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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Dresden - Eine Annäherung (Teil 1; Modemburner)



siebensieben
11.04.2008, 20:39
Dresden – Eine Annäherung


Ein Besuch der sächsischen Landeshauptstadt Dresden ist immer eine Reise wert. So geschehen letztes Wochenende, und hier ist ein kleiner Bericht. Wer schwärmt nicht vom „Elbflorenz“, vom Wiederaufbau der Frauenkirche, von einer Innenstadt, die in ihrer – neuerlichen – Geschlossenheit historischer Gebäude einzigartig ist. Mit Rücksicht auf die maximal mögliche Zeichenzahl pro Beitrag werden es wohl mehrere Teile.



Teil 1

Wenn wir über Dresden sprechen, können wir natürlich schnell zum Thema „Elb-Florenz“ kommen, aber das wird sicher der Komplexität der Stadt nicht ganz gerecht. Also bleibt uns nichts erspart, und wir müssen einen kleinen Exkurs in die Geschichte machen. Jedoch zunächst in die jüngere Geschichte.

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Ein kleiner Bummel stimmt uns ein. Dresden ist Touristenstadt, und man ist angesichts der großen Ausgaben auf zusätzliche Einnahmen angewiesen. Da nimmt man es mit der Rechtschreibung auch mal nicht allzu genau…

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Zahlreiche Gastronomiebetriebe laden zum Verweilen ein – und Souvenirs gibt’s genug, schließlich ist auch die Porzellanstadt Meißen nicht weit. Über guten Geschmack muss man da auch schon mal hinwegsehen. 2.800 Euro soll der Kleine kosten.

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Und eine kleine Pause muss man sich als Straßenmusikant auch hier und da gönnen, vielleicht ein kleiner Imbiss im Schatten der Frauenkirche..

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Natürlich hat sich auch noch viel Charme der Nachkriegsjahre erhalten…

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Dresden liegt im Spannungsfeld einer inzwischen zu großen Teilen original wiederhergestellten Residenzstadt der Renaissance, des Barock und des Klassizismus, aber mit einer Fülle von Problemen, die daraus erwachsen. So ist natürlich im Moment vieles Baustelle, und zu den Türmen der Schlösser und Kirchen gesellen sich – wenn auch temporär – die Türme der Kräne, die Baustellen, riesige Areale von – noch – brachliegenden Flächen. Und in unmittelbarer Nähe der Putten im Dresdener Zwinger gesellen sich Neubauten von zuweilen zweifelhafter Modernität.

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Und die neue Technik hat Einzug gehalten, da muss schon mal ein historisches Gebäude für den Sendemast des Mobilfunks herhalten…

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…und manche skurrile Perspektive spannt den Bogen zwischen vergoldeten Figuren und der blechverkleideten Aufzugs-Überfahrt eines modernen Hotels.

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Auch die Archäologen haben viel zu tun, hier der Bereich des Neumarkts, in dem alte Kellergewölbe zutage treten. In diesen Bereichen gibt es keine „neuen“ Keller, alle stammen aus dem Mittelalter oder der Zeit des Barocks und Klassizismus. Die meisten sind nach dem Krieg verfüllt worden uns müssen erst mühsam freigeräumt werden, bieten dann aber viel Nutzbares zur Erforschung der Stadtgeschichte. Weite Bereiche haben auch gar keine Keller, sodass hier der spannenden Frage nachgegangen werden kann, wie die Stadt in den frühesten Siedlungsperioden ausgesehen haben könnte!

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Neben der Restaurierung der historischen Gebäude ist natürlich auch manches unwiederbringlich verloren und nicht mal auf alten Plänen und Ansichten vorhanden, sodass man Neues schaffen muss. Das gelingt mit unterschiedlichem Erfolg.

Hier in der Neustadt waren die Instant-Sanierer schnell und ohne viel zu überlegen bei der Hand. Zu schnell. Mit Türmchen und zwischen die Scheiben geklebte Pseudo-Fenstersprossen versuchte man, der historisch gewachsenen Gebäudestruktur der Umgebung gerecht zu werden und neue Akzente zu setzen.

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Besser machte man es in der Innenstadt am Neumarkt: Moderne und klare Formen, ruhiges Äußeres, dass die Formensprache der historischen Gebäude aufnimmt, ohne mit ihnen konkurrieren zu wollen.

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Und entlang der Elbe Richtung Norden sind die Neubauten des Sächsischen Landtages und des neuen Kongresszentrums zu erwähnen. Weit genug von der Altstadt entfernt, setzen sie doch die Reihe der prägenden Bauten entlang der Brühlschen Terrasse und wohltuend ruhiger und dennoch aussagekräftiger Formensprache fort.

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Aber zurück zum historischen Dresden!


Bereits in der Jungsteinzeit gab es Ansiedlungen im heutigen Dresdener Raum, doch erst Anfang des 13.Jh. wird Dresden in einer erhaltenen Urkunde erwähnt. Aber erst 1356, als Kaiser Karl IV. das Herzogtum Wittenberg-Sachsen zum Kurfürstentum erhebt, beginnt der Aufstieg Dresdens als wichtiges politisches und kulturelles Zentrum, wobei es noch weitere gut 100 Jahre dauert, bis 1485 die Herzöge und Kurfürsten Dresden zu ihrer Residenzstadt machen.

Viele Jahrhunderte konnten sich die sächsischen respektive Dresdener Herrscher zu den sieben wichtigsten Fürsten Europas zählen, hatten doch der Kurfürst von Sachsen zusammen mit den Erzbischöfen von Mainz, Trier und Köln sowie dem Markgraf von Brandenburg, dem König von Böhmen und dem Pfalzgraf bei Rhein das Privileg, den Kaiser des ‚Heiligen römischen Reiches deutscher Nationen’ zu wählen. Immerhin hatte dieses Reich rund 1000 Jahre von der Kaiserkrönung Karls des Großen in Aachen bis zur Auflösung1806 Bestand.

In dieser Zeit – bis 1806 – und dann als Hauptstadt des Königreichs Sachsen bis 1918 erlebte Dresden wie alle anderen bedeutenden Städte eine sehr wechselvolle Geschichte, die von Machtspielen, Intrigen, Bränden, Verwüstungen, Krankheiten, politischen Wirren, aber auch von Kunst, Kultur, Musik, Wirtschaft oder Baukunst geprägt war.

Aufgrund der Tatsache, dass es in Dresden eine über die Jahrhunderte kontinuierliche Entwicklung insbesondere der Baukultur gab, hat man sich entschlossen, die Stadt nach der Zerstörung gegen Ende des Zweiten Weltkriegs mit ihren zahlreichen Zeugnissen der vergangenen Jahrhunderte weitestgehend wieder aufzubauen. Gleichwohl verbleiben natürlich noch eine Menge Lücken, die man zu füllen bestrebt ist, sei es mit zeitgenössischer Architektur, sei es mit dem Wiederaufbau von Verlorenem. Beides ist schwierig genug.


Wenden wir uns nun einem Prototypen absolutistischer Selbstdarstellung zu, demjenigen, der inmitten der Blütejahrhunderte die Geschicke Sachsens und Dresdens lenkte und der Stadt als Mäzen der Kunst, des Bauens und der Fest eine wahrhafte Lebensfülle schenkte: Kurfürst Friedrich August, geboren 1670 in Dresden, gestorben 1733 in Warschau. Gerne nannte er sich König August, obwohl er zunächst einmal Fürst war, und den Beinamen „der Starke“, den ihm der Volksmund gab, wird er nicht ungern angenommen haben.

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Das Standbild ‚Goldener Reiter’ bewundern wir auf der anderen Elbseite, merkwürdigerweise richtet er seinen Blick weg von der Altstadt Richtung Osten.

Das königliche Monogramm ‚AR’ (Augustus Rex [König August]) prangte an vielen Gebäuden in der Stadt, die auf seine Initiative als Bauherr oder Förderer zurückgingen, hier am Übergang vom fürstlichen Schloss zur Hofkirche.

August zählte zu den politisch eher unfähigeren Staatsmännern, im Strudel von Vetternwirtschaft, Intrigen, kreuz und queren Hin- und Her-Heiraten durch ganz Europa, kleineren und größeren Kriegen um Land, Liebe, Einfluss und Erbfolge war es auch nicht leicht, eine klare politische Linie zu durchzusetzen.

Umso mehr widmete sich August dem pompös-barocken Lebenswandel, war Mäzen für manchen Künstler und Musiker, initiierte Neubauten von Kirchen, Schlössern und Verwaltungsgebäuden.

August entstammte dem Geschlecht der Wettiner, ursächsischem Adel. So ist am einer Außenmauer des Dresdener Schlosses der sogenannte ‚Fürstenzug’ angebracht (1876), auf mehr als hundert Metern überlebensgroße Reiterfiguren, die meisten aus eben jenem Wettiner-Geschlecht.

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Im Zeitalter der Kleinstaaterei war es nicht leicht, die ganzen Herrscher auseinanderzuhalten. So blieb manchem Fürsten nichts anderes übrig, als sich – derbe und gut merkbare – Beinamen zu geben. ‚Der Starke’ ist da eher harmlos, es gab bärtige, gebissene, reiche, stolze, ernsthafte und viele andere mehr.

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Und nicht zu vergessen: Wir befinden uns in einer Porzellangegend. So übertrug man das Gemälde Anfang des 20.Jh. auf 25.000 Meißener Porzellankacheln und erhielt es so dauerhaft der Nachwelt.

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Politik ist Ränkespiel, heute wie damals. Und August verspürte einen ziemlichen Drang, sich auch noch zum König von Polen wählen zu lassen, die Stelle war frei – oder wurde kurzerhand freigeräumt. Es gab nur eine Hürde: Polen ist katholisch, Dresden damals Kernland des Protestantismus. Aber das soll nicht stören – heimlich konvertierte August zum Katholizismus, gewann so die Wahlmänner in Polen für sich und wurde zum König August II. von Polen! So ging das damals. Sein Sohn war August II., zugleich natürlich durch übliche Bestechung auch polnischer König August III., war durch die Politik überfordert und widmete sich noch mehr als sein Vater dem Bauen, der Jagd, dem Opernbesuch und überhaupt dem schönen prall-barocken Leben. Das hatte für Dresden einen sehr positiven Nebeneffekt – besonders für die Minderheit der Katholiken: Kurfürst August II., spendierte seinem Volk eine katholische Hofkirche, bis heute die größte Kirche Sachsens.

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Der Grundstein für die katholische Hofkirche im römischen Spätbarockstil wurde 1739 gelegt. Die Kirche ist das letzte bedeutende Barock-Bauwerk Dresdens.

Eine Konzession an den Protestantismus im Lande musste man dann doch machen: Den Protestanten missfielen die ständigen prachtvollen Prozessionen der Katholiken, und so baute man auf der ersten Ebene über den Seitenschiffen einen kompletten Umgang, sodass die Prozessionen im Innern der Kirche und ohne „Störung“ des Straßenbildes durchgeführt werden konnten!

Eine Besonderheit weist diese Kirche auf: Sie hat, anders als die allermeisten katholischen Kirchen, den Altarraum auf der Westseite, und nicht nach Osten hin. Warum das so ist, ist unklar. Vielleicht wollte der Fürst einen möglichst kurzen Weg vom Schloss zu seinem Platz in der Altarnähe haben, denn die Kirche hat auf dieser Seite einen Brückenzugang vom Schloss aus.

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Neben der barocken Kanzel ist als Ausstattung vor allem eine jener berühmten Silbermann-Orgeln zu erwähnen! Sie hat 47 Register und etwa 3.000 Pfeifen.

Gottfried Silbermann gilt als der bedeutendste Orgelbauer Sachsens in der Zeit des Barocks, und seine Orgeln haben einen einzigartigen Klang, den man auch bei Silbermanns letzter Orgel in der Dresdener Hofkirche nach einem umfassenden Restaurierung 2002 wieder hören kann. Die Höhe des Kammertons ‚a’ liegt mit den damals üblichen 415 Hz um etwa einen halben Ton tiefer als die heute gebräuchliche Stimmung mit 440 Hz.

Hinzu kommt, dass Silbermann sich zeitlebens weigerte, endlich auf die damals immer mehr gebräuchliche sogenannte ‚wohltemperierte Stimmung’ zu wechseln, in der man durch alle Tonarten ein ähnliches klangliches Ergebnis – wenngleich auch ‚parallelverschoben’ – hatte. Johann Sebastian Bach, als Komponist und Kirchenmusiker damals schon weltberühmt, forderte – bei Silbermann vergebens – immer wieder diese wohltemperierte Stimmung, ohne die ein Zusammenspiel eines Ensembles nur schwer möglich war.

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Wird fortgesetzt… Teil 2 folgt bald! :]




Hier gibt’s den Teil 1 zum Herunterladen (http://www.standop.net/Architektur/downloads/080411dresdeneineannaeherungteil1.pdf)

serpico
12.04.2008, 10:34
sehr schoen, bin sehr auf teil 2 gespannt

wildpower2
12.04.2008, 11:17
Was für ein Bericht !!!!

DANKE.