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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Strandkonzi im Hinterland - Kurzroman von L&B



LOLEX & BOLEX
22.05.2006, 21:20
Strandkonzi im Hinterland - ein Kurzroman

Um eines vorweg zu nehmen: auch ich kann mich nicht davon freisprechen, vor der Infektion durch den Virus (wie ja bereits ausführlich beschrieben), mit dem Thema "Fake" in Berührung gekommen zu sein. Bei Streifzügen durch die Diskotheken und Nachtlokale meiner Heimat lief mir immer wieder mal der eine oder andere Lude oder Möchtegern-Bordellbesitzer über den Weg, an dessen Handgelenk ein Krönchen baumelte, das so mancher Disco-Glitzerkugel an der Decke zur Ehre gereichte. Ich hatte ja immer geahnt, dass man mit Pferdchen gut verdienen kann... ich hätte allerdings nicht gedacht, bald selbst mit so einer Zwiebel herumzulaufen. Ortswechsel:
Es war März, Anfang der 90er Jahre. Wir hatten eine Außentemperatur von ca. 29 Grad um 11 Uhr Mittags. Ich saß in meinem Liegestuhl am Pool meines Hotels auf Lanzarote - Carlos, mein aufmerksamer Pool-Barkeeper hatte mir gerade ein frisch gezapftes cerveza Tropical in die Hand gedrückt, als vom Hotelgebäude ein junges Pärchen herauskam. Sie käseweiß und blond hatte ihren vollschlanken Körper in einen unvorteilhaft geschnittenen Badeanzug geschossen - er spindeldürr und noch weißer, schlabberte in einer viel zu großen Tom-Selleck-Bermuda verloren hin und her. Meine Urlaubsbekanntschaften Claudia & Horchst (der Westfale spricht das "R" im Namen ja gerne wie ein "CH" - z.B. wie in "Krach")!!! "Huhuu!" rief Claudia, als sie mich entdeckt hatte und winkte mir zu. Sie setzten sich auf die freien Liegen neben der meinen. Ich fragte Horchst, warum er bei der Hitze eine lange Unterhose anziehen würde, aber verstand meinen Scherz in Anspielung auf die weißen Touristenbeine irgendwie nicht. Horchst sagte: "Na Markus, wie sieht et aus? Am Sonntag is Markt in Teguise. Da jeht die Post ab. Kommste mit? Da jibbet lecker Ührschen zum kaufen!" Was wollte ich machen? Also sagte ich zu und am Sonntag früh fuhren wir gemeinsam in Horchstens Mietauto - einem durchgerittenen Suzuki-Jeepchen - ins staubige Hinterland von Lanzarote. Ich saß hinten auf dem Not-Büßerbänkchen und wurde aufgrund der nicht gerade defensiven Fahrweise meines Urlaubsbekannten kräftig durchgeschüttelt.
Volkommen verschwitzt kamen wir gegen Mittag in Teguise - der ehemaligen Hauptstadt im Landesinneren - an. Auf dem Marktplatz hatte bereits ein buntes Treiben begonnen. Fahrende Händler aller Farbtöne empfingen einen und boten ihre größtenteils unnützen Neppangebote zum Kauf an. Keine zwanzig Meter gelaufen, sprang ein Westafrikaner in einem knallbunten knöchellangen Gewand auf mich zu und rief: " Aah Mista! Looki looki gratis! Wanna buy swiss watches? Rolex, Cartier - all you want!" Er nahm mich beim Arm und zog mich an seinen Stand. Claudia und Horchst folgten uns neugierig. Auf einem Tapeziertisch lagen gut drei Dutzend Uhren und buhlten in der gleissenden Mittagssonne um die Gunst der Touristen. "Here cheap Rolex with diamonds. Very nice!" Horchst begann gleich in den Uhren zu wühlen. Ihm und seiner Claudia lief fast das Wasser aus dem Mund, als sie die brilliantenbesetzten Echtgold Day-Dates mit Batteriebietrieb in den Händen hielten. Ich wußte nicht so recht... was sollte ich mit so einem Ding? Der schwarze Mann ließ nicht locker. "Look! Here you have Date und Day. Best Price. Perfect condition. All markings." Die Sonne muß mir in dem Moment zu lange auf den nicht beschirmten Kopf gebrannt haben, dass sämtliche Sicherungen ausgefallen waren. Horchst hatte schon eine große Auswahl für sich und seine Holde ausgesucht, dazu noch drei Modelle für den Weiterverkauf in Deutschland und verhandelte gerade den Preis mit dem Kollegen des Verkäufers, als ich - wie ferngesteuert - nach kurzem Feilschversuch eine Bicolor Daydate mit schwarzem Brilliantzifferblatt für umgerechnet 45 DM in der Hosentasche hatte und nicht wirklich glücklich damit war. Horchst schnallte sich gleich seine neue "Cartier" um sein magersüchtiges Ärmchen und marschierte mit uns wieder in Richtung Auto. Dort saß ich wieder auf meinem Strafbänkchen bei gefühlten 60 Grad Innentmperatur und ließ mich auf der Fahrt zurück in´s Hotel durchschütteln. Erst jetzt begriff ich, was ich gerade getan hatte. Ich schaute mir den Wecker jetzt einmal genau an: Das war ein wirklich seltenes Stück. In der blendenden Sonne war mir gar nicht aufgefallen, dass ich ein besonders edles Teil ergattert hatte. Es handelte sich nämlich um diese Sonderedition von Rolex, bei der die Aufzugskrone nicht aus einem Stück bestand, sondern die kleine Platte mit dem Logo darauf nachträglich aufgeklebt wurde. Und genau diese war abgefallen. Fort. Weg!!! Panisch suchte ich in der Tüte und meiner Hosentasche nach dem Ding - erfolglos. Super! Kaufe mir einen Fake und das wichtigste Erkennungsmerkmal fällt postwendend ab - vermutlich vor lauter Scham.

Wieder zuhause suchte ich mir erst einmal den unbekanntesten Hinterhofjuwelier, um das Band enger stellen zu lassen. Einer der keine Fragen stellte, da ich mich schon genug für die Uhr schämte. Danach wollte ich den Test wagen und mich zu den anderen halbseidenen Gestalten in die Disco begeben. Ich saß den ganzen Abend total verkrampft mit reflexartig angezogenem Handrücken herum, nur damit keiner auf die ver*******te Aufzugskrone schauen konnte. Nach zweimaligen Händewaschen auf dem Discoklo stellte ich dann noch fest, dass es sich ebenfalls um diese Sonderedition handelte, welche sich von alleine vom Bicolor- in ein Stahlmodell verwandelt. Danach ging ich frustriert nach Hause und schmiß die Uhr in die Mülltonne.

Gott sei Dank sollte es nicht mehr lange dauern, bis ich bei dem Juwelier meines Vertrauens meine erste TUDOR liegen sehen würde.

Looki Looki gratis!

R.O. Lex
22.05.2006, 21:39
Sehr nett geschrieben! Ich bin sicher, daß hier mehr sind als es zugeben würden, die solche oder ähnliche Erlebnisse hatten und auf diese Weise zum Original fanden. ;)

Aber bist Du wirklich sicher, daß Du da nicht eine Weißgolduhr in die Tonne geworfen hast, die nur wegen der besseren Verkaufbarkeit auf Bicolor getrimmt war? Immerhin spricht doch die Sonderkrone für die Originalität der Uhr. :D

schwarzbaer
22.05.2006, 21:48
:gut: Sehr gut und ausführlich geschrieben....ich liebe Kurzromane.... :gut:
...Aber in die Mülltonne hätte ich die Uhr trotzdem nicht geschmissen.... 8o ....auch wenn sie ein Fake war.....als ewige Warnung hätte sie Dir immer noch dienen können.... :D ;)

orange
22.05.2006, 23:43
.....eine neue geschichte von markus..... super =)=).... bitte nicht einreissen lassen. ich möchte jetzt wöchentlich eine schöne geschichte lesen.....;)=)=)

miboroco
22.05.2006, 23:49
Top Story :gut:

-maTT-
23.05.2006, 07:20
Looki looki ultra geil geschrieben. Besonders: "Da jeht die Post ab. Kommste mit? Da jibbet lecker Ührschen zum kaufen!"

Man könnte meinen, du kommst von hier. ;)