Challenge accepted: Mont ventoux, part 2
von
am 17.07.2012 um 21:30 (12222 Hits)
Da oben: traumschön! Eine berauschende Stimmung liegt in der Luft. So auf 1400 Metern liegt einem die Provence zu Füßen, alles wirkt wie Spielzeug, der Blick geht unendlich weit und die etwas kühlere Höhenluft tut ihr übriges. Die Radfahrer kommen nun von allen 3 Straßen auf das Chalet zu. Die erkennbare Fitness der Menschen hier ist überwältigend! Sowas hab ich tatsächlich in dieser Massierung noch nie gesehen. Aber, und das hat mich gefreut: ich bin auch hier angekommen. Und weise erstaunlicherweise keinerlei Ermüdungserscheinungen auf. Fit wie ein Turnschuh, das hier ist richtig cool! Wir ziehen uns ein halbes Baguette und ein paar Getränke und nach etwa 10-minütiger Pause gehts weiter auf den Gipfel.
Der Gipfel hat was von einer Wüste. Die Baumwachstumsgrenze ist messerscharf. Eben noch Bäume, jetzt nur noch Geröll. Man sieht nur Geröll, sonst nichts. Kilometerlang nur Geröll. Die Sonne brennt. Kein Schatten, kein Baum, nichts. Die Straße ist gerade und sie ist steil. Verdammt steil. Hier stößt meine Schaltung an ihre Grenzen. Ich kann nicht weiter runterschalten und jeder Tritt ist ein Kampf. Am Anfang geht es noch ganz gut, dann irgendwann, nach 1,5 von 6 Kilometern, muß eine kleine Pause sein. Eine Minute, nur kurz was trinken. Geht aber rasch wieder, auf an die nächsten 1,5 km. Aus den geplanten 1,5 km wurden 800 m. Kleine Pause, weiter. Aber es ging mir nicht allein so. Jetzt kommen nur die echten Könner rasch weiter, der Rest reiht sich mit mir in die Phalanx der Stümper ein. Aber auch hier gilt: die Alternative zum oben ankommen ist oben nicht ankommen. Prinzipiell sind wir alle Helden hier. Und wir wissen das. Und deswegen geben wir nicht auf. Keiner. Und deswegen nehmen wir diesen "stupid Mountain" hier, wie ihn mein Holländischer Leidensgenosse nennt, weiter. Meter für Meter. Die nächste Serpentine, die nächste Kurve, die nächste kleine Pause. Langsam kommen die ersten Fotografen, die einen in motion (LOL) ablichten und deren Bilder man später im Internet runterladen kann. Die sind cool. Und motivierend. Ein Bus mit holländischen Schönheiten fährt vorbei, Ziel ist der Turm. Sie feuern jeden an. Auch mich. Natürlich war nur ich tatsächlich gemeint, die anderen halt zufällig da. Jaja, die dünne Luft macht sowas mit einem. Aber es hilft, es geht voran, schnell und immer schneller. Die letzten hundert Meter nehm ich mit fast 20 km/h. Es ist so toll hier!!
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Oben ist es wirklich toll. Wer jetzt oben ist, ist entweder ein Held oder mit dem Auto gefahren. Einer ist sogar hochgejoggt. Es liegt so eine Siegerruhe in der Luft. Bissi so wie beim Forums-Weihnachtstreffen, wo auch alle wissen, daß sie leider geil sind und es da nix zu debattieren gibt. Equipment wird begutachtet - Standardkurbel haben hier nur die 50-kg-Checker und ich , meine Schaltung wird tatsächlich ein paar mal fotografiert, paar Sprüche gemacht und die Aussicht genossen. Diese gigantische Aussicht! Hier oben auf 1912 Höhenmetern ist man echt fernab der Welt da unten. Die steile Strecke, auf der man eben noch gelitten hat, liegt da wie eine verheißungsvolle Schärpe. Sie ist gesäumt von Radlern, die gleich ankommen werden. Ma niggaz!
Erstaunlicherweise ist das hier oben recht schnell abgefrühstückt. It's not the having, it's the getting. Noch schnell was getrunken, Rad gerichtet, Equipment gerichtet. Runter gehts.
Erkenntnis 3: Rauf ist besser als runter
Der Ritt runter war die Hölle! Die ersten 6 km waren noch richtig lustig. Da waren die Straßen perfekt. Kurz nochmal Stopp im Chalet gemacht und nachgetankt. Und dort festgestellt, wieviele unserer Aufstiegsgefährten den Gipfel nicht geschafft haben. Schau mal an, hätte ich nicht gedacht. Das köstliche Bergquellwasser upgeloaded und weiter den Berg runter nach Sault. Und das war echt übel.
Die Straßen sind mitunter lausig in der französischen Provinz. Man merkt das insbesondere, wenn man mit knapp 70 km/h auf einem Ultraleichtrad mit 3-stelligem Bruttofuhrengewicht runterballert. Am Anfang ist das noch ganz amüsant, aber spätestens, wenns einem das 3. Mal schier den Lenker verreißt, merkt man, daß man hier echt mit anderen physikalischen Kräften zu kämpfen hat. Der Seitenwind tut sein übriges. Und überhaupt: Schnautze voll. Ich war oben, das muß reichen. Die Abfahrt ist qualvoll und schmerzlich. Ich bin froh,als ich endlich wieder in Sault bin. Vriesi versteht mich, wir verladen das Equipment und gehen eine lausige Pizza essen - diese lausige Pizza nehme ich dem Verkäufer bis jetzt übel. Wir hatten so Schmacht auf was anständiges und dann dieser Tritt in den Magen. Wir ziehen halbhungrig von dannen und fahren heim in unser Domizil, wo wir fachgerecht amPool gepflegt und verköstigt werden.
Epilog: Das kann einem keiner nehmen.
Am Ende stelle ich fest, daß so ein Berg dann auch nur bissi länger und steiler ist als das, was hier geboten wird. Immerhin bin ich hochgekommen, kann also so ein Deal nicht sein. Sicher: der Rekord liegt wohl bei knapp unter 1 Stunde. Aber wir kamen ja auch an Denkmälern von Typen vorbei, die auf just dieser Etappe totgedopt vom Rad gefallen sind. Wir haben knapp 3 gebraucht. Vriesi hätte wohl nur 1.5 gebraucht, ich mit Compactkurbel vielleicht 2,5. Egal. Sicher: ein geübter Fahrer legt sowas sicherlich problemlos täglich hin. Egal. Ich wollte hoch, ich war oben. Mein Coach hätte nicht gedacht, daß iches schaffe, ich war mir eigentlich ziemlich sicher. Aber auch nicht hundertpro. Obwohl, doch.
Der Jogger hat mich provoziert. Nächstes Jahr fahr ich mit dem Bike zum Chalet und lauf den Rest. Scheiß auf die Kurbel.