Lion. Mein erstes Mac Update.
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am 22.07.2011 um 11:03 (11355 Hits)
Es ist der 21. Oktober 2008 als ich, getrieben durch einen Thread im Forum, meinen örtlichen Elektronik Großmarkt betrete. Das Hirn hat an dieser Stelle schon lange ausgesetzt, der Haben wollen Instinkt die Führung übernommen.
Wenige Minuten später verlasse ich die Filiale mit dem nagelneuen Alu Unibody MacBook. Was für ein geiles Gefühl. Mein erster Mac.
Zuhause am Abend dann macht sich Ernüchterung breit. Alles so ungewohnt, als Windows User so unverständlich, keine Tastaturbeleuchtung – ein absolutes NoGo, irgendwie werden der Mac und ich nicht warm. Am nächsten Tag dann traurige Rückgabe des Gerätes an den Markt, in dem der Mac anschließend noch ein dreiviertel Jahr als Vorführer (erkennbar an meinem eingerichteten W-Lan) seinen Dienst absolviert.
Nach diesem Tag ist klar. Microsoft Windows, für immer und ewig.
Wie das so ist, manche Ewigkeiten dauern etwas länger, manche dann doch nicht ganz so lang. Der Kauf meines ersten iPhones, der Kauf meines zweiten iPhones und der Kauf meines dritten iPhones lassen mich immer mehr in die Apple Welt gleiten und so reift der Entschluss, es noch einmal mit einem Mac zu versuchen.
Als im Januar 2010 mein damals nicht einmal 10 Monate altes Thinkpad den Geist aufgibt, geht alles ganz schnell. Dieses Mal wird es ein MacBook Pro, gleiches Design wie das zuvor geaufte MacBook aber diesmal mit Tastaturbeleuchtung und der Mangel an alternativen Rechnern zwingt mich, nicht ganz so schnell aufzugeben.
Irgendwie fühlt sich diesmal alles richtig an und nach mittlerweile anderthalb Jahren kann ich sagen, das Arbeiten am Computer war nie entspannter. Alles läuft, keine Sorgen mehr, die Ärgernisse halten sich in engen Grenzen, wenn sie denn überhaupt da sind und wie sehr einen ein Windows Rechner Nerven kostet kann man wirklich erst einschätzen, wenn man ein paar Monate mit einem Mac gearbeitet hat und dann mal „schnell“ was an einem Windows Computer machen will.
Snow Leopard ist intuitiv, durchdacht, perfekt.
Doch das Bessere ist der Feind des Guten und so sitze ich im Juni mit meinem iPad (womit auch sonst als infizierter Apple Junkie) im Flugzeug und schaue mir die Keynote zu Mac OS-X 10.7 Lion an. Die Dinge, welche dort vorgestellt werden begeistern mich vollkommen. Alles noch besser. So cool. Ein Wahnsinn. Einzig der Punkt Mission Control bleibt mir zunächst ein Rätsel. Denn in der Keynote kann ich keinen Vorteil gegenüber Spaces erkennen. Aber da habe ich sicher nur nicht alles verstanden.
Am 14. Juli soll Lion erscheinen. Ich bin extrem unruhig, kann es kaum erwarten. Es erscheint nicht. Erst eine knappe Woche später, am 20. ist es dann soweit. Und ja, ich bin sowas von geil drauf.
„Nimm niemals eine Nuller Software beim Mac“ rät mir ein guter Freund. Für diesen Rat könnte ich ihn augenblicklich ohrfeigen! Denn ich weiß, er kennt sich aus. Einerseits bin ich auf meinen Rechner angewiesen, andererseits will ich nicht einen Tag länger ohne das Ausprobieren der neuen Funktionen leben. Was tun? Ein Dilemma!!
Die Lösung ist gleichermaßen einfach wie genial. „Du Schatz, da gibt es jetzt ein ganz tolles Update für Dein MacBook. Soll ich Dir das mal aufspielen?“ Ohne die Antwort abzuwarten installiere ich Lion auch schon auf dem MBP meiner besseren Hälfte.
An diesem Abend sieht sie ihren Computer – und mich – nicht wieder. Alle neuen Funktionen werden ausgiebig getestet. Was bleibt ist ein zutiefst verunsicherter Mac Jünger der sich immer mehr fragt, was das jetzt alles soll.
Klar, Lion ist cool, die Optik, die Gesten. Sich dort durch zu navigieren macht gewaltig Spaß. Alles geht schnell, flüssig, ist optisch genial umgesetzt. Das Wischen im Safari, die History vor und zurück, das Wechseln der Apps, alles fast wie beim iPad.
Und genau hier liegt das Problem. Das iPad ist ein schönes Gerät zum Surfen auf dem Sofa, zum Film schauen im Flieger und als Notfall Rechnerersatz im Urlaub. Der Mac hingegen ist der Arbeitsrechner. Vor ihm sitze ich täglich und mit ihm arbeite ich meine 12 bis 16 Stunden jeden Tag. Gefühlsmäßig führt Lion den Mac weg vom Arbeitsrechner, hin zu einem Betriebssystem für Freizeit und Spaß.
Mission Control als Weiterentwicklung von Spaces ist grundsätzlich nicht schlecht gedacht, doch die Umsetzung ist mehr als fragwürdig. Denn wirklich als übersichtlich empfinde ich dieses Konzept bisher nicht. Das Anordnen der Schreibtische, der Überblick, das Verschieben von Fenstern, all das ist unter 10.6 bedeutend einfacher. Auch der Wegfall einiger Funktionen wie beispielsweise der Leiste der geöffneten Programme, die jetzt nicht mehr per Geste sondern nur noch per Tastenkombination aufrufbar ist, macht das Arbeiten bei teilweise über 30 geöffneten Programmfenstern nicht wirklich einfacher.
Im Gegenteil. Von einem Programm in ein bestimmtes anderes Programm auf einem anderen Schreibtisch zu wechseln ist wesentlich umständlicher geworden und dauert entsprechend länger. Vom Verschieben unterschiedlicher Programmfenster zwischen den Schreibtischen ganz zu schweigen. Unter Spaces täglich genutzt, funktioniert dies mit Mission Control nun einfach überhaupt nicht mehr.
Wie kann man eine ganze Reihe so nützlicher Funktionen einfach ersatzlos streichen? Man bleibt verwundert zurück, fühlt sich leicht bevormundet.
Und auch bei der Gestensteuerung hat man das Gefühl, dass Apple sich und dem Enduser ein wenig zu viel zumutet. Zwei Finger, drei Finger, Vier Finger, intuitiv ist dieses Konzept zumindest nicht mehr. Man muss es auswendig lernen und wehe man hat beim Wischen einen Finger versehentlich außerhalb des Trackpad Bereichs. Augenblicklich hat man das Gefühl, der Mac macht komplett was er will.
Dumm auch, dass das Konzept Mensch für gewöhnlich leider nur fünf Finger an einer Hand hat. Denn so ist die Anzahl der Steuerungen begrenzt und bisher liebgewonnene und in Fleisch und Blut übergegangene Gesten funktionieren nicht mehr. So die bereits angesprochene Programmwechselleiste oder das Springen zu Seitenanfang bzw. –ende. Das Vor- und Zurückspringen in verschiedenen Programmen wie dem Finder kann man glücklicherweise in den Einstellungen wieder reaktivieren. Dass man im Mail Programm nun mit den Fingern nach rechts wischen muss um eine Mail weiter nach unten zu kommen ist zwar nur eine Kleinigkeit, trotzdem zeigt es, irgendwie ist das nicht das selbsterklärende intuitive Bedienkonzept, was mir Apple unter Snow-Leopard so schmackhaft gemacht hat.
Mail ist übrigens für mich der größte Pluspunkt, das überzeugendste Feature an Lion. Ein großer Sprung nach vorne, was Übersichtlichkeit und Nutzerfreundlichkeit angeht. Das kann man leider nicht von allen Apps behaupten. Der neue iCal Kalender ist optisch eine Frechheit und im Vergleich zum Vorgänger für mich unbrauchbar.
Erstaunlich wenig Probleme übrigens macht die neue Scrollrichtung. Anfangs ungewohnt sollte man sich in kurzer Zeit daran gewöhnt haben.
Mein erstes großes Mac Update, alles in allem irgendwie eine Enttäuschung. Der Ratschlag, nicht auf die Nuller Version zu gehen, ist absolut richtig. Keine Ahnung, ob 10.6 von Anfang an so perfekt war. Ich gebe jedenfalls die Hoffnung nicht auf, dass einige Features, Gesten und Auswahlmöglichkeiten im Laufe des Zeit wieder in Lion zurückkehren. Bis dahin bleibt mein MBP erst einmal auf Snow Leopard.