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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Helmut Lang



Smile
31.01.2005, 01:54
Der Grossmeister tritt ab ... ;( ;( ;(

Ein wunderbarer 'Nachruf' von Claudius Seidl in der FAS



Die Kunst des Verschwindens
Helmut Lang war Liebling der Künstler und Intellektuellen und der einflußreichste Mode-Designer des letzten Jahrzehnts. Jetzt verläßt er die Firma, die seinen Namen trägt. Eine Ära geht zu Ende In dem Moment, da alles aussieht wie Helmut Lang, verschwindet Helmut Lang. Das ist nur konsequent.

Helmut Lang hat, als er anfing, die Welt verstört und herausgefordert, und als seine Geschichte weiterging, hat er die Welt verändert. Und jetzt, da er aufhört, wird offenbar, daß es hier nicht bloß um die Welt der Laufstege, der Modezeitschriften und der teuren Boutiquen geht. Die Welt, zumindest jener Teil von ihr, den man den Westen nennt, sähe anders aus ohne Helmut Lang. Sie sähe mit großer Wahrscheinlichkeit häßlicher aus.
Helmut Lang, das wurde am Anfang dieser Woche bekannt, Helmut Lang, der Österreicher mit Wohnsitz und Arbeitsplatz in New York, der Modeschöpfer, der keine anständige Ausbildung hatte und trotzdem die am besten geschnittenen Anzüge entwarf, Helmut Lang, der schon im Oktober die letzten eigenen Anteile an seiner Firma verkauft hatte an den Prada-Konzern, der seit Jahren die Mehrheit hielt, Helmut Lang gibt seinen Posten als "Creative Director" auf und verläßt die Firma, die seinen Namen trägt. Ob das ein Rausschmiß war oder eine Befreiung, das weiß vielleicht nur Helmut Lang. Fest steht bloß: Helmut Lang ist ein anderer.
Wenn einer, der Kleider und Anzüge entwirft, zum Gegenstand des Feuilletons wird, kann das eigentlich nur zwei Ursachen haben: Entweder sind jene, die sich professionell mit Fragen der Ästhetik beschäftigen, der anstrengenden Auseinandersetzung mit Büchern und Filmen, mit Musik und Theaterinszenierungen überdrüssig und suchen die schnelleren Kicks und Thrills, die Distinktionsgewinne dort, wo sie lange Zeit sehr viel billiger zu haben waren: auf den Schauen von Paris oder New York, in den großen leeren Läden, zwischen den glänzenden Seiten der internationalen Magazine. Oder es ist tatsächlich so, daß auf den Laufstegen ästhetische Positionen formuliert und verhandelt werden, die mindestens ebenso relevant sind wie die Fragen, um die es im Kino und Theater geht.
Bei Helmut Lang war immer beides der Fall. Von Uma Thurman und Madonna in Hollywood bis zum Schriftsteller in München oder dem Dozenten für Kulturwissenschaft an einer deutschen Universität: Helmut Lang war in den neunziger Jahren der Designer, auf den sich Künstler und Intellektuelle sofort einigen konnten (und leisten konnten sie ihn sich zumindest im Outlet oder im Schlußverkauf) - und natürlich waren da nicht nur Geschmack und Kennerschaft im Spiel, sondern mindestens genauso viel Konformismus und der Wille, unbedingt dabeizusein.
Und andererseits war es immer mehr als bloß die Pose eines Parvenüs, wenn Helmut Lang seine Inspirationen bei Künstlerinnen wie Jenny Holzer und Louise Bourgeois suchte; wenn er in seinem Studio zwei Turntables aufbaute, um den Groove von House und Techno in den Schwung seiner Schnitte zu übersetzen. Arthur Rimbauds Forderung "il faut etre absolument moderne" hat kaum einer so ernst genommen wie Helmut Lang. Vor ein paar Jahren hat Lang dem Reporter des "Spiegels" erzählt, daß er seine eigenen Pläne eigentlich immer erst dann durchschaue, wenn er Distanz gewonnen habe und zurückblicken könne; solange er an einer Kollektion arbeite, treibe ihn nichts als der unbedingte Wille zur Perfektion. Und wenn man jetzt, da Helmut Lang aufhört, für Helmut Lang zu arbeiten, zurückblickt auf seine Zeit, steht einem ganz deutlich der Epochenbruch vor Augen, welchen seine Ankunft in der Welt der Mode bedeutete.
"Innovation", hat der Kunsthistoriker Beat Wyss in einem Essay über die Mode geschrieben, "Innovation unternimmt die Verhäßlichung des gültigen Geschmacks." Und, auch wenn das auf den ersten Blick ein bißchen angestrengt wirken mag: Der Moment, in dem Helmut Lang jene Schwelle überschritt, welche den Geheimtip vom Produzenten tatsächlich verfügbarer Kleider trennt, dieser Moment (es muß wohl ums Jahr 1993 gewesen sein) läßt sich durchaus vergleichen mit den Momenten, als der Punk in die Musik kam; als Andy Warhol bemalte Holzkisten der Firma "Brillo" aufeinanderstapelte und das Ergebnis Kunst nannte; als die Spielfilme aufhörten, stumm zu sein. Das Vorhandene sah in diesen Momenten nur noch alt und häßlich und irrelevant aus. Und so, wie die Wirkungen von Punk, Pop-Art und Tonfilm weit über die Spartengrenzen hinausgingen, so waren es bei Helmut Lang nicht nur die riesigen Anzugjacken aus Wolle oder Seide mit den italienischen Namen im Innenfutter, diese massiven Gebilde aus zuviel Stoff und viel zu dicken Schulterpolstern, welche in diesem Moment so alt und häßlich und irrelevant wirkten; die waren es aber ganz besonders. Langs Mode war so knapp geschnitten, saß so eng am Körper, daß die ersten seiner Anzüge die besorgte Frage provozierten, ob da einer mit seiner Kleidung in die Badewanne gestiegen sei.
Seit Baudelaire wissen wir, daß Mode das Vorhandene nicht nur durch Innovation in Frage stellt, sondern immer auch ein Jenseits des Schönen in der Vergangenheit sucht. Helmut Langs Jenseits, das waren die sechziger Jahre vor der Studentenrevolte, und in seinen Entwürfen spiegelten sich die schmalen Anzüge John F. Kennedys genauso wie die Kampfjacken Che Guevaras oder die Mäntel, die Audrey Hepburn in "Frühstück bei Tiffany" trug. Aber während Tom Ford, der Designer von Gucci, der oft zu ähnlichen Ergebnissen kam, seine Strategien nur damit begründete, daß er dem Schönheitsideal seiner Kindheit wohl immer nachstreben werde, da hatte Helmut Lang ganz andere Ambitionen. Zu einer Zeit, da das Publikum glaubte, die Postmoderne hinter sich zu haben, erinnerte Helmut Lang daran, daß das Projekt der Moderne noch längst nicht abgeschlossen war. Ein paar Jahre später setzten auch die Architekten, die Produktdesigner und nicht zuletzt die "Documenta" die klassische Moderne wieder auf die Tagesordnung.
In München lebte in den neunziger Jahren ein Regisseur und Künstler, der nahm die Herausforderung durch Langs Ästhetik so ernst, daß er sich einmal einen gelben Mantel kaufte, der ihm nicht besonders gefiel, ja den er in den ersten Wochen als richtiggehend häßlich empfand. Arthur Rimbauds "je suis crapule", ich bin häßlich, das sei einer der Heroldsrufe der Moderne gewesen, schreibt Adorno in der "Ästhetischen Theorie" - und der Künstler schwor sich, daß er diesen Mantel tragen werde, bis er ihn endlich verstanden habe; er trug ihn noch, als schon alle Knöpfe abgefallen waren (besonders gut vernäht waren die ja niemals bei Helmut Lang).
Der Künstler betrieb da ganz praktisch, was Beat Wyss in seinem Essay "Mode und Verzweiflung" und Ulf Poschardt in seinem Buch "Anpassen" auf der theoretischen Ebene versuchten: das Strickmuster der "Ästhetischen Theorie" ganz sorgfältig aufzutrennen und statt der Kunst die Mode als den roten Faden zu betrachten. "Große Künstler seit Baudelaire waren mit der Mode im Komplott", schreibt Adorno, und er meint damit Zeitgenossenschaft, Geistesgegenwart, das Risiko der Vergänglichkeit und des Verschwindens, ohne welches die Kunst akademisch werde, leblos und absolut uninteressant: "Trotz ihrer kommerziellen Manipulierbarkeit reicht Mode in die Kunstwerke tief hinein, schlachtet sie nicht nur aus."
Helmut Lang hatte seine Zeit - und daß die Uhren ganz laut tickten, das hat er vielleicht schon an dem Tag gehört, als er die Fenster seines Studios in der Greene Street in SoHo mit Folie zuklebte, weil er den Verdacht nicht los wurde, daß die Leute vom Designbüro vis-a-vis ihm mit Ferngläsern bei der Arbeit zuschauten, um als erste seine Schnitte zu kopieren; er muß es gespürt haben, wenn er über Modemessen oder durch die Geschäfte ging, es war wohl wie ein Gang durchs Spiegelkabinett - überall grinsten ihm, leicht verzerrt und oft grausam entstellt, ins Grobe und Banale verzogen, die eigenen Ideen und Entwürfe entgegen.
Helmut Lang hat sich gegen diese Zumutungen immer gewehrt, indem er einfach weitermachte; er hat sich keine neuen Gags ausgedacht, nicht aus Trotz die Wiedereinführung der Bundfalte oder der dicken Schulterpolster betrieben. Er perfektionierte lieber das, was sich schon in der vergangenen Saison als richtig erwiesen hatte, er reduzierte und verknappte die Formen immer weiter, und in den späten Neunzigern brachte er Anzüge und Mäntel heraus, die so gut saßen, daß einem beim Anprobieren immer wieder Le Corbusier einfiel, der Architekt, der einst die Vermutung geäußert hat, daß die Menschheit so lange an den Dingen arbeite, bis sie deren vollkommene Form gefunden habe. Le Corbusier dachte dabei an Phidias, den Bildhauer und Architekten, der dem griechischen Tempel die endgültige, die absolute Form gegeben habe - und wenn Helmut Lang der Phidias des Herrenanzugs ist, dann muß man wohl die abgefallenen Knöpfe, die abgestoßenen Ärmel und das eingerissene Futter, woran man nach einem halben Jahr einen Helmut-Lang-Anzug eben auch erkennt, als subversive Strategie des Designers betrachten, mit welcher er die Perfektion seiner Schnitte unterwandert.
Sein Sieg ist seine Niederlage. Helmut Lang hat seine Mode bis zu jenem Punkt getrieben, wo sie sich selber abgeschafft hat. Den Trost der Mode, mit dem noch der dümmste Designer dienen kann, hatte Helmut Lang kaum noch zu bieten: Mode hilft uns über die Erkenntnis, daß die Welt nicht besser wird, dadurch hinweg, daß sie deren Oberflächen wenigstens zweimal im Jahr anders aussehen läßt. Aber Helmut Lang, dem die eigene Zeitgenossenschaft so wichtig war, schneiderte Anzüge, die nicht aus der Mode kamen. Wozu also, wenn der alte nicht auseinanderfiel, einen neuen Anzug kaufen?
Und so kommt es, daß in dem Moment, in dem alle Mode aussieht wie Helmut Lang, von ihm abgekupfert oder jedenfalls ohne seinen Einfluß nicht denkbar ist, Helmut Lang aus der Mode verschwindet. Es ist logisch, es ist konsequent. Prada will an die Börse gehen, aber Helmut Lang macht keine Gewinne. Der Verlust ist ungeheuer. CLAUDIUS SEIDL

ehemaliges mitglied
31.01.2005, 08:25
Alpenrammler.

Martini
31.01.2005, 09:42
ich trauere mit, werner ;(
tja, das geht auf die kappe des geldgeilen bertelli (prada-chef). der typ richtet noch den ganzen konzern zugrunde, künstlerisch gesehen...das wird irgendwann so eine art benetton werden; hochprofitabel aber modisch leider völlig uninteressant; bin gespannt wann er die namensgeberin, frau prada, aus dem eigenen reich abserviert....

Smile
31.01.2005, 12:44
Original von Submaniac
Alpenrammler.

yes, aber der beste !!! 8)

vor wenigen wochen jil sander, davor hat tom ford hingeschmissen, alexander mcqueen ist völlig ausser form, nun der meister selbst ... was soll ich bitte noch kaufen ??? :(

ehemaliges mitglied
31.01.2005, 12:46
tommy hilfiger

Smile
31.01.2005, 12:48
Original von Submaniac
tommy hilfiger

:D :D :D

THX_Ultra
31.01.2005, 12:55
Nackt wie Gott dich schuf mit einer Patek am Arm - was bitte brauchst du sonst noch?

Smile
31.01.2005, 12:58
Original von THX_Ultra
Nackt wie Gott dich schuf mit einer Patek am Arm - was bitte brauchst du sonst noch?

lol ... hast recht, aber es war halt so bequem die letzten jahre ... nicht lange rumsuchen, reich rein in den lang-shop, arm wieder raus, aber glücklich ... :D

Kiki Lamour
31.01.2005, 13:14
strenesse?

Marci
31.01.2005, 13:33
die germanische jeunesse doree trägt derzeit abercrombie & fitch... :D :D

hurelässig iss d...bikkemberg :D :D :D.....von prada nur die america cup-sneaker`s..... ;)....der rest ist große scheise..... :D :D

Peter 5513
04.02.2005, 15:09
Werner, Freund, Römer:

wer in die Nautilus-Klass eingestiegen istr, kann sich mit wenn auch noch so gut designter Stangenware nicht mehr zufrieden geben.

Wer diese Uhr am Arm trägt, braucht einen Kiton-Anzug oder zumindest eine Jacke. Und er lässt sich bitteschön seine Schuhe bei John Lobb in London machen.

Alles andere geht gaaaaar nicht. Und nochmal: Helmut Lang als Designer - großartig. Die Qualität der Klamotten - H & M-Niveau.

In sofern ist der Ausstieg von ohm aus seiner eigenen Marketing-Nummer eine Chance auf die Rückkehr zum echten, ehrlichen Handwerk.

Grüße,

Peter

Peter 5513
04.02.2005, 15:11
Und noch eine Ergänzung: Wenn ich die Figur eines bulimischen 14-jährigen Knaben hätte, dann würde ich Hedi Slimane's Dior-Sachen tragen. Oder den echten YSL. Passt aba nich.

Grüße,

Peter

Smile
04.02.2005, 15:16
ok ... lol ... ich glaube, ich kann mir die Nautilus doch nicht leisten ... ;( :D

Richie
04.02.2005, 15:34
Original von Smile
ok ... lol ... ich glaube, ich kann mir die Nautilus doch nicht leisten ... ;( :D


Mein Reden, wer eine Nautilus trägt muss auch Aston Martin fahren. :D

PCS
04.02.2005, 15:43
Tja...
:))