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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kurzarbeit mal anders



X-E-L-O-R
16.03.2009, 10:26
Bänderstillstände - leerstehende Fabrikhallen - Arbeiternehmer bleiben zu Hause, bevor sie im Betrieb mit dem Däumchendrehen anfangen.

So wird das Thema Kurzarbeit üblicherweise von den Medien dargestellt und von den allermeisten Nichtbetroffenen auch wahrgenommen.

Aber es kann auch ganz anderes aussehen, wie das Beispiel meiner Freundin zeigt.

In ihrer Abteilung (Customer Service Leiterplattenfertigung) wird auch seit ein paar Wochen kurzgearbeitet. 4 Tage Woche, einen Tag zu Hause, dabei erträgliche Lohneinbußen - so "schön" könnte es in der Theorie sein!

Das Dumme nur: Die Abteilung kann sich vor Arbeit gar nicht retten! Schon ohne die Kurzarbeit wussten die Mitarbeiter oft gar nicht, wo ihnen der Kopf steht. Und jetzt soll das Ganze in einer 4 Tagewoche abgearbeitet werden. Meine Freundin steht mittlerweile kurz vor einem Nervenzusammenbruch, und sie ist nicht die Einzige. Sie will montags schon gar nicht mehr arbeiten gehen, weil sie genau weiss, was der freie Freitag für einen Berg an Arbeit verursacht hat. Tagsüber länger bleiben? Fehlanzeige! Die Arbeitszeitkonten werden peinlich genau überwacht.

Die Firma hat einfach für alle Abteilungen Kurzarbeit eingeführt, ohne sich die Situation in den einzelnen Abteilungen genau anzusehen. Die Manager sind wirklich echte Experten. Für die "Führungskräfte" selbst gilt die Kurzarbeit übrigens nicht. Sie arbeiten weiterhin die vollen Stunden. Immerhin verzichten Sie auf einen Teil ihres Gehalts - aus Solidarität.

Aber dieses Modell könnte man doch auch auf andere Abteilungen übertragen, oder sehe ich das falsch?


Vielleicht habt Ihr ähnliche Erfahrungen gesammelt?

Und klar, letztendlich sollte man froh sein, dass man überhaupt noch einen Job hat.

Doktor Krone
16.03.2009, 11:00
Hört sich für mich merkwürdig an: ein Betrieb mit guter Auftragslage und trotzdem Problemen, sein Personal zu bezahlen. Da versickert doch irgendwo die Asche ... :grb:

ehemaliges mitglied
16.03.2009, 11:08
Original von X-E-L-O-R
Und jetzt soll das Ganze in einer 4 Tagewoche abgearbeitet werden.


pff, wo kommen wir denn da hin !?

würd mich doch nicht für so nen laden kaputt machen, wird soviel gearbeitet wies halt geht....


Original von X-E-L-O-R
Meine Freundin steht mittlerweile kurz vor einem Nervenzusammenbruch, und sie ist nicht die Einzige.


selbst schuld wenn sie es mit sich machen lässt.

Sub-Date
16.03.2009, 11:17
Das ist ein problematisches Thema, einerseits ist die Republik voll von Firmen deren Umsätze eingebrochen sind, und deren einzige Alternative Entlassungen heisst.

Andererseits gibt es auch genug Firmen, die auf diesen Zug aufspringen um Kosten zu senken, bzw. Gewinne zu steigern, und dies auf dem Rücken ihrer Mitarbeiter und der sozialabgabenpflichtigen Beschäftigten erreichen.

Die aktuelle Kurzarbeiterregelung ermöglicht es, nicht nur jede Abteilung individuell zu betrachten, sondern sogar jeden einzelnen Arbeitsplatz.
Es gibt tatsächlich Firmen die nutzen diese Möglichkeiten nicht und schicken sogar die Mitarbeiter die die Akquisetätigkeiten ausführen in die Kurzarbeit.

Wie dumm muss man sein, um in diesen Zeiten die Neukundengewinnung zu schwächen?


Die meisten Firmen die Kurzarbeit eingeführt haben, kämpfen damit dass ihre Mitarbeiter in der verbleibenden Zeit deutlich stärker belastet werden.
Bei uns z.B. hat sich die durchschnittliche Auftragsgrösse verringert, so dass das Arbeitsaufkommen in den Bereichen Auftragserfassung, Arbeitsvorbereitung, Einkauf, Produktionsplanung, Versandpapiererstellung etc. gleich geblieben ist.
Dummerweise wurde bei uns 3 Tage Kurzarbeit eingeführt, so dass die Kollegen am Limit fahren.
Wenn es dann noch regelmässig fest eingeplante Meetings gibt, geht der Anteil an echter Arbeitsszeit noch weiter runter, weill bei uns kein Mensch auf die Idee gekommen ist diese Meetings zu straffen, kürzen oder zu streichen.

Trotzdem ist Kurzarbeit eine gute Lösung, wenn ich mir unsere Kunden in GB anschaue, die dort massiv entlassen, dann wird mir schlecht wenn ich an die persönlichen Schicksale denke.
Nicht alle von denen sind 28 und Topausgebildet.


P.S. Natürlich gilt die Kurzarbeit nicht für die "Manager".
Kurzarbeitergeld gibt es nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze, wer als AT darüberliegt bekommt sowieso kein Kurzarbeitergeld, oder nur einen kleinen Teil.

Deswegen werden diese Positionen von der Kurzarbeit ausgenommen, bzw. wenn es sich um Holding oder Vertriebskonstruktionen handelt, bei denen der überwiegende Teil der Mitarbeiter sich im AT Bereich bewegen, wird überhauppt keine Kurzarbeit eingeführt.

Das kann man für ungerecht halten, es ist aber der absolute Regelfall.

X-E-L-O-R
16.03.2009, 11:19
Original von Doktor Krone
Hört sich für mich merkwürdig an: ein Betrieb mit guter Auftragslage und trotzdem Problemen, sein Personal zu bezahlen. Da versickert doch irgendwo die Asche ... :grb:

Das muss man differenzierter betrachten: Natürlich leidet die Firma unter der WK. Die Aufträge sind deutlich zurückgegangen. Deshalb macht Kurzarbeit in der Produktion auch Sinn. Nur im CS kommt das eben nicht an. Die Kunden wollen betreut werden, es macht keinen Unterschied, ob die 10.000 oder nur noch 7.000 Teile bestellen. Der Aufwand hier ist der gleiche.

bunsen
16.03.2009, 12:57
Früher hat man mit Rücksicht aufs Image Kurzarbeit vermieden, heute macht man Kurzarbeit um dazu zu gehören.

Edit: Wir hatten im Februar 10 Tage Kurzarbeit und machen jetzt bis Juni 30 Sonderschichten, verteilt über alle drei Schichten.

Gruss Dirk

fiumagyar
16.03.2009, 14:28
jaja Kurzarbeit,

Lieferzeit für VW Passat Variant, am Telefon max. acht Wochen jetzt ist
die Bestellung raus, schon sinds auf 13 bis 14 Wochen :motz: :motz:

Gruß
Ulrich

Passion
16.03.2009, 15:45
Die großen Vorbilder der Politik und des oberen Managements auch hinsichtlich zurückhaltung in großen Minus Jahren schlagen halt auch auf die Kurzarbeitsrelevanz durch.

Wenn man den Managerbonus von 20Mio Euro im Jahr bei dickstem Jahreminus um zweistellige Prozente kürzen muss und somit ein deutliches Zeichen setzt, nun die Firma geschont zu haben, so muss man Kurzarbeit anmelden.

Sub-Date
16.03.2009, 16:14
Ich weiss nicht ob das Thema nicht viel zu Ernst ist, um es mit Stammtischparolen kaputtzureden?

Welche Manager bekommen den 20 Millionen Bonus, bei dickstem Minus des Unternehmens?

Da kann es sich doch höchstens um einen Vostandsvorsitzenden eines Milliarden Unternehmen im DAX handeln, oder?

Chefcook
16.03.2009, 17:55
Die von X-E-L-O-R beschriebene Situation ist auch bei uns zutreffend.

Interessant ist jedoch, dass nicht etwa die Geschäftsführung Kurzarbeit für alle wollte, sondern der Betriebsrat. Laut dem Betriebsrat kann eine solche Ungerechtigkeit nicht sein, dass nur die Produktion ruhen muss, während in der Entwicklung, im Vertrieb und in der Auftragsabwicklung noch alle voll arbeiten. Dass dort die Projekte von Morgen bearbeitet werden, die dem Unternehmen eines Tages das Überleben sichern könnten, versteht in den Werken niemand und weil die mehrheitlich den Betriebsrat stellen, haben wir jetzt den Salat.