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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Der Tchibo/Rolex-Fall: 15 Jahre Rechtsstreit um ein Imitat



Prof. Rolex
15.11.2004, 11:27
Liebe Rolex-Freunde,
heute möchte ich Euch von dem Rechtsstreit zwischen Tchibo und Rolex berichten, der sich über einen Zeitraum von 15 Jahren hinzog und mit zwei BGH-Entscheidungen einherging. Es war der erste große Rechtsstreit von Rolex über die Nachahmung der Rolex Oyster und daraus folgenden Schadenersatzansprüchen in Deutschland. Auslöser des Rechtsstreites war eine Handaufzugsuhr, die Tchibo im September 1980 in einer Herren- und einer Damenvariante angeboten hatte. Die Uhren waren den Rolex-Referenzen 16013 (Herren-Datejust in gelbem Rolesor mit Jubilee-Band) und 6917/3 (Damen-Date in gelbem Rolesor mit Jubilee-Band) wie aus dem Gesicht geschnitten. Aber seht selbst:

http://img.photobucket.com/albums/v463/MatthiasRBO/watches/RoyalFront.jpg

http://img.photobucket.com/albums/v463/MatthiasRBO/watches/RoyalDial.jpg

http://img.photobucket.com/albums/v463/MatthiasRBO/watches/RoyalBack.jpg

http://img.photobucket.com/albums/v463/MatthiasRBO/watches/RoyalCrown.jpg

Von diesen Uhren wurden innerhalb von nur 9 Tagen im September 1980 insgesamt 495.288 Stück zu einem Preis von jeweils 39,95 DM verkauft. Die Uhren stammten von dem schweizerischen Hersteller E. (der volle Name ließ sich leider nicht mehr ermitteln) und sind mit Handaufzugswerken versehen. Die abgebildete Uhr ist übrigens ungetragen und entstammt meiner eigenen Uhrensammlung.

Die erste BGH-Entscheidung (Tchibo/Rolex I Az: I ZR 128/82: Zur Sittenwidrigkeit der Imitation exklusiver Uhren unter dem Gesichtspunkt der Ausnutzung fremden Rufes zur Förderung des eigenen Absatzes von Billiguhren):

In der ersten BGH-Entscheidung vom 8.11.1984 ging es um die Klärung, ob der Verkauf der Tchibo-Uhr wettbewerbswidrig ist. Das LG Köln hatte am 16.9.1981 diesem Anspruch zunächst stattgegeben, das OLG Köln hat am 28.5.1982 allerdings als Revisionsinstanz den Anspruch wieder verworfen. Daher wurde der BGH von Rolex angerufen, der letztinstanzlich die Wettbewerbswidrigkeit bestätigt hat. Stichpunktartig einige interessante Details:

Der deutsche Geschmacksmusterschutz der Rolex Oyster ist bereits im Jahre 1972 abgelaufen. Daher war das Design nicht mehr geschützt und die Kennzeichnung ?Registered Design? auf den Rolex-Uhren bereits seit 1972 zumindest in Deutschland nicht mehr gerechtfertigt.

Rolex beklagt eine sittenwidrige Nachahmung der Modelle 16013 bzw. 6917/3 und beruft sich auf das charakteristische Design, das sich als Herkunftshinweis durchgesetzt habe.

Die beiden Modelle 16013 und 6917/3 machten 40% des Stückumsatzes und 25% des Wertumsatzes der Oystermodelle aus. Der Anteil der Oystermodelle am Gesamtumsatz betrug 95%.

Rolex beziffert einen Verkaufsausfall durch die Tchibo-Uhren, der gemessen an der erwarteten Absatzentwicklung bei der Damenuhr 64,2% und bei der Herrenuhr 48% betrage.

Der BGH hat die Wettbewerbswidrigkeit festgestellt, weil die Tchibo-Uhr in den äußeren Merkmalen der Rolex sklavisch nachgeahmt ist und sich daher an den guten Ruf und den Prestigewert der Rolex anhängt. Allein dieses Anhängen ist bereits wettbewerbswidrig, wobei es keine Rolle spielt, ob die Uhr mit ?Rolex? oder einem anderen Namen signiert ist.

Orientierungssatz: ?Wer sich durch den Vertrieb einer in den äußeren kennzeichnenden Merkmalen nahezu identischen Ware an den Prestigewert und den guten Ruf der Ware eines Wettbewerbers anhängt, handelt wettbewerbswidrig, und zwar unabhängig davon, ob eine betriebliche Herkunftstäuschung eintritt oder nicht.?


Die zweite BGH-Entscheidung (Tchibo/Rolex II Az: I ZR 107/90: Schadensberechnung und Schadensschätzung beim Vertrieb unlauterer Produktimitate, Lizenzanalogie, Mindestvoraussetzungen für Schadensschätzung):

In der zweiten BGH-Entscheidung vom 17.6.1994 ging es um die Klärung, wie der Schadensersatzanspruch beim Verkauf von unlauteren Produktimitaten ermittelt wird. Da diese Entscheidung viele Zitate und Entscheidungsgründe enthält, die mit unserem eigentlichen Thema Rolex nicht mehr viel zu tun haben, sollen nur kurz die wichtigsten Rolex betreffenden Details wiedergegeben werden:

Rolex beziffert den jährlichen Verkauf seiner Uhren auf ca. 500.000 Stück und einen Umsatz von ca. 1 Mrd. Schweizer Franken.

Tchibo hat im Rahmen eines Auskunftsbegehrens sowie eigenem Vortrag in den vorangegangenen Verfahren angegeben, insgesamt 495.288 ?Royal Calendar? verkauft und somit 19.784.358,60 DM umgesetzt zu haben.

Rolex hat einen konkreten Umsatzrückgang durch den Verkauf der Tchibo-Uhren nicht beziffert, sondern verlangt die Herausgabe des gesamten Tchibo-Gewinnes nebst Zinsen von 8,25% aus dem Verkauf der ?Royal Calendar?, der mit 8.421.428,-- DM angegeben wurde.

Aufgrund des BGH-Urteils Tchibo-Rolex I wurde Tchibo vom LG Köln am 6.4.1989 zu einem Schadenersatz von 270.000,-- DM verklagt. In der nachfolgenden Berufung wurde vom OLG Köln am 16.3.1990 ein Schadenersatzanspruch von 2.151.548,80 DM festgestellt. Beide Parteien haben daraufhin den BGH angerufen, der die Entscheidung schlußendlich an das Berufungsgericht zurückverwiesen hat.

Leider war es mir nicht möglich zu ermitteln, wieviel Schadenersatz Rolex nach der Rückverweisung an das Berufungsgericht tatsächlich von Tchibo erhalten hat. Vielleicht wurde auch eine außergerichtliche Einigung zwischen Tchibo und Rolex herbeigeführt.

Ich hoffe, daß dieser sehr spezielle Beitrag trotzdem bei einigen Forumsmitgliedern auf Interesse gestoßen ist. Beim nächsten Mal gibt es dann wieder etwas leichtere Kost.

Viele Grüße
Matthias

roland
15.11.2004, 11:47
Sehr interessanter Bericht;danke!

Uhrenhersteller wie DAVOSA,BULOVA,MARCELLO C. u.a. verkaufen heutzutage noch Modelle,die sehr stark am Rolex-Design angelehnt sind
Davosa Ternos Taucher sieht wirklich aus wie ne SUBDATE und Kollege Sloth hat mal ein Foto einer ZENO-Explorer eingestellt ( sind beide noch näher am Original als die Tschibo-Uhren)

Dongue
15.11.2004, 12:10
Sehr interessanter Bericht
Danke

market-research
15.11.2004, 12:15
Danke Matthias, äusserst interessant und lehrreich zugleich. Du kommst nicht zufällig aus dem FL?

Da sieht mann m.E. wieder einmal wie theoretisch so was verhandelt wird und wie haarsträubend die anklagende Partei argumentiert.

Umsatzverlust von rund 50% oder eine Milliarde DM, als ob so viele Personen die sich eine Rolex leisten können und damals kaufen wollten; dann aber kurz vor dem Kauf noch auf die 39.90 Uhr umgesprungen sind. Also bitte meine Herren! :-)

Norbert
15.11.2004, 12:17
Ein hochinteressanter Bericht, Matthias.
Freue mich schon auf die Fortsetzung!

Gruß
Norbert

nescaffee
15.11.2004, 12:43
Original von market-research

Umsatzverlust von rund 50% oder eine Milliarde DM, als ob so viele Personen die sich eine Rolex leisten können und damals kaufen wollten dann kurz vor dem Kauf noch auf die 39.90 Uhr umgesprungen sind. Also bitte meine Herren! :-)

Absolut richtig, das ist wirklich absurd. War aber auch m.E. nur der faktische Hintergrund bzw. Aufhänger für die Klage.
Ich vermute, dass es Rolex hauptsächlich um die Psychologie ging:
1) Klar zu machen, dass "Kopien" herzustellen und zu vertreiben ungesetzlich ist und dies von Rolex verfolgt wird (in Richtung anderer Produzenten).
2) Dem Verbraucher auf diesem Wege zu signalisieren dass "Kopien" zu kaufen (und zu tragen) eben nicht schick, clever oder ähnliches ist.

Und dies, ganz entscheidend, auf großer Bühne mit entsprechender Publicity! Rolex gegen Tchibo - das ist eine Schlagzeile. Rolex zum x-ten mal gegen Uhrenbastelfabrik HongKong Inc. - na und?

Ob ich damit richtig liege - keine Ahnung.
Viel interessanter ist wie immer die Frage am Ende: Hat's genützt?

Ein Blick auf einschlägige Versteigerungsangebote gibt Auskunft.
Darüber, dass es mehr "Fakes" denn je gibt.
Was aber auch heißt: Der Mythos der Marke ist ungebrochen.

Mit Kleingeldgrüßen im Wert von 2 Cent grüßt

der Axel

market-research
15.11.2004, 12:49
Original von nescaffee

Original von market-research

Umsatzverlust von rund 50% oder eine Milliarde DM, als ob so viele Personen die sich eine Rolex leisten können und damals kaufen wollten dann kurz vor dem Kauf noch auf die 39.90 Uhr umgesprungen sind. Also bitte meine Herren! :-)

Absolut richtig, das ist wirklich absurd. War aber auch m.E. nur der faktische Hintergrund bzw. Aufhänger für die Klage.
Ich vermute, dass es Rolex hauptsächlich um die Psychologie ging:
1) Klar zu machen, dass "Kopien" herzustellen und zu vertreiben ungesetzlich ist und dies von Rolex verfolgt wird (in Richtung anderer Produzenten).
2) Dem Verbraucher auf diesem Wege zu signalisieren dass "Kopien" zu kaufen (und zu tragen) eben nicht schick, clever oder ähnliches ist.


Mit Kleingeldgrüßen im Wert von 2 Cent grüßt

der Axel

Deine Überlegungen sind nachvollziehbar, aber es handelt sich m.E. eben auch nicht um ein Fake, da nirgends Rolex steht und somit dem Käufer auch nicht vorgegaukelt wird er würde eine kaufen.

Ich würde schätze, dass jährlich über 100'000 Menschen ein Fake kaufen und meinen sie hätte eine Rolex gekauft. Es sind ja nicht alle so interessiert und detailverliebt wie die Forumsteilnehmer hier. Die Mehrheit weiss noch nicht einmal wie viel Abweichung pro Tag nun gut oder schlecht ist, wahrscheinlich bemerken sie die Abweichung erst bei plus/minus 5 Minuten irgendwann einmal.

PCS
15.11.2004, 12:50
Habe auch noch ein paar Bilder gemacht...

http://pics.r-l-x.de/./userfiles/pcs/Rolex/f05294.jpg

http://pics.r-l-x.de/./userfiles/pcs/Rolex/f05293.jpg

http://pics.r-l-x.de/./userfiles/pcs/Rolex/f05303.jpg

http://pics.r-l-x.de/./userfiles/pcs/Rolex/f05291.jpg

http://pics.r-l-x.de/./userfiles/pcs/Rolex/f05299.jpg

http://pics.r-l-x.de/./userfiles/pcs/Rolex/f05302.jpg

Red_Sub69
15.11.2004, 12:59
Die sieht im Vergleich zu den anderen Imitaten gar nicht mal schlecht aus. 8o
Was für ein Werk ist denn da verbaut worden? ?(

Prof. Rolex
15.11.2004, 13:04
Original von PCS
Habe auch noch ein paar Bilder gemacht...

Lieber Percy,
vielen Dank für die tolle Ergänzung.

Gruß
Matthias

nescaffee
15.11.2004, 13:50
Wunderbare Bilder, Percy.
Was belegt: Tchibo war natürlich nicht der einzige Kopierer, aber der einzige, gegen den so ein Verfahren Sinn macht. (Rolex gegen "Quartz" - auch ein schöner Prozess ;-)

Oft wurde hier ja schon die theoretisch betrachtet, was Fake/Kopie/Hommage etc und was von den Käufern eben solcher zu halten ist.
In diesem Fall glaub ich mit market-research, dass vielen Konsumenten gar nicht bewusst war, das es sich um eine Rolex-Kopie handelte. Sondern einfach um eine schicke und günstige Uhr mit Qualitäts-Mahlwerk vom Kafferöster. Deshalb habe ich auch in diesem Zusammenhang das Wort Kopie statt dem bösen "Fake" verwendet.

Und damit ergeht folgendes Urteil: Weiter so mit solch Interessanten und reichhaltig bebilderten Geschichten rund um die Uhr unseres Vertrauens.

Herzlichts, äh -lichst,
Axel

Eurofinanz
15.11.2004, 14:30
Hallo Matthias,

vielen Dank für die Info.
Sehr interessant!

Viele Grüße
Werner

Markus
15.11.2004, 14:40
Danke Matthias !

Solche Beiträge braucht das Forum 1

Solche Uhren ?

sloth
15.11.2004, 16:00
Tolle Bilder Percy ! ;)
Ich habe nur ein Fabergee ;(

http://vsl.users.whitehat.dk/fabergee.jpg

nescaffee
15.11.2004, 16:32
Ach du dickes Ei!

Design-Freund
15.11.2004, 16:37
:D
Jaja, die Faberge-Eier.. :D

sloth
15.11.2004, 16:39
http://www.cosgan.net/images/smilie/tiere/o040.gif

KingRolex
15.11.2004, 18:56
Die Citizen hatten wir auch schon mal hier im Forum...

http://img95.exs.cx/img95/3908/CitizenAutomatik_edited.jpg

kuntze
16.11.2004, 16:06
Vor kurzem wurde bei ALDI auch eine Imitation der Rolex Submariner Date für 9.99.- Euro verkauft. Auf den ersten Blick durchaus ziehmlich ähnlich,allerdings auf den zweiten Blick als billige Imitation zu erkennen mit Quartzlaufwerk.
Auch sonst sieht man immer wieder mal Imitationen die dem Orginal (gerade der Submariner Date) verblüffend ähnlich sehen. Ich hatte vor kurzem bei Uhren Christ auch so ein Imitat gesehen,der Name der Uhr fällt mir im Moment nicht ein, kostete so um die 130 Euro.

Boris

Anmerkung : ich glaube auf der ALDI-Uhr stand Lexor oder so ähnlich.