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Wie kann ein Uhrenhersteller wie IWC von sich behaupten, die zugelieferten ETA-Großserienwerke so zu behandeln, als wären es eigene Manufaktur-Kaliber?
Welche Änderungen werden z. B. bei einem ETA-Valjoux 7750 durchgeführt, bevor es bei IWC in einen Chronographen eingebaut werden darf?
Viele Uhrenhersteller kaufen ihre Kaliber beim Rohwerk-Großserienhersteller ETA. Dieser hat einen reichen Fundus, und man findet Ausführungen für fast jede Uhr. Für viele Uhrenliebhaber ist das aber gerade ein Grund, vor einer bestimmten Uhr zurückzuschrecken, da die Attraktivität des begehrten Stückes mit einem Allerwelts-ETA-Werk nicht besonders groß ist. Was wäre aber, wenn ein Hersteller, so wie IWC Schaffhausen, das wirklich gute Serienkaliber ETA-Valjoux 7750 für seine Chronographen und das ETA 2892-A2 für die Mark XV einsetzt, jedoch an diesen Kalibern mannigfaltige Modifikationen vornimmt? Was spricht gegen ein ETA-Werk? Eigentlich nur die Tatsache, dass es eine ungemein große Verbreitung hat und deshalb nicht unbedingt gerade exklusiv ist. Für dieses Kaliber spricht aber, dass es gerade wegen der hohen Fertigungsstückzahlen ein sehr ausgereiftes und technisch einwandfreies Uhrwerk ist. Es gibt keine Kinderkrankheiten, und es wird ständig weiterentwickelt. Warum also soll IWC auf diese Vorteile verzichten und das sicherlich beste Großserien-Chronographenwerk und -Automatikwerk für seine Uhren nicht verwenden? Andere Uhrwerke böten sich natürlich auch an, doch aus wirtschaftlich-technischer Sicht ist die Entscheidung für das 7750 und 2892-A2 garantiert die richtige.
Was macht IWC mit diesen Kalibern, und warum behauptet IWC, es wie eigene Manufakturwerke zu behandeln? IWC kauft den besten Großserienmotor und betreibt auf dessen Basis feinstes Motorentuning. Man könnte also sagen, dass IWC das macht, was AMG mit Mercedes-Motoren, Alpina mit BMW-Motoren oder Abt mit VW- oder Audi-Motoren macht. Gekauft werden jeweils Serienmotoren, und diese werden dann nach entsprechenden Erfahrungen optimiert, getunt usw.
Im Falle des Valjoux 7750 sieht das dann so aus: Das komplette Kaliber wird als Bausatz, zerlegt in alle seine Einzelteile, geliefert. Bestellt wird nur die beste mögliche Qualität, die sogenannte ?Chronometer-Ausführung?. Sind die Teile in Schaffhausen eingetroffen, werden sie zuerst einmal optisch kontrolliert und dann stichprobenweise genauestens überprüft. Einige Bestandteile des Original-ETA-Kalibers kommen erst gar nicht zum Einsatz, sie werden durch andere, meist teurere und bessere ersetzt. Als gutes Beispiel kann die Hemmung dienen, sie wird separat nach genauen technischen Vorgaben bestellt und erst am Ende der Montage in das Kaliber eingefügt. Die Änderungen beginnen aber bereits viel früher, so werden bei dem für den ?Portugieser?-Chronographen verwendeten Valjoux 7760 (das gleiche Werk wie das 7750, nur als Handaufzug ausgeführt) sämtliche Metallager durch Steinlager ersetzt. Eine Fachkraft drückt händisch alle Lager zuerst aus dem gelieferten Kaliber heraus und ersetzt sie dann durch die besseren und teureren Steinlager. Ein Aufwand, der besonders der Langlebigkeit des Werkes zugute kommt. In der Version 7750 kann man sich diese Übung ersparen, da es nur Steinlager besitzt, dafür werden hier gleich mehrere Zahnräder getauscht. Eines zum Beispiel, es ist Teil des automatischen Aufzuges, wird von ETA mit drei Löchern geliefert, damit es maschinell bearbeitet und von Greifarmen transportiert werden kann.
IWC hat festgestellt, dass genau dieses Rad an den drei Stellen, wo die Löcher gestanzt wurden, bedingt durch das unweigerliche Höhenspiel der Zahnräder und die abstehenden kleinen Späne vom Stanzvorgang, ganz leicht an einer darüberliegenden Brücke reibt und so für Unmengen feinen Metallstaubs im Uhrwerk sorgt. Kurzfristig sicherlich kein Problem, doch über eine längere Zeit eine weitere Komponente, die unter Umständen für Unannehmlichkeiten sorgen könnte.
Es ließen sich noch weitere solche Beispiele aufzählen, doch dies würde den Rahmen sicherlich sprengen.
Kommen wir nochmals zurück zur Hemmung des Uhrwerks. Bevor sie zum Einbau freigegeben wird, kontrolliert eine Regleuse (spezielle weibliche Fachkraft mit Uhrmacherausbildung) jede einzelne Spirale dahingehend, ob sie nicht an irgendeiner Stelle unrund läuft. Wie geht das? Ganz einfach, sie hält die Unruhe, samt Spirale, mit Hilfe einer eigenen Vorrichtung in der Hand und dreht sie. Nun sieht die Regleuse mit ihrer Lupe, ob sich die Spirale in schönen konzentrischen Kreisen auseinander bewegt. Tut sie das nicht, dann biegt sie die Spirale so lange leicht nach, bis sie einwandfrei läuft. Ein Aufwand, der sich auch wieder nur in der Summe der Einzeleingriffe bemerkbar macht, der aber für den optimalen Gang des Uhrwerkes unerlässlich ist. Höhepunkt dieser verschiedenen Tuningmaßnahmen ist der Tausch des Federhauses. An den Kalibern 7750 und 2892 A2 wird viel modifiziert und dadurch sinkt der Kraftbedarf der Uhrwerke derart, dass das von der ETA gelieferte Federhaus viel zu stark für das ?neue? IWC-Kaliber ist. Der Vorteil für den Kunden liegt darin, dass durch das neue und schwächere Federhaus sämtliche Bauteile des Kalibers weniger beansprucht werden, da sie weit geringeren Kräften ausgesetzt sind, und das bringt vor allem eine längere Lebensdauer.
Es ist also nicht übertrieben, wenn IWC Schaffhausen behauptet, die zugekauften ETA-Kaliber so zu behandeln wie eine eigenes Manufakturwerk. Die verschiedenen am Kaliber durchgeführten Modifikationen und die große Sorgfalt, die man diesen Werken angedeihen lässt, machen aus den ehemaligen ETA-Werken ein anderes Uhrwerk. ETA ist also nicht immer gleich ETA, selbst wenn das fälschlicherweise immer wieder behauptet wird. Warum verzichtet IWC auf das Jaeger-LeCoultre-Kailber 889/2? Einerseits hat sich über die Jahre gezeigt, dass das Werk für die robuste Mark XII letztendlich viel zu filigran und stoßempfindlich ist, und es ist auf Grund seiner Konstruktion nicht die Idealbesetzung für eine relativ sportliche Uhr ist. Andererseits gab es auch ständige Lieferschwierigkeiten von Seiten von Jaeger-LeCoultre. Die Manufaktur in Le Sentier hat einen sehr hohen Eigenbedarf und kommt mit der Fertigung kaum nach.
Um es mit den Worten des IWC-Produktmanagers zu sagen: Ein gutes Stück Rindfleisch finden Sie in vergleichbarer Qualität in verschiedenen Metzgereien. Erst durch den Koch wird daraus ein zähes oder herausragendes Stück Fleisch.
In diesem Sinne ist es wirklich berechtigt, von einem Manufakturkaliber zu sprechen. Ausserdem: Das 2892 und auch das 2824 sind ohnehin schon herausragende Werke. Und punkto Exklusivität ist das Kaliber 3... von Rolex ja auch nicht gesegnet.
Manufaktur bedeutet aber auch, dass teilweise Fehler passieren. Wie überall. Spätestens hier zeigt sich dann der grosse Unterschied zu den anderen Marken: IWC ist für mich unerreicht, wenn es um die Kundenkommunikation und -zufriedenheit geht.