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Flo74
13.03.2006, 09:02
Das Märchen vom "neuen EU-Recht"

Von Marc Störing

Ein seltsamer Exot macht in Online-Auktionen schon länger die Runde: Das "neue EU-Recht". Juristen zucken ratlos mit den Schultern, aber bei Ebay reißen die Schilderungen über seine Existenz nicht ab. Vom EU-Recht und anderen Märchen.

Die Sache ist ein Mysterium: Immer wieder berichten Ebay-Verkäufer vom "neuen EU-Recht". Verwirrend nur, dass außerhalb von Ebay niemand dieses "neue EU-Recht" zu kennen scheint. Auch steht offenbar die Zeit still: Schon länger ist vom "neuen" Recht die Rede. Genau genommen seit gut vier Jahren ist es ewig neu.

"Neues EU-Recht"?

"Das 'neue EU-Recht'", schmunzelt Professor Borges, Experte für Handels- und Wirtschaftsrecht sowie Recht der Medien an der Ruhr-Universität Bochum, "steht, soweit es die Gewährleistung angeht, seit dem 1.1.2002 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Das Widerrufsrecht des Käufers ist sogar schon länger, seit 30.6.2000 deutsches Gesetzesrecht."

Von wegen also EU-Recht. Das heimische, über 100 Jahre alte BGB wurde wieder einmal überarbeitet - wenn auch schon vor einiger Zeit. Immerhin beruhen die vom Gesetzgeber beschlossenen Änderungen zum großen Teil auf EU-Vorgaben. Nur: Dass Berlin Richtlinien aus Brüssel umsetzt, ist inzwischen bei den meisten Gesetzen üblich. Von dem einen, neuen EU-Recht zu sprechen, wäre also falsch. Auch schon deshalb, weil EU-Richtlinien ohnehin nicht direkt gelten. Sie verpflichten eben nur das heimische Parlament, entsprechende Gesetze neu zu erlassen oder anzupassen. "Gesetz" ist nicht schon die Richtlinie aus Brüssel, sondern hier erst das angepasste BGB aus Berlin.

Garantie oder Gewährleistung?

Doch die Missverständnisse gehen über solche Förmeleien hinaus. Denn die Schar der "EU-Rechtler" bei Ebay will die "Garantie" ausschließen. Das ist ebenso Unfug, wie verbreitet. Denn dort, wo der Otto-Normal-Verbraucher glaubt, dass "Garantie drauf ist", ist in Wahrheit meist Gewährleistung drin.

"Eine Garantie gibt der Verkäufer freiwillig", erklärt Anke Kirchner, Juristin der Verbraucherzentrale NRW, "die Gewährleistung ist hingegen gesetzlich vorgeschrieben." Zwei Jahre lang kann der Käufer eine Reparatur oder Ersatzlieferung verlangen. Scheitert die Reparatur zweimal, sind Preisnachlass oder Rückgabe der Ware gegen Erstattung des Kaufpreises möglich. Die Gewährleistungsfrist beträgt seit dem 1.1.2002 nun 24 Monate, sie kann bei Gebrauchtwaren auf 12 Monate verkürzt werden.

Die freiwillige Garantie geht über die Gewährleistung hinaus. Der Verkäufer kann etwa längere Fristen, einen Vor-Ort-Austausch oder eine "Tiefpreisgarantie" versprechen. Eben weil die Garantie freiwillig ist, braucht sie nicht ausgeschlossen zu werden: Erst gar keine Garantie zu versprechen, reicht da schon aus. Jedoch darf der Verkäufer sie ausdrücklich ausschließen, wenn er als Privatperson handelt.

Privat oder gewerblich?

Hier streiten sich derzeit jedoch Experten über griffige Kriterien zur Abgrenzung. Jedenfalls kann der Betroffene nicht einfach selbst bestimmen, ob er als privat oder gewerblich gilt. Trotzdem fordert derweil eBay seine Nutzer auf, ihren Status festzulegen. Doch nicht nach dem eigenen Willen, sondern nach äußeren Umständen richtet sich die Unterscheidung. "Es obliegt jedem Mitglied selbst, zu prüfen, ob ein gewerbliches Handeln vorliegt", erklärt Maike Fuest, Pressesprecherin von eBay, gegenüber SPIEGEL ONLINE. Ob hier ein Teilnehmer schummelt, sei für eBay "nicht überprüfbar".

Zwar ergehen inzwischen mehr und mehr Urteile zu der Frage. Eine handfeste Grenzlinie fehlt jedoch. "Die Abgrenzung ist schwierig und hängt vom Einzelfall ab", berichtet Prof. Dr. Georg Borges. "Die inzwischen zahlreicheren Urteile lassen bestenfalls eine vage Grenzzone erkennen."

Neben dem immerhin für Private möglichen Ausschluss der Gewährleistung trifft eine weitere Pflicht unvermeidbar die gewerblichen Verkäufer: das Widerrufsrecht. Innerhalb von zwei Wochen darf der Käufer ohne Angabe von Gründen die Kaufsache zurückgeben.

Lange herrschte Ungewissheit, ob das auch für Ebay-Geschäfte gilt. Denn für Versteigerungen regelt das BGB eine Ausnahme: kein Widerrufsrecht. Erst der Bundesgerichtshof (BGH) befand schließlich, die "Versteigerung" bei Ebay sei gar keine, wie sie das BGB meint. Vulgo: Es gibt doch ein Widerrufsrecht.

In der Praxis

"Oftmals beschweren sich Verbraucher, dass sich 'Powerseller' nicht an die gesetzlichen Informationspflichten halten", klagt Anke Kirchner.

Doch nicht nur durch fehlende, sondern auch durch ungewollt falsche Klauseln entsteht Streit. Eine Untersuchung des Verbraucherschutzes ergab, dass viele Verkäufer in die Haftungsfalle tappen. Rund zwei Drittel aller Privatverkäufer wollen die Gewährleistung ausschließen, formal gelingt das aber nur jedem Zweiten: Auf die halbwegs korrekte Formulierung kommt es an.

Sätze wie "Ebay ich, Versand du" oder "keine Rücknahme" helfen nicht. Anstatt ein neues EU-Recht zu erfinden und "Garantie" zu sagen und Gewährleistung zu meinen, ist der Verkäufer mit vier Worten gut beraten: "Unter Ausschluss von Gewährleistung". Und outet sich nicht gleich als geschäftlicher Laie.

Quelle:
http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,404510,00.html

cuteluke
13.03.2006, 09:24
Danke für die Info.

Sehr gute Darstellung, sollte man mal unter seine nächste Auktion knallen und als Missionar an so manchen bay-Verkäufer senden ;)

PCS
13.03.2006, 09:37
lol. Herrlich. Danke für den Link. Ich kann's selbst auch nimmer sehen... ;)

newharry
13.03.2006, 13:23
lol

Und ich dachte mit "Ebay ich, Versand du" wäre ich auf der sicheren Seite :D :D