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Matthias S.
21.09.2007, 10:58
:grb: Leider seid Ihr da überhaupt nicht im Bilde. Ein bekanntes Mitglied eines nicht mehr existierenden Uhrenforums hat Rolex und Tudor selbst besucht und wußte folgendes aus erster Hand zu berichten:


Original von Frederic
Herr Prof. Dr. Dr. Jaques Hürlimaier, der bekannte Chef der Qualitätssicherung führte mich weiter.

"Und hier kommen wir zu unserer Gehäusefertigung", sagte er und öffnete die Tür. Wir begegneten einem distinguiert aussehendem Herrn südländischen Typus. "Das ist Senior Aquirra, Conde di San Pedro de las Cases", stellte er mir den Herrn vor. "Es ist unser Stahleinkäufer".

Ich schaute etwas dumm aus der Wäsche. Ich kannte den Herrn von verschiedenen Versteigerungen in Madrid und Sevilla, wo er als Sammler alter Pferdetrensen bekannt war. Aber was sollte er hier?

Ich bekam sofort eine plausible Erklärung - "Wissen Sie, Frederic, für unseren Stahl ist nur das Beste gut genug - und es gibt nichts besseres als alte Pferdetrensen spanischer Hengste." Er bemerkte meinen skeptischen Blick -

"Für den Stahl ist die innere Struktur wichtig und eine Trense, auf der jahrzehntelang herumgekaut wurde", er kam ins Schwärmen, "es gibt nichts Besseres! Leider machen die Einkäufer für japanischen Messerstahl uns zur Zeit die Preise kaputt".

Senior Aquirra pflichtete bei : "Besonders bemerkenswert ist auch das Aroma des Stahls. Genau für unsere Zielgruppe : Maskulin, erfolgreich mit einem Hauch von Juchten und Pferdeschweiss" und er hielt mir ein neues Gehäuse vor die Nase. Tatsächlich! Ich konnte es riechen: Der Duft einer neuen Rolex!

Das also ist das lange gehütete Geheimnis des Rolex Stahls. Ehrfurchtsvoll verstummte ich und dachte mir: "Ja, das ist es". Lieber den Stahl aus dem Maul edler Rösser als das schöde Gold langweiliger Barren. Meine Patek im Ascheneimer hatte ich schon lange vergessen.
;)
Gruß

Matthias

NicoH
21.09.2007, 11:21
;)

steboe
21.09.2007, 11:22
LOOOOL :gut:

Lars_H
21.09.2007, 15:52
..."Wissen Sie, Frederic, für unseren Stahl ist nur das Beste gut genug - und es gibt nichts besseres als alte Pferdetrensen spanischer Hengste." ...

Das erinnert mich irgendwie an eine junge aufstrebene Uhrenmanufaktur (ex ETA-Einschaler) aus einem Kleinstädtchen im hintersten Erzgebirge.

Verwenden die nicht Armbänder aus dem Leder texanischer Pferdepopos? :D

Matthias S.
21.09.2007, 17:19
..."Wissen Sie, Frederic, für unseren Stahl ist nur das Beste gut genug - und es gibt nichts besseres als alte Pferdetrensen spanischer Hengste."

Ihr habt es hoffentlich nicht geglaubt ;).
Frederic auch nicht, so hat er nachgefaßt und erfuhr endlich die volle Wahrheit:


Original von Frederic
Nein, es hat mir keine Ruhe gelassen.

Ich wählte die mir bekannte Nummer und nach einigen Freizeichen hob jemand den Hörer ab.

“Huerlimaier”, sagte die einprägsame Stimme.

“Guten Tag, Herr Professor Huerlimaier, hier ist Frederic.”

Ich glaubte ein kurzes Aussetzen des Herzschlages zu vernehmen. Wissen Sie, unser Verhältnis ist etwas gespannt. Besonders nach dem Besuch der Uhrmacherschule.

“Ah, Frederic, wie geht es Ihnen denn so?”

Na, die übliche höfliche Floskel, “Danke”, antwortete ich, “Erinnern Sie sich noch an Senior Aquirra, Conde di San Pedro de las Cases?”

“Jaaaa,” ein langdehntes ja war die Antwort, “worum geht es denn?”

“Ich glaube, Sie haben mich auf den Arm genommen mit den spanischen Pferdetrensen”

Er entgegnete entrüstet, “Wieso denn das?”,

Ich nahm Bezug auf einen laufenden Thread im Watchbizz Forum und dort wurde behauptet, für Rolex würde ganz normaler Stahl 316L verarbeitet.

“Ach Sie meinen Trois Seize Elle? - Nun gut, damals dachte ich, dass Sie die Geschichten hören wollen, die wir jedem Rolex Freak erzählen – ich wusste ja nicht, dass Sie sich mit dem Thema ernsthaft beschäftigen.” - kurze künstlerische Pause -

“Kommen Sie doch morgen noch einmal vorbei, dann erzähle ich Ihnen die Story von Trois Seize Elle”


...und daraus wurde die Geschichte für die Watchbizz Leser zum heiligen Abend...

Insert coin to continue..... ;)

NicoH
21.09.2007, 17:29
http://www.hoene.de/random/coin.jpg

Matthias S.
21.09.2007, 17:30
Original von Frederic

Ich hatte mich extra fein gemacht. Zu meinem Sakko im schottischen Landhauslook mit den ledernen Flicken am Ellenbogen trug ich mein Hemd mit dem gekürzten linken Ärmel und der etwas aufgeweiteten Manschette.

Prof. Dr. Dr. Huerlimaier empfing mich freundlich wie immer schon am Eingang.

"Schön Sie wieder zu sehen, Frederic", waren seine herzlichen Worte zur Begrüssung.

"Ich freue mich auch", entgegnete ich höflich und beschloss, alles Vorherige zu vergessen.

Meine neue Uhr blitzte gezielt unter dem Ärmel hervor. In einem Seitenblick bemerkte es Prof. Huerlimaeier, dem bei seinem Gegenüber nie etwas entgeht.

"Ah, das freut mich, Sie haben sich jetzt auch eine unserer Uhren gegönnt..."

Ich vermied es aus diplomatischen Gründen, ihn auf meine neue Invicta aufmerksam zu machen. Es ist meine Sache, was ich trage...

"Na ja, irgendwann überkommt es jeden", entgegnete ich vieldeutig.

"Letztes Mal hatten Sie aber kurz eine andere Uhr, wenn ich mich recht erinnere."

"Sie haben eine gutes Gedächtnis", lobte ich ihn, "es war eine Patek Philippe."

"Ja," antwortete er erfreut darauf, "Pattex.. habe ich schon einmal gehört."

Ich ging in meinen Gedanken kurz das Eidgenössische Strafgesetzbuch durch - das Kapitel über Totschlag im Affekt - und schloss es ganz schnell wieder.

"Patek", erwiderte ich, mit besonderer Betonung auf dem K, " es ist auch eine Genfer Firma."

"Quelle surprise, Frederic," er zeigte einen überraschten Gesichtsausdruck, " ich wusste gar nicht, dass es ausser Rolex sonst noch eine Firma in Genf gibt."

Ich war drauf und dran, ihm die anderen Namen aufzuzählen - aber ich liess es bleiben. Er war halt der eingefleischte Rolesianer, den es immer wieder überrascht, dass es angeblich noch andere mechanische Uhren geben soll.

"Mit Senior Aquirra, Conde di San Pedro de las Cases haben Sie mich aber ganz schön auf den Arm genommen", fuhr ich fort,
"Was ist er eigentlich wirklich? Ihr spanischer Pförtner?"

Huerlimeier beschwichtigte, "Nein, er ist schon unser Einkäufer - ausserdem ist er für die Mythen und das >Bling< verantwortlich."

"Bling???" mein Gesichtsausdruck war die Frage in Person.

"Sie erfahren das schon noch - nur Geduld" bremste mich Huerlimeier.

"Wissen Sie, das mit den Pferdetrensen ist einfach eine schöne Geschichte. Unsere Kunden lieben solche Geschichten und irgendwann verselbstständigen sich solche Geschichten, landen in Uhrenzeitschriften, redaktionellen Beiträgen und Büchern.
Dann werden sie Wirklichkeit. Reale transformierte Wirklichkeit. Wie der Rolex Stahl. Deswegen kommen Sie ja zu mir."

Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und fuhr fort :

"Unser guter Wilsdorf kannte sich weniger mit Uhren aus als mit Mythen. Zum Glück muss ich heute sagen - sonst gäbe es diese wunderschöne Firma nicht mehr und wie hätten uns bei der 48sten Komplikation wirtschaftlich den Hals gebrochen."

"Wissen Sie, Frederic", sagte Prof. Huerlimeier weiter bedeutungsvoll, "die Leute sagen immer >ein Mythos wurde geboren<. Sie vergessen, dass vor der Geburt die Zeugung steht.
Ein Mythos muss zuerst gezeugt werden. Sie kennen doch sicher die Geschichte mit den POW Uhren?"

"POW? Prisoner of War?", ich verneinte, diese Geschichte hatte ich nie gehört.

Huerlimeier erklärte mir, dass Wilsdorf allen allierten Offizieren, die in einem deutschen Kriegsgefangenenlager waren, auf Wunsch eine Rolex kostenlos schickte, mit einem netten persönlichen Brief, eine fällige Rechnung bitte erst nach dem Krieg zu begleichen - irgenwann um 9 Uhr nach dem Krieg."

"Genial!", schwärmte Prof. Dr. Dr. Huerlimeier, "das ist wie die Werbung im Fahrstuhl zur Chefetage - es sind die richtige Leute drin und niemand kommt so schnell raus. In einem solchen Lager herrscht endlose Langeweile und eine neue Rolex unter der richtigen Zielgruppe..." Er küsste beide Fingerspitzen.

"Und bei den einfache Mannschaften?" ich stellte die Frage ganz ohne Hintersinn.

"Die hätten die Uhr sowieso nicht bezahlen können" entgegnete Huerlimeier arglos.

Ich war wie immer geplättet - so wie meine Invicta es einmal werden sollte.

"Wissen Sie eigentlich, was Trois Seize Elle ist, Frederic?" fragte Prof. Huerlimeier mich mit einem Ton, den nur die Eingeweihten als leicht herablassend indentifizieren konnten.

Ich verschwieg grosszügig, dass ich meine Dissertation über induzierte Fehler im Kristallgitter von Martensit machte. Da es nur Cum - mit fehlendem Summa - Laude war, ist es eigentlich auch nicht erwähnenswert.

"Dreihundersechszehn L?, etwa eine Stahlsorte?" antwortete ich leicht fragend.

"Es ist eine Legierung", belehrte mich Prof. Huerlimeier, "eine Legierung - Eisen mit einem Zuschlag von 18 Teilen Chrom, 14 Teilen Nickel und 3 Teilen Molybdän."

"Aha und was ist das Besondere daran?"

"Das geht fast in das Metaphysische", fing Prof. Dr. Dr. Huerlimeier das Dozieren an. Ich schloss meine Augen und im Geiste sass ich in der Aula Max auf meinem alten Platz, links neben dem Eingang.

"Wissen Sie, Ausgangsmaterial für diesen besonderen Stahl ist vorsortierter Schrott, den unser Lieferant von Schrotthändlern und von der metallverarbeitenden Industrie bezieht oder aus den Produktionsüberresten der eigenen Werke wiederverwertet.
Dieser Qualitätsschrott wird in Elektrolichtbogen Öfen mit Kapazitäten von 25 bis 70 Tonnen beispielsweise von der Firma Böhler am Standort Kapfenberg in Österreich bei Temperaturen um 1.600° C geschmolzen.

Die Schmelze wird dann in sogenannte Pfannen umgegossen, in denen weitere metallurgische Arbeit geschieht und die endgültige Legierung bestimmt wird. Die wesentlichsten Legierungselemente sind bei unserem Trois Seize Elle Uhrenstahl Chrom, Nickel und Molybdän."

"Ja, aber das kann doch jeder" entgegnete ich darauf und unterbrach seinen Redefluss.

"Nein, eines der Geheimnisse besteht im Schrott - und darum nehmen wir auch nur Stähle aus österreichischer Fertigung. Im Salzburger Land ist der Anteil an Porsche, BMW und Ferrari extrem hoch - oder wollen Sie etwa Schrott aus dem Rurgebiet haben? Opel Manta und Ford Fiesta?"

Prof. Dr. Dr. Huerlimeier musste sich sichtbar schütteln.

"Ah... und der Ferrari Schrott ist also das Besondere?" bohrte ich nach.

"Sie muessen metaphysisch denken lernen", ermahnte mich Prof. Dr. Dr. Huerlimeier.

Om Mani Padme Hum. Om Mani Padme Hum. Ich dachte lautlos an meine Zeit im Omkarananda Ashram in Muni-ki-reti.

"Stahl hat ein Gedächtnis - das Gedächntnis ist im Gitter. Stahl ist intelligenter, als wir wahrhaben wollen."

Ich philosophierte : "Solange eine Feder WEISS, dass sie eine Feder ist, IST sie eine Feder.
Wenn eine Feder nicht mehr weiss, dass sie eine Feder ist, ist sie KEINE Feder mehr."

Prof. Dr. Dr. Huerlimeier blieb der Atem stocken - völlig verblüfft brachte er hervor : "Ja, Frederic - so ähnlich, wo haben Sie jetzt das denn her?"

Ich schwieg wieder - Om Mani Padme Hum....

"Und mit dem Ferrari und Porsche Schrott gehen dann die Uhren besonders schnell", wollte ich witzig sein. Fehlanzeige. Voll daneben. Peinlich...

"Das ist ja das Merkwürdige", antwortete im tiefsten Ernst Prof. Dr. Dr. Huerlimeier, "wir können es auch nicht erklären, deswegen bestehen wir immer auch auf einer Melange mit österreichischem Bundesheer - das steht meistens.
Und so wird dann die Mischung exakt auf unsere Bedürfnisse ausbalanciert. Unsere Regleusen merken es immer als erste, wenn der Schrott zu schnell wird."

Nein, ich habe mich nicht brüllend unter dem Tisch gewälzt, nein ich habe auch nicht laut trompetend losgeprustet, nein - auch nicht aus Rücksichtnahme.

Wer sich ein bisschen mit den Quantenphysikalischen Eigenschaften der Materie beschäftigt, glaubt ganz schnell an kleine grüne Männchen oder zumindest an bucklige Hexen mit spitzen Hüten und an eine Scheibenwelt, die auf dem Rücken von 4 Elephanten steht, die wiederum auf einer riesigen Schildkröte stehen.

"Aber damit sind wir noch lange nicht bei Trois Seize Elle gelandet", fuhr Huerlimeier fort. Er blickte um sich und vergewisserte sich, dass alle Türen geschlossen waren und niemand gerade die Schlüsselllöcher reinigte.

"Die Zusätze machen es. Was glauben Sie, wieso wir den Vertrag mit Tiger Woods machten. Wegen seinen schönen Augen? Nein, er schickt uns alle gespielten Eisen - mit den geheimen Zusätzen kommen sie in unsere Schmelze. Das gibt die Schlagkraft unserer Uhren - Sie muessen das natürlich Metaphysisch sehen.
Eine solche Meisteruhr kann man nur Metaphysisch begreifen."

Es war ein wenig Metaphysik zuviel in seinem Vortrag, aber vermutlich kann man eine solche Uhr nicht nüchtern betrachten. Ich sah im Geiste die typische Goldkettchen und Rolexbrillis Fraktion mit den grossen Sonnenbrillen im Lotussitz meditieren. Om Mani Padme Hum. Es wehte schwach ein eisiger Wind durch das Büro - die Gänsehaut gab sich schnell wieder.

Ein Stahl, der sich erinnert, einmal ein Ferrari gewesen zu sein. Ein Stahl, den das österreichische Bundesheer bremsen muss. Wieso eigentlich nicht ein Stahl, der einfach nur stolz ist, eine Rolex zu sein? Was macht IWC in diesem Fall? Wie denkt Omega - und woher kommt das Gold der PP? Die Wichtigkeit solcher Fragen kann nur der nachvollziehen, der sich regelmässig auf Watchbizz tummelt.

Er atmete tief durch :

"Kommen Sie, ich zeige Ihnen unseren Stahl und die Gehäusefertigung. Senior Aquirra wird auch da sein. Wegen des >Blings<. Wir fahren mit meinem Auto."

Ich war tief beeindruckt, wie immer. Much Bling for the Buck?

Wir fuhren los..........

Matthias S.
21.09.2007, 17:33
Original von Frederic

Prof. Dr. Dr. Huerlimeier fuhr bedächtig - er hatte alle Zeit der Welt.

Wir bogen in eine Seitenstrasse ein - ohne Strassenschild - und hielten vor einem Tor. Die beiden Wachtürme links und rechts waren schlecht als Kamine kaschiert.
Er zeigte seinen Ausweis vor und wie fuhren in eine Schleuse. Ich durfte aussteigen und mich meiner Sachen entledigen. Nun gut, zumindest die Invicta blieb am Arm und der freundliche Herr,
der alle Körperöffnungen nach einer Kamera oder einem Diktiergerät durchforstete (soooooo klein sind die nun wirklich nicht), bemerkte mit Stolz meine Invicta.

"Pssst... Ich trage auch eine, eine von unserem Haus kann ich mir leider auch mit Mitarbeiterrabatt nicht leisten". Zuvorkommend half er mir wieder beim Anziehen.

Prof. Dr. Dr. Huerlimeier war sichtlich unangenehm berührt : "Frederic, tut mir leid, aber wir können nun mal keine Aufnahmen von unserer Fertigung genehmigen. Was würden denn die Kunden sagen...."

Wir gingen in eine elegante Werkhalle. Stahlbänder lagen in Rollen auf dem gefliesten Boden. Signiert mit "RR".

"Arbeiten Sie auch für Rollce Royce?" war meine erstaunte Frage.

"Nein, nein, Frederic", sagte mein Führer, "es heisst : Reservé pour Rolex. Sie haben das echte >Bling<."

Prof Huerliemer führte mich zu einem Automaten - weit und breit niemand in Sicht - , der aus den Bändern in hoher Geschwindigkeit Gehäuse stanzte, die in eine Kiste fielen.

Ich war irgendwie entsetzt. Ich hatte mir in meiner naiven Vorstellung einen Block vorgestellt, der auf einer 3D Fräse vom altem Fachmann zu einem Rolex Gehäuse geformt wurde.

Erschüttert wandte ich mich an Prof. Huerlimeier : "Ich denke, die Gehäuse werden aus dem Vollen gefräst?"

"Natürlich", entgegnete selbstsicher Huerlimeier, "Sie sehen hier eine Stanzfräse, äh, eine Frässtanze. Der Stanzkopf wird gefräst und geschmiedet. Dann formt die Frässtanze mit ihrem gestanzten Fräskopf das Gehäuse aus diesem Stahlband. Das Stahlband ist ganz massiv, sehen Sie selber."

Fffft Klack.., Fffft Klack..., Fffft Klack... fielen die Gehäuse in hohem Tempo, das danach durchlöcherte Stahlband erinnerte an Formen für Weihnachtsgebäck. Vielleicht werden damit auch Plätzchen gemacht...

Okay, wieder etwas Neues gelernt. Die Stanzfräse... Aber das echte >Bling< ???

Prof. Dr. Dr. Huerlimeier nahm einige Rohgehäuse aus der Kiste und steckte sie in seine Jackentasche.

Am Hallenende hörte ich plötzlich eine Mann entsetzlich brüllen. Er übertönte sogar die Stanze, neben der wir noch standen.

"Das ist Senior Aquirra, Conde di San Pedro de las Cases, er ist gerade bei der Arbeit - kommen Sie, wir gehen zu ihm", klärte mich Huerlimeier auf.

Wir gingen an der Materialausgabe vorbei, an der eine Gruppe Poliseure gerade ihre "Geheime Schleifpaste Rot" abholte.

Wir kamen näher zum Tor. Materialannahme stand dort und ich konnte aus dem Gebrüll mittlerweile einzelne Worte herausholen.

"Nehmen Sie Ihren Schrott wieder mit!!! Eine Zumutung, was Sie mir da unterjubeln wollen!!! So eine Frechheit ist mir in 40 Jahren noch nicht untergekommen!!!",

dazwischen kleinlaute Worte der Entschuldigung, der unendlichen Reue und der Bitte um Vergebung. Senior Aquirra stand dort, wie der Erzengel Gabriel, mit einem kleinen silbernen Hämmerchen in der Hand.

Jetzt begriff ich - ein Schweizer kann sich nicht so enervieren, ein Appenzeller wie Prof. Huerlimaeier schon zweimal nicht, da ist man auf spanischem Import angewiesen. Alter spanischer Adel brüllt am besten.

"RRRRAAAAUUUUSSS - Sie wollen mir doch diese Partie nicht im Ernst für eine Rolex liefern."

Wieder die klägliche Stimme, "Aber sehen Sie doch die Laboranalysen. Alles 1a. Genau in der DIN Norm. Die Mischung ist exakt - wir haben auch 7% Ferrari drin und 3% Feldhaubize."

Wortgewaltig bebte Senior Aquirra: "Was interessiert mich DIN? Dieser Stahl hat nicht unser >Bing<. Zurück damit, den können Sie an Omega liefern, aber nicht an uns."

Senior Aquirra sah uns und wurde im Bruchteil einer Sekunde wieder die Höflichkeit in Person - ein echter spanischer Grande.

"Guten Tag, Frederic", sagte er liebenswürdig und fügte verbindlich hinzu, "ich muss diese Partie zurückweisen. Ihr fehlt das >Bing<."

Ich war mittlerweile gespannt wie ein Flitzebogen. Der Lieferant verdrückte sich in der Zwischenzeit kleinlaut mit Tränen in den Augen.

"Was ist diese geheimnisvolle >Bing<? Herr Huerlimeier erzählte mir auch schon davon." N E U G I E R stand mit grossen Worten in meinem Gesicht.

"Unser Stahl muss singen können - das ist etwas, was Sie mit einer chemischen Analyse nicht erfassen können. Weder mit einem Massenspektrometer, noch mit dem Schliff unter dem Mikroskop.", entgegnete stolz Signor Aquirra.

Er nahm sein silbernes Hämmerchen wieder aus dem Etui (Karanga Wurzelholz mit Shabu Lack) und klopfte auf eine Rolle Stahlband.

"Das musste ich zurückgehen lassen. Hören Sie selber!" : >BLING<

"Ein völlig falscher Ton. So muss es singen", und nahm seinen Referenzstahl zur Hand : >BLING<

Ich war schon immer auf mein absolutes Gehör stolz gewesen. Das waren 4125 Herz. Bei beiden >Bling<.

"Ich sehe keinen Unterschied", entgegnete ich fragend.

"Sie müssen auf die Obertöne achten - die vierte Harmonische ist zu scharf, die dritte Harmonische nicht ausgeprägt genug. Unser Stahl muss konsonanter sein."

Er benutzte noch einmal sein Hämmerchen.

Ich wurde erleuchtet. Wie damals im Omkarananda Ashram in Muni-ki-reti nach 48 Stunden Om Mani Padme Hum.

"Jetzt höre ich es auch, der 12375 Herz Anteil ist nicht harmonisch eingebunden." Ich bewunderte Signor Aquirra - er musste wirklich ein fabelhaftes Gehör haben.

"Wozu ist das >Bing< eigentlich gut?" Auf diese Frage bekam ich keine Antwort.

Prof. Huerlimier lächelte wissend...

...Das war Signor Aquirre - Er ist also für das >Bling< verantwortlich. Vielleicht sind doch noch Pferdetrensen mit drin, aber es sollte ein letztes Geheimnis bleiben...

Stille legte sich über den Raum, nachdem der Conde uns mit einem freundlichen Gruss verlassen hatte.

Wir standen in der Werkhalle neben einigen Maschinen, die nicht in Betrieb waren. Es war eine wirkliche Ruhe im Gegensatz zu der Frässtanze oder der Stanzenfräse und dem Gebrüll des Einkäufers.

Prof Huerlimaeier nahm ein Gehaeuse in die Hand und liess es auf den gefliessten Boden fallen.

Ein helles "Bling" ertönte. Huerlimeier lächelte selig.

"Aber nimmt das Werk keine Schaden?" fragte ich verdutzt.

"Doch, in der Regel muss dann die Uhr schon zum Service - aber der Kunde sollte wenigstens das >Bling< in angenehmer Erinnerung haben. Wissen Sie Frederic, das ist es, was uns wichtig ist. Der Schmerz über die Servicerechnung soll durch den angenehmen Klang beim Aufschlag gemildert werden. Das sind wir unserer exklusiven Kundschaft einfach schuldig."

Ich staunte mit offenem Mund. Ich war sprachlos - schweigend - wortlos. Passiert mir ganz selten.

Wir gingen weiter an einer schmutziggrünen Schuler vorbei.

Es kam mir eine teuflische Idee, diesen Pressentyp kannte ich noch aus meiner Studentenzeit. Es war eine Schuler 75000 mit dem langen Doppelgriff, der erst das Sicherheitsgatter herunterfuhr und dann die 75to. Presse betätigte. Ein primitiver Pressentyp - aber mit Kawumm!

...Ich nahm meine Invicta vom Arm und schmiss sie auf den Boden.

Schepper-Schepper, Klapper-Klapper*

"Ja das ist das typische Klang vom Armband Jahrgang 99", schwärmte Prof. Huerlimeier selig, "aber haben Sie nicht auch dieses charaktervolle Bling gehört - das macht nur eine unserer Uhren."

Er nahm ein IWC Gehäuse in die Hand und liess es auf den Boden fallen.

Plopp*

"Sehen Sie", sagte Huerlimeier triumpfierend, "Sie hören nichts - keine elegantes Bling, nur ein schäbiges Plopp. Nichts als ein erbärmliches ... Plopp*"

Ich fand es unfair, Prof. Hürlimeier darauf hinzuweisen, dass gerade dieses IWC Gehäuse aus Titan war. Titan macht IMMER Plopp*

Ich wollte wieder meine Invicta auf den Boden werfen, aber Prof. Huerlimeier sagte mir, es sollte wegen des reineren >Bling< zuerst das Armband entfernt werden und wollte sie mir aus der Hand nehmen.

Danach ging alles wie in Zeitlupe:

--- ich hielt die Uhr mit aller Kraft fest, als Huerlimeier losliess, schlenzte ich sie elegant aus Versehen in die Presse, ich hechtete hinterher, um die Uhr zu retten, ich stolperte ungeschickterweise über meine eigenen Füsse und griff dann im Fallen leider mit beiden Händen den bekannten Doppelgriff der Schuler,
den roten Hauptschalter hatte ich vorsichtshalber diskret schon vorher umgelegt;
zuerst schoss das Sicherheitsgitter herunter, dann die Presse.

Meine Invicta wurde zu einer formlosen Masse geformt.

Prof. Huerlimaeier war die Peinlichkeit der Situation mit deutlichen Tropfen auf die Stirn geschrieben.

"Oh, das tut mir fürchterlich leid, Frederic. Ich sorge dafür, dass Sie sofort eine Neue bekommen."

Ich muss ganz ohne Eitelkeit gestehen, dass ich meine neue Rolex gerne trage und sie immer wieder liebvoll betrachte. Ja, ja, die gute alte Schuler 75000.
Noch Fragen ;)
Gruß

Matthias

NicoH
21.09.2007, 17:55
Brilliant :dr:

Vielen Dank, Matthias!

Nico