optik als dass ich die Patina früherer Kampfspuren vermissen würde. Die Preisvorstellung des Händlers war durchaus ambitioniert, aber so eine Gelegenheit kommt vermutlich so schnell nicht wieder – wenn sie denn überhaupt jemals wiederkommt. Ein bisschen ist er mir im Preis dann auch noch entgegengekommen, 2 Flaschen Uhrenöl gab’s obendrein dazu, und so habe ich mit einem breiten Grinsen im Gesicht mit meinem schönen Neuerwerb den Laden verlassen.
So, aber jetzt sollen endlich Bilder sprechen. Ich finde, die Uhr kann sich wirklich sehen lassen. Ein schönes Edelstahlgehäuse, welches zwar eindeutig ein Kind der 70er ist, das man aber auch heute noch gut anschauen kann. Über dem schönen Zifferblatt mit Sonnenschliff und tollen erhabenen Indexen kreisen (zu) kurze Zeiger, abgedeckt von einem sexy Plexi. Bin gespannt, wie sie euch gefällt.
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Zum Schluss noch ein paar technische Daten:
GUB Kaliber 75 (06 - 26) Spezimatic
• Herstellungsjahr: 1964 -1979
• Werkdurchmesser: 12 ½''' = 28 mm
• Werkhöhe: 5,55 mm
• Werkaufbau: Platinenwerk mit Grundplatte, Ankerbrücke, Brücke für Federhaus, Räderwerk, Unruhkloben, Aufzugteile für Automatik
• Aufzug: Rotorautomatik, Kupplungsaufzug mit 2-Loch Winkelhebelfeder.
• Hemmung: Palettenankerhemmung
• Unruh: Monometallische mit selbstkompensierender Flachspirale
• Steine: 26
• Stoßsicherung: Unruhlager mit GUB Stoßsicherung
• Reglage: freier Rückerzeiger
• Sekunde: zentral
• Stückzahl: ca. 3 Mill. (Kaliber 74 & 75 zusammen)
• Preis: 186,- M bis 480,- M (Ausgenommen Modelle im Goldgehäuse)
• Besonderheiten: Gütezeichen Q , mit Datumsanzeige; frühe Werkausführungen bis 1968 noch mit zweischenkligem Unruhreif, danach mit einem dreischenkligen.
(Quelle: https://www.glashuetteuhren.de/kaliberuebersichten-modelle/glashuetter-uhrenbetriebe/kaliber-75/)
Am Ende wird diese Uhr meine Batman wohl nur selten vom Handgelenk verdrängen. Ich freue mich aber trotzdem, dass dieses schöne Stück den Weg zu mir gefunden hat.
Schöne Grüße
Thomas
Liebe Mitinsassen,
ich möchte Euch an dieser Stelle einen Neuerwerb vorstellen, der sich schon seit einigen Wochen in meinem Besitz befindet. Bin bisher nicht dazu gekommen, ein paar Bilder davon zu schießen. Heute hat es endlich mal geklappt – zumindest diesbezüglich kann man der Corona-bedingten Ausgangssperre mal etwas Positives abgewinnen.
Apropos Virus – vom Uhrenvirus bin ich ja schon länger befallen. Möchte jetzt nicht behaupten, dass ich eine Sammlung mein Eigen nenne – dafür ist zum einen mein Budget zu endlich und zum anderen mag ich es nicht, dass bei einer Sammlung der Größe x zwangsläufig (x-1) Uhren in irgendwelchen Schließfächern, Tresoren oder Reiseetuis herumliegen und nicht getragen werden. Aber immerhin, ein paar Uhren haben den Weg zu mir nach Hause gefunden, am liebsten davon sind mir die mit der Krone auf dem Zifferblatt 😊. Meine Batman trage ich fast immer, meine 16710er Pepsi schon deutlich seltener, der Rest ist aus dem Budget-Bereich und kommt immer mal wieder zum Einsatz, wenn mir das Kratzer-Risiko bei irgendwelchen Tätigkeiten recht hoch erscheint. Eigentlich wäre ich damit rundum zufrieden. Wenn, ja wenn es diese Daytona nicht gäbe. Die hat es mir echt angetan.
Vor ein paar Jahren hätte ich mal eine 116520 haben können. Nagelneu, zum Listenpreis. :facepalm: Hat mich aber nicht geflasht. War mir optisch immer zu klein. Aus Rendite-Spacko-Sicht hätte ich sie natürlich trotzdem nehmen sollen, weiß ich. Bin aber meinem Grundsatz treu geblieben, dass ich mir keine Uhr kaufe, nur um auf Wertzuwachs zu spekulieren. Gekauft wird nur, was ich auch tragen will. Ob das jetzt schlau ist oder nicht, darüber kann man trefflich streiten. Ist aber letztendlich auch egal, das Thema ist rum ums Eck, preislich ist die 116520 mittlerweile ziemlich entrückt, besser gefallen tut sie mir immer noch nicht.
Doch dann kam die 116500. Erstes Foto gesehen, hmm… gar nicht schlecht. Gefiel mir besser als die 116520. Wirkt irgendwie etwas größer. So könnte das schon eher was werden mit uns. Auf eine Warteliste habe ich mich aber erst einmal nicht setzen lassen, denn der Drang, eine zu besitzen, war nicht so groß (siehe oben). Ich konnte gut damit leben, mich an den Fotos dieser Uhr hier im Forum zu erfreuen – bis ich sie kürzlich zum ersten Mal live an einem Handgelenk vor mir gesehen habe. Da war es um mich geschehen – so eine Uhr brauche ich! :ea:
Vor ein paar Wochen war ich dann mal wieder im wunderschönen Dresden zu Gast. Dort tummeln sich ja rund um den Neumarkt und die Frauenkirche diverse Händler für neue und gebrauchte Edeluhren, u.a. auch eine Filiale von W…e. Also bin ich da mal rein. Sehr netter Verkäufer, wenig los, also konnte ich mir mal das eine oder andere unverbindlich zeigen lassen:
DJ36 in Edelstahl, Weißgoldlünette, blaues Sonnenschliffblatt: Sehr schön, aber für mein Handgelenk doch viel zu klein.
DJ41: größenmäßig deutlich stimmiger, aber nur in Gold und Bicolor zu haben.
Submariner Bicolor mit dem blauen Sonnenschliffblatt: Ein Traum, aber nicht kaufbar. War schon so ein Ausstellungsstück, was dann demnächst im Schaufenster stehen soll, um noch mehr potenzielle Interessenten in die Depression zu treiben.
Daytona? Ein mitleidiger Blick. Natürlich nicht da. Ob ich mich auf eine Warteliste setzen lassen kann? Ja, könne ich schon, nur wird das wohl wenig bringen. Derzeit stehen ca. 300 Leute allein bei W. in Dresden auf der Liste. Pro Jahr bekommen sie etwa 4 Stück. Wenn es dabei bleibt, dann könnte ich also mit etwas Glück zu meinem 120. Geburtstag eine in Empfang nehmen. :weg:
Ich fange schon mal an zu sparen, denn wenn ich eine durchschnittliche jährliche Preiserhöhung von 3% unterstelle, dann muss ich bis dahin etwa 112.000€ zusammen haben.
Sarkasmus hin oder her, ganz nüchtern betrachtet heißt das einfach nur eines: Das mit der Daytona und mir wird in diesem Leben wohl nix mehr. :mimimi: Die Preise am Graumarkt zahle ich nicht. Also finde ich mich damit ab. Vorhang und Abgang. Raus an die frische Luft.
So ernüchternd, wie der Besuch bei W. gerade war, die Freude an schönen Uhren hat mir das nicht verdorben. Also mache ich mich auf zum weiteren Schaufensterbummel in Dresden. Gibt ja wirklich extrem viel zu bewundern dort: Einen Juwelier L…t (dessen Auslage war bezüglich Rolex noch dünner als die von W.), eine Lange & Söhne-Boutique, eine Glashütte Original-Boutique und auch noch zwei feine kleine Händler, die sich hauptsächlich auf gebrauchte Edeluhren, aber auch die eine oder andere Neu-Uhr spezialisiert haben.
Und bei einem dieser Händler lag dann tatsächlich eine 116500 WD im Schaufenster. Da wollte ich doch zumindest die Chance nutzen und die mir mal ans Handgelenk hängen. Hat leicht masochistische Züge, ich weiß. Trotzdem. Meine Frau rollt mit den Augen, kommt aber mit rein. Und begutachtet, während ich mir die Daytona zeigen lasse, mal die übrige Auslage. Folgenschwer, soviel darf an dieser Stelle schon verraten werden. ;)
Die Daytona war erwartungsgemäß ein Traum. Ich hätte sie zwar lieber mit schwarzem Blatt, aber auch in weiß war die wunderschön. Der Preis war mit 22K für eine entklebte, aber ungetragene Uhr sogar noch einigermaßen im Rahmen, da habe ich im Netz schon wesentlich unverschämtere Preisschilder gesehen. Aber ich bleibe dabei. 10K über Liste zahle ich einfach nicht. Punkt.
So, das war bis hierher sehr, sehr viel Text für eine Uhrenvorstellung, in der es noch kein einziges Bild zu sehen gab. Danke für alle, die bisher drangeblieben sind. Es geht noch weiter 😊.
Jetzt mache ich nämlich einen Zeit- und Themensprung. Zu Onkel Herrmann. Onkel Herrmann kennt ihr ziemlich sicher nicht. Aber viele von euch kennen ein Produkt von Onkel Herrmann, speziell die Ossis unter uns.
Onkel Herrmann ist eigentlich gar nicht mein Onkel. Er ist der Großonkel meiner Frau. Aber er ist dieser Typ Mensch, den man gern seinen Onkel nennt, auch wenn das gar nicht so ganz korrekt ist. Onkel Herrmann ist ein gemütlicher Sachse, schon über 80 Jahre alt und ein sehr, sehr angenehmer Zeitgenosse. So ein Typ, auf den man sich jedes Mal freut, wenn man ihn sieht und mit dem es immer angenehme und inspirierende Gespräche gibt.
Und bei einem dieser Gespräche kam mal ganz nebenbei heraus, dass Onkel Herrmann der Konstrukteur des Spezimatic-Kalibers ist, welches zu DDR-Zeiten in den Uhren von GUB Glashütte verbaut wurde.
Es hat damals wohl eine Art Wettbewerb zwischen den verschiedenen Uhrenkonstrukteuren bei GUB gegeben. Sein Entwurf hat am Ende den Zuschlag bekommen, weil das Werk 0,1mm flacher war als das des Zweitplatzierten. Und so fand Onkel Herrmanns Konstruktion zwischen 1964 und 1979 den Weg an schätzungsweise 3 Millionen Handgelenke in der DDR, aber auch weltweit.
So, jetzt biegt diese Geschichte langsam auf die Zielgerade ein, ihr ahnt vermutlich schon, was kommt. Ich habe nämlich schon lange ins Auge gefasst, mir so eine Uhr mit Onkel Herrmanns Werk zu kaufen. Das war konkret aber gar nicht so einfach wie gedacht. Keine Ahnung, wie viele Uhren von den ehemals verkauften noch existieren. Viele dürften in den Jahren nach der Wende wohl gegen eine vermeintlich tolle neue Quarzuhr eingetauscht worden sein. Im Idealfall schlummern sie noch in irgendwelchen Schubladen, vermutlich sind sie aber häufig einfach entsorgt worden. Des Weiteren ist es natürlich so, dass mir so eine Uhr natürlich auch gefallen soll – Spezimatic-Werk hin oder her. Und das schränkt die Auswahl noch einmal mal spürbar ein. Vieles, was seinerzeit so auf den Markt gebracht wurde, würde ich heute schlicht und einfach in die Kategorie Designunfall einordnen. So etwas mag ich nicht haben. Und schließlich ist es auch nicht einfach, eine Uhr in einem schönen Zustand zu finden. Zu DDR-Zeiten waren das schlicht und einfach Gebrauchsgegenstände, die die Zeit am Handgelenk anzeigen sollten. Vergleichsweise teuer zwar, aber normalerweise keine Sammlerstücke, kein Schmuckersatz – einfach Armbanduhren, die im Alltag getragen wurden. Und so sehen sie denn auch häufig aus. 8o
Und jetzt steht meine Frau also in diesem Laden, guckt sich die Auslage an und sagt: Ist das hier nicht so eine Spezimatic-Uhr die Du mal haben wolltest?
Der Rest ist schnell erzählt: GUB Glashütte mit Onkel Herrmanns Spezimatic-Werk (Kaliber 75), ein für die damalige Zeit schönes Design, aus meinem Geburtsjahr. Sehr gut erhalten, wenngleich offensichtlich recht stark aufgearbeitet. Stört mich aber nicht so sehr, ich freue mich da eher an der quasi-neuen Optik als dass ich die Patina früherer Kampfspuren vermissen würde. Die Preisvorstellung des Händlers war durchaus ambitioniert, aber so eine Gelegenheit kommt vermutlich so schnell nicht wieder – wenn sie denn überhaupt jemals wiederkommt. Ein bisschen ist er mir im Preis dann auch noch entgegengekommen, 2 Flaschen Uhrenöl gab’s obendrein dazu, und so habe ich mit einem breiten Grinsen im Gesicht mit meinem schönen Neuerwerb den Laden verlassen.
So, aber jetzt sollen endlich Bilder sprechen. Ich finde, die Uhr kann sich wirklich sehen lassen. Ein schönes Edelstahlgehäuse, welches zwar eindeutig ein Kind der 70er ist, das man aber auch heute noch gut anschauen kann. Über dem schönen Zifferblatt mit Sonnenschliff und tollen erhabenen Indexen kreisen (zu) kurze Zeiger, abgedeckt von einem sexy Plexi. Bin gespannt, wie sie euch gefällt.
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Zum Schluss noch ein paar technische Daten:
GUB Kaliber 75 (06 - 26) Spezimatic
• Herstellungsjahr: 1964 -1979
• Werkdurchmesser: 12 ½''' = 28 mm
• Werkhöhe: 5,55 mm
• Werkaufbau: Platinenwerk mit Grundplatte, Ankerbrücke, Brücke für Federhaus, Räderwerk, Unruhkloben, Aufzugteile für Automatik
• Aufzug: Rotorautomatik, Kupplungsaufzug mit 2-Loch Winkelhebelfeder.
• Hemmung: Palettenankerhemmung
• Unruh: Monometallische mit selbstkompensierender Flachspirale
• Steine: 26
• Stoßsicherung: Unruhlager mit GUB Stoßsicherung
• Reglage: freier Rückerzeiger
• Sekunde: zentral
• Stückzahl: ca. 3 Mill. (Kaliber 74 & 75 zusammen)
• Preis: 186,- M bis 480,- M (Ausgenommen Modelle im Goldgehäuse)
• Besonderheiten: Gütezeichen Q , mit Datumsanzeige; frühe Werkausführungen bis 1968 noch mit zweischenkligem Unruhreif, danach mit einem dreischenkligen.
(Quelle: https://www.glashuetteuhren.de/kaliberuebersichten-modelle/glashuetter-uhrenbetriebe/kaliber-75/)
Am Ende wird diese Uhr meine Batman wohl nur selten vom Handgelenk verdrängen. Ich freue mich aber trotzdem, dass dieses schöne Stück den Weg zu mir gefunden hat.
Schöne Grüße
Thomas