CHT
20.09.2004, 10:18
heute bei Focus online (http://focus.msn.de/hps/fol/newsausgabe/newsausgabe.htm?id=6712):
Das Web ist ein riesiger Markt für gefälschte Waren. Ein aktuelles Urteil erlegt Betreibern von Verkaufsplattformen ? wie eBay ? Kontrollpflichten auf.
Von Noelani Afif
Wenn Zollbeamte tief in Postsäcke greifen, finden sie immer häufiger verdächtige Sendungen von Internet-Händlern aus Asien und Osteuropa. Einzeln, in kleinen Päckchen verschnürt, importieren Produktfälscher ihre Billigware nach Deutschland. ?Regelmäßig beschlagnahmen wir Markenfälschungen, die deutsche Verbraucher online einkaufen", warnt Leonhard Bierl, Pressesprecher des deutschen Zollkriminalamts.
Das Web avancierte in den vergangenen Jahren zum drittgrößten Fälschermarkt der Welt. Nur auf den Straßenmärkten von China und Italien werden mehr Plagiate angeboten. Experten vermuten, dass im deutschen Web pro Jahr drei bis vier Millionen gefälschte Modeartikel kursieren. Für den Aktionskreis Deutsche Wirtschaft gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM) steht der Übeltäter fest: ?Das Auktionshaus eBay ist einer der Hauptumschlagplätze für gefälschte Waren", rügt Doris Möller, geschäftsführendes Vorstandsmitglied beim APM. Sie kritisiert, dass eBay jede Verantwortung für die Artikelangebote ablehnt.
Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs verdonnert Betreiber von Verkaufsplattformen wie eBay nun zu Kontrollen. Bisher reichte es, wenn eBay Artikelangebote aus dem Netz entfernte, sobald sich Markeninhaber beschwerten. Kürzlich veröffentlichte der Bundesgerichtshof ein Präzedenzurteil (Az: I ZR 304/01) zum Rechtsstreit zwischen dem Juwelier Rolex und dem Auktionshaus Ricardo. Die Richter befanden, dass Plattformbetreiber zwar nicht sämtliche Angebote prüfen müssen, ?aber sie müssen verhindern, dass sich reklamierte Verstöße wiederholen", erklärt der Berliner Internet-Jurist Niko Härting. Die eBay-Anwälte bleiben gelassen. ?Dem BGH zufolge können von dem Betreiber nur technisch mögliche und zumutbare Maßnahmen verlangt werden", winkt ein eBay-Sprecher ab. Anwalt Härting sieht jedoch eine Welle von Abmahnungen auf eBay zurollen: ?Nach dem Urteil können Unternehmen Unterlassungserklärungen fordern.? Grund genug gibt es zum Klagen: Nach Meinung britischer Experten kosten Markenfälschungen die europäische Wirtschaft pro Jahr bis zu 60 Millionen Euro.
Geprellte Kunden
Aber auch Verbraucher erleiden Verluste. Hinter der Anonymität eines kryptischen Händlernamens drehen Fälscher ahnungslosen eBay-Kunden billige Kopien an. Die 25-jährige Bianca Sommer (Name von der Redaktion geändert) aus Dortmund fiel auf einen eBay-Händler in den USA herein, der ihr für 120 Euro eine gefälschte Markenjeans unterjubelte. ?Anhand des Digitalfotos konnte ich die Fälschung nicht erkennen", schimpft die Studentin. Regressansprüche geprellter Kunden laufen meist ins Leere. In vielen Fällen, so die Expertin Möller, wickeln Strohmänner in Deutschland den eBay-Handel ab. ?Die Ware wird direkt aus den Fälscherwerkstätten in Asien und Osteuropa verschickt", warnt sie. Und manchmal verliert der arglose Surfer auch noch das Produkt. Kurt Brenner (Name von der Redaktion geändert) aus Sindelfingen erstand im Juli über eBay eine Mercedes-Armbanduhr. Der Zoll konfiszierte das aus Hongkong verschickte Päckchen. ?Selbst wer einzelne gefälschte Waren auf dem Postweg einführt, macht sich strafbar", warnt Zollsprecher Bierl. Ein Bußgeld muss der geprellte Web-Kunde Brenner nicht zahlen. Aber seine 65 Euro teure Uhr wird vom Zoll vernichtet. ?Die Ware wurde ganz regulär auf eBay-Deutschland angeboten und verkauft", schimpft der enttäuschte Kunde.
eBay überlässt den Kampf gegen Produktpiraten den Markeninhabern und verweist auf sein Programm für ?Verifizierte Rechteinhaber? (Veri). ?Veri-Teilnehmer können eBay schnell und unkompliziert auf Angebote hinweisen, die ihre Rechte verletzen, und deren Löschung verlangen", erläutert Sprecherin Maike Fuest. Der Edeljuwelier Tiffany fordert jedoch vom Auktionshaus, dass es selber Markenmissbrauch verhindert, und klagt gegen eBay in den USA. Auch dem Sportartikelhersteller Adidas ist das Veri-Programm nicht dienlich. ?Vertreiben wir einen Händler von eBay, verkauft er seine Ware auf dem nächsten Flohmarkt", erklärt Ulf Wingen, Brand Protection Manager bei Adidas-Salomon. Die Daten des Anbieters, die eBay auf Anfrage herausrückt, seien oft falsch, zudem fehlten Beweise, um dem Händler das Handwerk zu legen. In Eigenregie und mit Testkäufen verfolgt Adidas die Täter. Insgesamt konnte das Unternehmen in den vergangenen vier Jahren über 18 Millionen gefälschte Produkte vom Markt entfernen.
Detektive am Werk
Adidas beschäftigt freie Mitarbeiter, andere Unternehmen engagieren sogar Detektivbüros, um Fälschungen aufzuspüren. Marcus Reiner aus Köln hat sich auf solche Dienste spezialisiert. Seine Agentur Fakecontrol will für die Luxusmarken Hermès und Gucci Plagiatanbieter im Netz aufspüren und vertreiben. ?Nur fünf Prozent aller Gucci-Angebote sind echt, bei Louis Vuitton sind es gerade zwei Prozent", verrät Reiner, dessen Rechtsanwältin ********ische Anbieter mit Abmahnungen straft.
In mittelständischen Unternehmen recherchiert der Chef oft selbst. Nach Feierabend fahndet Ulrich Höing, Prokurist beim Optikhersteller Meade-Instruments, im Web nach Fälschungen. ?Innerhalb von zwei Jahren ließen wir über 3000 Ferngläser ? angeblich der Marke Bresser Optik ? beschlagnahmen und vernichten", lautet seine Erfolgsbilanz. Das Unternehmen verklagte fast 100 Händler.
Während die Drahtzieher im sicheren Ausland sitzen, trifft die Rechtskeule manchmal die ganz kleinen Fische: Urlauber, die aus der Türkei mitgebrachte Handtaschen vertickern ? oder völlig ahnungslose Hobbyverkäufer. Der Edeljuwelier Cartier beschuldigt eine 39-jährige Krankenpflegerin, falsche Ohrringe zu verkaufen. ?Vor Jahren schenkte mir mein Schwiegervater den Schmuck und sagte, er sei von Cartier", beteuert die Hamburgerin. Der Irrtum soll sie jetzt 1200 Euro Abmahngebühr kosten.
Das Web ist ein riesiger Markt für gefälschte Waren. Ein aktuelles Urteil erlegt Betreibern von Verkaufsplattformen ? wie eBay ? Kontrollpflichten auf.
Von Noelani Afif
Wenn Zollbeamte tief in Postsäcke greifen, finden sie immer häufiger verdächtige Sendungen von Internet-Händlern aus Asien und Osteuropa. Einzeln, in kleinen Päckchen verschnürt, importieren Produktfälscher ihre Billigware nach Deutschland. ?Regelmäßig beschlagnahmen wir Markenfälschungen, die deutsche Verbraucher online einkaufen", warnt Leonhard Bierl, Pressesprecher des deutschen Zollkriminalamts.
Das Web avancierte in den vergangenen Jahren zum drittgrößten Fälschermarkt der Welt. Nur auf den Straßenmärkten von China und Italien werden mehr Plagiate angeboten. Experten vermuten, dass im deutschen Web pro Jahr drei bis vier Millionen gefälschte Modeartikel kursieren. Für den Aktionskreis Deutsche Wirtschaft gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM) steht der Übeltäter fest: ?Das Auktionshaus eBay ist einer der Hauptumschlagplätze für gefälschte Waren", rügt Doris Möller, geschäftsführendes Vorstandsmitglied beim APM. Sie kritisiert, dass eBay jede Verantwortung für die Artikelangebote ablehnt.
Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs verdonnert Betreiber von Verkaufsplattformen wie eBay nun zu Kontrollen. Bisher reichte es, wenn eBay Artikelangebote aus dem Netz entfernte, sobald sich Markeninhaber beschwerten. Kürzlich veröffentlichte der Bundesgerichtshof ein Präzedenzurteil (Az: I ZR 304/01) zum Rechtsstreit zwischen dem Juwelier Rolex und dem Auktionshaus Ricardo. Die Richter befanden, dass Plattformbetreiber zwar nicht sämtliche Angebote prüfen müssen, ?aber sie müssen verhindern, dass sich reklamierte Verstöße wiederholen", erklärt der Berliner Internet-Jurist Niko Härting. Die eBay-Anwälte bleiben gelassen. ?Dem BGH zufolge können von dem Betreiber nur technisch mögliche und zumutbare Maßnahmen verlangt werden", winkt ein eBay-Sprecher ab. Anwalt Härting sieht jedoch eine Welle von Abmahnungen auf eBay zurollen: ?Nach dem Urteil können Unternehmen Unterlassungserklärungen fordern.? Grund genug gibt es zum Klagen: Nach Meinung britischer Experten kosten Markenfälschungen die europäische Wirtschaft pro Jahr bis zu 60 Millionen Euro.
Geprellte Kunden
Aber auch Verbraucher erleiden Verluste. Hinter der Anonymität eines kryptischen Händlernamens drehen Fälscher ahnungslosen eBay-Kunden billige Kopien an. Die 25-jährige Bianca Sommer (Name von der Redaktion geändert) aus Dortmund fiel auf einen eBay-Händler in den USA herein, der ihr für 120 Euro eine gefälschte Markenjeans unterjubelte. ?Anhand des Digitalfotos konnte ich die Fälschung nicht erkennen", schimpft die Studentin. Regressansprüche geprellter Kunden laufen meist ins Leere. In vielen Fällen, so die Expertin Möller, wickeln Strohmänner in Deutschland den eBay-Handel ab. ?Die Ware wird direkt aus den Fälscherwerkstätten in Asien und Osteuropa verschickt", warnt sie. Und manchmal verliert der arglose Surfer auch noch das Produkt. Kurt Brenner (Name von der Redaktion geändert) aus Sindelfingen erstand im Juli über eBay eine Mercedes-Armbanduhr. Der Zoll konfiszierte das aus Hongkong verschickte Päckchen. ?Selbst wer einzelne gefälschte Waren auf dem Postweg einführt, macht sich strafbar", warnt Zollsprecher Bierl. Ein Bußgeld muss der geprellte Web-Kunde Brenner nicht zahlen. Aber seine 65 Euro teure Uhr wird vom Zoll vernichtet. ?Die Ware wurde ganz regulär auf eBay-Deutschland angeboten und verkauft", schimpft der enttäuschte Kunde.
eBay überlässt den Kampf gegen Produktpiraten den Markeninhabern und verweist auf sein Programm für ?Verifizierte Rechteinhaber? (Veri). ?Veri-Teilnehmer können eBay schnell und unkompliziert auf Angebote hinweisen, die ihre Rechte verletzen, und deren Löschung verlangen", erläutert Sprecherin Maike Fuest. Der Edeljuwelier Tiffany fordert jedoch vom Auktionshaus, dass es selber Markenmissbrauch verhindert, und klagt gegen eBay in den USA. Auch dem Sportartikelhersteller Adidas ist das Veri-Programm nicht dienlich. ?Vertreiben wir einen Händler von eBay, verkauft er seine Ware auf dem nächsten Flohmarkt", erklärt Ulf Wingen, Brand Protection Manager bei Adidas-Salomon. Die Daten des Anbieters, die eBay auf Anfrage herausrückt, seien oft falsch, zudem fehlten Beweise, um dem Händler das Handwerk zu legen. In Eigenregie und mit Testkäufen verfolgt Adidas die Täter. Insgesamt konnte das Unternehmen in den vergangenen vier Jahren über 18 Millionen gefälschte Produkte vom Markt entfernen.
Detektive am Werk
Adidas beschäftigt freie Mitarbeiter, andere Unternehmen engagieren sogar Detektivbüros, um Fälschungen aufzuspüren. Marcus Reiner aus Köln hat sich auf solche Dienste spezialisiert. Seine Agentur Fakecontrol will für die Luxusmarken Hermès und Gucci Plagiatanbieter im Netz aufspüren und vertreiben. ?Nur fünf Prozent aller Gucci-Angebote sind echt, bei Louis Vuitton sind es gerade zwei Prozent", verrät Reiner, dessen Rechtsanwältin ********ische Anbieter mit Abmahnungen straft.
In mittelständischen Unternehmen recherchiert der Chef oft selbst. Nach Feierabend fahndet Ulrich Höing, Prokurist beim Optikhersteller Meade-Instruments, im Web nach Fälschungen. ?Innerhalb von zwei Jahren ließen wir über 3000 Ferngläser ? angeblich der Marke Bresser Optik ? beschlagnahmen und vernichten", lautet seine Erfolgsbilanz. Das Unternehmen verklagte fast 100 Händler.
Während die Drahtzieher im sicheren Ausland sitzen, trifft die Rechtskeule manchmal die ganz kleinen Fische: Urlauber, die aus der Türkei mitgebrachte Handtaschen vertickern ? oder völlig ahnungslose Hobbyverkäufer. Der Edeljuwelier Cartier beschuldigt eine 39-jährige Krankenpflegerin, falsche Ohrringe zu verkaufen. ?Vor Jahren schenkte mir mein Schwiegervater den Schmuck und sagte, er sei von Cartier", beteuert die Hamburgerin. Der Irrtum soll sie jetzt 1200 Euro Abmahngebühr kosten.