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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Irrtum bei Angebot, Auftragsbestätigung, Rechnung - Rechte des Lieferanten???



Andi S. aus V.
09.04.2010, 11:50
Meine Frage an das allwissende Forum: ;)

In unserer Firma ist folgender Fall aufgetreten: Im System war (aus welchem Grund auch immer) für einen Artikel ein falscher, deutlich zu niedriger Listenpreis eingepflegt. Unsere Verkäufer haben Angebote auf Basis dieses falschen Listenpreises abgegeben. Daraufhin haben unsere Kunden bestellt. Sie haben eine Auftragsbestätigung und nach der Lieferung auch eine Rechnung auf der Basis des falschen Listenpreises erhalten. Da teilweise auch noch ordentliche Rabatte gewährt wurden, ist das ganze schon schmerzhaft (VK oft deutlich unter EK).

Haben wir als Lieferant jetzt noch das Recht, die Differenz nachzuberechnen oder haben wir dieses Recht durch die ebenfalls fehlerhaften Auftragsbestätigungen verwirkt? Beim Angebot kann ich mich ja noch auf Irrtum berufen. Geht das auch noch bei der Auftragsbestätigung und bei der Rechnung? Alle Vorgänge spielen sich zwischen Firman ab, Privatpersonen sind komplett außen vor.

Danke!

Andi S. aus V.
15.04.2010, 19:15
Hat keiner ne Idee? :ka:

Wurstwasser
15.04.2010, 19:31
Unbeachtlicher Kalkulationsirrtum, pacta sunt servanda. Bin aber kein RA.

NicoH
15.04.2010, 19:37
Vielleicht auch anfechtungsfähig, dann aber schadensersatzpflichtig. Malte, was sagst Du?

Wurstwasser
15.04.2010, 19:43
Anfechtung? Weswegen? Du bist der Pro!

Chefcook
15.04.2010, 19:51
Ganz unabhängig von der rechtlichen Lage: Bedenke auch, dass so eine Aktion die Kundenbeziehung nachhaltig trübt - da fehlt ganz schnell an anderer Stelle auch noch Umsatz!

Big Ben
15.04.2010, 19:55
Soweit ich informiert bin, ist das Geschäft schon mit der Auftragsbestätigung abgeschlossen. Mit der Rechnung erst Recht.

NicoH
15.04.2010, 20:06
Original von Wurstwasser
Anfechtung? Weswegen?

Inhalts- oder Erklärungsirrtum durch falsche Preisauszeichnung? :ka: Hilft aber - wegen des SchE - eh nicht weiter.


Andi, ich hatte den Thread schon vor ein paar Tagen gesehen und konnte schon damals nicht wirklich helfen.

Wurstwasser
15.04.2010, 20:15
Original von NicoH

Original von Wurstwasser
Anfechtung? Weswegen?

Inhalts- oder Erklärungsirrtum durch falsche Preisauszeichnung? :ka: Hilft aber - wegen des SchE - eh nicht weiter.


Andi, ich hatte den Thread schon vor ein paar Tagen gesehen und konnte schon damals nicht wirklich helfen.

Nein, ich würde das für einen Motivirrtum halten, der grundsätzlich unbeachtlich ist da er in der Risikosphäre des Verkäufers liegen. Ansonsten hast du natürlich wegen § 122 BGB Recht mit deinen Ausführungen :dr:

MacLeon
15.04.2010, 20:31
Ich würde Maltes Meinung folgen.

NicoH
15.04.2010, 20:37
Ich bin anderer Meinung als Ihr :cool: Aber konsequentiell ist das ja eh egal.

alicia
15.04.2010, 20:47
vielleicht ein interessantes und wahrscheinlich nicht unbekanntes Beispiel

"Quelle liefert LCD-TV für 199€

Immer wieder wird von Usern das Beispiel vom Quelle herangezogen. In 2007 bot der Versandhändler nämlich versehentlicherweise einen LCD-TV für 199€ statt 1999€ an. Als damals die Quelle Aktion “Preise wie zu DM-Zeiten” war, habe ich es mir nicht nehmen lassen auch nochmal den Anwalt, der die Kunden vertreten hatte, anzurufen und nochmal mit ihm über die Situation zu reden. Der Grund warum Quelle nämlich letztendlich doch liefern musste, ist nämlich recht leicht verständlich. Insgesamt hat nur eine kleine Anzahl von 10-20 Kunden bestellt, bevor der Preisfehler von Quelle entdeckt und auch entfernt wurde. Eine Dame hatte sich um eine Kommastelle vertippt. Die Kunden erhielten nach der automatisierten Bestätigungsmail allerdings nicht unverzüglich eine Stornierungsmail, obwohl der Fehler bekannt war, sondern nach etwa 1 Woche bekamen die Kunden eine Zahlungsaufforderung. Es wurde so argumentiert, dass der Kunde durch diese deutlich verzögerte Zahlungsaufforderung der Händler das Angebot geprüft und angenommen hat. Eine Stornomail gab es dann erst nach über 14 Tagen, was Quelle letztendlich dann auch zum Verhängnis wurde."
http://www.mydealz.de/11870/rechtliche-situation-bei-preisfehlern/

tobstar
15.04.2010, 21:10
Habe zwar selbst absolut keine Ahnung, aber ein Bekannter sagte soeben

"Ja kann sich auf Irrtum berufen, weils ein technisierter Vorgang war.
Wenn ich mich recht erinnere. Gibt auch nen BGH Urteil zu."

Vielleicht hilft es ja :ka:

blarch
15.04.2010, 21:15
Ich bin kein RA und weiss nicht um welche Summe es genau geht, aber ich würde mit meinen Kunden ein offenes Gespräch führen und Ihnen den Fall schilden. Vielleicht sind sie ja von sich aus bereit Dir ein Stück weit entgegenzukommen :ka:

Ingo.L
15.04.2010, 21:21
Was sagen die Fachleute zu diesem Netzfundstück:



Rechtsgültiger Vertrag entstanden?
Allgemein: 2 inhaltlich übereinstimmende wirksame Willenserklärungen:
Antrag (+): hier Bestellung des K
Annahme (+): hier übereinstimmende Bestellbestätigung + Rechnung des VK
Folge: Es ist ein rechtsgültiger Vertrag entstanden

Von einem rechtsgültigen Vertrag können sich die Vertragspartner ausnahmsweise durch Anfechtung lösen. (§143 BGB)

Allgemein erfordert eine Anfechtung:
1. Anfechtungserklärung (143 BGB gegenüber dem Anfechtungsgegner
2. Anfechtungsgrund (119 ff BGB)
3.Anfechtungsfrist (121 BGB
Rechtsfolge: Die Vertragspartner werden so gestellt als wäre überhaupt kein Vertrag zustande gekommen.(Vertrag ist nichtig) (§142 BGB)

Für den vorliegenden Fall bedeutet das:
1. Anfechtungserklärung?: Der VK hat explizit den Kaufvertrag angefochten "Wir fechten den ..." (+)
2. Anfechtungsgrund?: Der VK weist hier auf einen Schreibfehler bei der Angebotserstellung hin, somit beruft er sich auf einen Erklärungsirrtum gem 119 BGB (+)
3.Anfechtungsfrist?: allgemein muß „die Anfechtung ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat.“ (§121 BGB)
Ein Problem ist das Wort „unverzüglich“. Es definiert keine eindeutige Zeitspanne, sodaß
im Zweifel die Einhaltung der Frist in einem Gerichtsverfahren geklärt werden muß.

Im vorliegenden Beispiel ist der Vertrag am DO/Freitag entstanden und am Montag vom VK angefochten worden. Aufgrund des relativ kurzen Zeitraums und des dazwischenliegenden Wochenendes würde ich die rechtzeitige Erklärung des VK und damit Einhaltung der Frist auf jeden Fall bejahen.

Rechtsfolge: Der Vertrag ist nichtig. (142 BGB)

Abschließend wäre noch zu erwähnen, dass ein evtl. Schadenersatz geltend gemacht werden kann, da auf die Gültigkeit des Rechtsgeschäftes vertraut wurde( sog. Vertrauensschaden). (122,1 BGB)
Hier ist aber ein evtl Schaden nicht ersichtlich und müsste gegebenenfalls nachgewiesen werden.


quelle: www.chip.de

NicoH
15.04.2010, 21:23
Tobias, im Ergbnis hilft es nicht, weil sich der Anfechtende schadensersatzpflichtig macht. Er muss dem Kunden dann den Schaden ersetzen, den der Kunde dadurch hat, dass er es teurer kaufen muss. Der Kunde kann also die Differenz verlangen - und ob man das billig weggibt oder es wiederholt und stattdessen dem Kunden Geld gibt, dürfte betriebswirtschaftlich egal sein.

NicoH
15.04.2010, 21:25
Ingo, der letzte Absatz >>>


Original von Ingo.L
Abschließend wäre noch zu erwähnen, dass ein evtl. Schadenersatz geltend gemacht werden kann, da auf die Gültigkeit des Rechtsgeschäftes vertraut wurde( sog. Vertrauensschaden). (122,1 BGB)
Hier ist aber ein evtl Schaden nicht ersichtlich und müsste gegebenenfalls nachgewiesen werden.

... ist entscheidend ;)

Der Kunde könnte sagen: "Gut, bei Dir hätte ich € 20,- gezahlt. Der Vertrag ist jetzt angefochten und nichtig. Woanders müsste ich aber € 50,- bezahlen. Mein Schaden besteht in dieser Differenz von € 30,-".

Diese Differenz kann er als Schadensersatz verlangen.

Und ob der Verkäufer die € 30,- auszahlt oder zum Preis von € 20,- verkauft, ist wohl egal...

alicia
15.04.2010, 21:26
mal eine blöde Frage, aber

ist denn eigentlich nicht schon ein bißchen viel Zeit vergangen als dass man es noch "unverzüglich" (die Anfechtung) nennen könnte?

NicoH
15.04.2010, 21:27
Das sicher auch, Anna, natürlich.

Du solltest Rechtsanwältin werden :verneig:

Wurstwasser
15.04.2010, 21:27
Original von alicia
mal eine blöde Frage, aber

ist denn eigentlich nicht schon ein bißchen viel Zeit vergangen als dass man es noch "unverzüglich" (die Anfechtung) nennen könnte?

Unverzüglich nach Kenntniserlangung.

MacLeon
15.04.2010, 22:22
"Unverzüglich" wird meist als "ohne schuldhaftes Zögern" definiert.

Andi S. aus V.
16.04.2010, 18:45
Ganz herzlichen Dank für eure kostrukiven Antworten :gut:

Aber es ist schon eine blöde Geschichte =( Und es geht halt insgesamt um einige Tausender (allerdings bei mehreren Kunden), wären 2 bis 3 schöne Ührchen geworden.



Original von blarch
Ich bin kein RA und weiss nicht um welche Summe es genau geht, aber ich würde mit meinen Kunden ein offenes Gespräch führen und Ihnen den Fall schilden. Vielleicht sind sie ja von sich aus bereit Dir ein Stück weit entgegenzukommen :ka:

Klar, das haben wir versucht, haben aber teilweise auf Granit gebissen. Deshalb wollte ich mal von euch die rechtliche Seite checken lassen.

Vanessa
16.04.2010, 18:51
Tja, in der Situation war ich auch schon mal- falsche Kalkulation, nach 100 Stück beim kunden gemerkt (20K draufgelegt) und dann mitm Kunden gesprochen. Der hat von sich aus gesagt: Ab sofort neuer Preis und den Rest haken wir unter "Scheisse, wenn man doof ist!" ab, oder?

Recht hat er gehabt.....(Hatte noch AB´s für weitere 50 Stück)..... 8o