Zum Thema Reglage an Rolex-Kalibern gibt es im Netz ja schon einige Artikel. Ich möchte euch trotzdem meine Erfahrungen mitteilen und sei es nur, damit im Tech-Talk mal wieder was passiert.
Also, es geht um diese Uhr:
Meine „Rock-Dweller“, die Triple Six fürs Grobe, Biken an der Isar, Campingurlaub, etc. Die Gute läuft ca. 10-12 Sekunden pro Tag vor. Das nervt. Die kann man jetzt natürlich zu Wempe oder Bucherer tragen und das machen lassen. Ich mach die Dinge (zumindest wenn es um Mechanik geht) aber gerne selber. Also los. Mir geht es dabei übrigens nicht darum, dass die Uhr die Prüfvorschrift (also in den unterschiedlichen Lagen mit vorgeschriebener Dauer) erfüllt. Davon hab ich nichts. Die soll an meinem Arm mit meinen Tragegewohnheiten genauer laufen. Selbst gesetztes Ziel: Zwischen 0 und +4 Sekunden pro Tag.
Zunächst einmal ein bisschen (zugegebenermassen vereinfachte) Theorie (wer früher in der Schule schon keinen Bock auf Physik hatte, kann ja in der Zwischenzeit ein bisschen mit dem Stuhl kippeln und Bandnamen auf seine LV-Lederwaren kritzeln). In der 16660 ist das Kaliber 3035 verbaut. Die Unruh sieht so aus:
Diese schwingt im Idealfall mit exakt 28800 Halbschwingungen pro Stunde. Das sind 8 Halbschwingungen pro Sekunde, oder 4 ganze Schwingungen pro Sekunde. Eine einzelne Schwingung dauert also 0,25 Sekunden. Um ein Gefühl für die Größenordnungen zu bekommen, um die es hier geht, mal eine kleine Überschlagsrechnung: Meine Uhr läuft 10 Sekunden pro Tag zu schnell. Das sind dann 0,4 Sekunden pro Stunde, oder 0,000116 Sekunden pro Sekunde, oder: 0,000029 Sekunden pro Schwingung der Unruh. Der Job besteht also darin, die Unruh dazu zu bringen, sich für eine Schwingung doch bitte 3 Hunderttausendstel-Sekunden mehr Zeit zu nehmen.
Rolex hat sich dafür entschieden, die Schwingungsdauer über das Trägheitsmoment der Unruh zu beeinflussen. Der Zusammenhang ist folgender:
T=Schwingungsdauer, J=Trägheitsmoment, D=Drehfederkonstante
Man sieht also: Wenn das Trägheitsmoment größer wird, wird auch die Schwingungsdauer größer. Die Uhr läuft langsamer. Aber wie erhöht man jetzt in der Praxis das Trägheitsmoment? Das beschreibt diese Formel:
J=Trägheitsmoment, m=Masse, r=Radius, d.h. Entfernung eines Massepunktes von der Rotationsachse
Wenn man also Masse an der Unruh weiter von der Achse entfernt (sprich, man dreht die sogenannten Micro-Stella-Schräubchen ein Stück rein), dann wird das Trägheitsmoment größer, die Uhr wird langsamer. Die Unruh des 3035-Kalibers hat 4 Stellschrauben, jeweils gegenüberliegend 2 kleine und 2 etwas größere. Wenn man die beiden kleineren Schrauben um ca. 5 Grad reindreht, wandern sie ein paar tausendstel Millimeter von der Achse weg, was die Uhr dann ungefähr 1 Sekunde pro Tag langsamer macht. Macht man das gleiche Spiel mit den größeren Schrauben (die eine doppelt so große Masse haben), wird die Uhr ca. 2 Sekunden pro Tag langsamer. Man muss übrigens immer beide gegenüberliegenden Schrauben justieren, damit keine Unwucht entsteht.
Soviel zur Theorie. Nun zur Praxis. Band ab.
Erstmal auf die Zeitwaage und messen. Krone oben:
Mit Glas oben:
Okay, dann versuchen wir mal, das Ding ca. 8 Sekunden langsamer zu machen. Erstmal auf den Gehäusehalter und öffnen.
Hm, gefällt mir nicht. Diese Aufnahme-Dome des Standard-Gehäusehalters sind doch eine eher wackelige Angelegenheit. Wenn da beim Aufschrauben was verkippt… Bauchgrimmen. Aber wozu hab ich denn Konstruktionstechnik studiert? Rapid-Prototyping gibt’s inzwischen auch für jedermann via Internet. Das Ganze garniert mit 2 Passstiften, einer Innensechskantschraube und etwas Filz - voila!
Na also, geht doch. 100% wackelfrei.Jetzt wird’s kulinarisch - Austern öffnen.
Hier kann man die Schrauben an der Unruh gut erkennen. Ich habe mich dafür entschieden, nur über die kleinen Schrauben und entsprechend viel Drehwinkel zu regulieren. Das Werkzeug:
Jetzt ist eine ruhige Hand gefragt, da hilft ein Glas Schaumwein. Den eigentlichen Reguliervorgang konnte ich nicht fotografieren, da mir eine 3. Hand fehlt. Sieht aber so aus wie in dieser Rolex-Service-Broschüre: Mit der Pinzette die Unruh halten und mit dem Microstella-Tool die Schräubchen verdrehen. Vorsichtig, vorsichtig, bloss nicht die Feder beschädigen oder die Zapfen abbrechen.
Dann wieder Deckel drauf und testen. Oops, das war wohl des Guten ein bisschen zu viel.
Also nochmal aufmachen und ein bisschen zurückdrehen.
Okay, das war’s. Wieder zusammenbauen und ran an den Arm.
Abweichung nach 24 Stunden tragen: 4 Sekunden. Knapp im Ziel.
Danke für’s reinschauen.
Gruß
Erik
Ergebnis 1 bis 20 von 46
Hybrid-Darstellung
-
17.01.2016, 18:10 #1
Nun mal langsam, Triple six! (3035 Reglage)
"Ich bin Mr. Wolf. Ich löse Probleme."
-
17.01.2016, 18:15 #2
-
17.01.2016, 18:17 #3
Erik chapeau
würde mich es niemals trauen, zum Glück läuft meine 666 ohne Gangabweichung
Grüße„Wir werden vom Schicksal hart oder weich geklopft; es kommt auf das Material an.“
-
17.01.2016, 18:20 #4
Sehr cool; aber wohl nicht zur Nachahmung für jedermann empfohlen.
-
17.01.2016, 18:21 #5
Sehr anschaulich. Vielen Dank.
Zumindest ich werde meine Uhren aber immer noch zu XYZ tragen.
Da traue ich mich nicht ran.
Gruss. Ulf
-
17.01.2016, 18:23 #6
war also doch nicht nur so beim Kaffee dahergesagt
So kenne ich dich.
absolut genial.Gruß Robert
-
17.01.2016, 18:25 #7
coole Nummer und toller Bericht!
VG
Thomas
-
17.01.2016, 18:35 #8
Respekt.
Gerald
Wenn man mit seinem Zweitwagen zu seinem Drittwagen fährt und merkt, dass man den Schlüssel des Drittwagens in seinem Erstwagen vergessen hat, dann weiß man einfach: Man hat es geschafft.
-
17.01.2016, 18:45 #9
Respekt und Danke für den schönen Bericht.
Gruß, Michael.
-
17.01.2016, 18:48 #10
-
17.01.2016, 19:12 #11
-
17.01.2016, 19:15 #12
braucht der gehäusehalter nicht nen sockel? so als gegenwicht zum druck den man beim öffnen ausübt.
-
17.01.2016, 19:15 #13
- Registriert seit
- 18.02.2004
- Ort
- Ditschiland
- Beiträge
- 27.230
Super,mehr solche Beiträge
VG
Udo
-
17.01.2016, 19:23 #14
-
17.01.2016, 19:33 #15
Tolle Aktion!
Wer kann, der kann.
Die Traute hätte ich nicht.
Habe schon immer Bammel,
wenn ich die Schräubchen einer Faltschließe versetzen muss.NO ROLEX, NO CRY
Servus
Alex
-
17.01.2016, 19:38 #16
Bin beeindrucht, Erik
. Danke für den Beitrag
Gruß, Hannes
-
17.01.2016, 19:39 #17
-
17.01.2016, 19:40 #18
Sehr geil, Erik, sowas selber zu machen.
Hexenwerk ist es an sich nicht, aber man benötigt das passende Werkzeug.
Hier im speziellen das Teil für die Microstella-Schrauben.
Und der Eigenkonstruktion-Gehäusehalter...Ich bin nicht die Signatur, ich Putz hier nur.
Grüße, Thorsten
-
17.01.2016, 20:00 #19
Vielen Dank für's teilhaben lassen.
Richie
-
17.01.2016, 20:46 #20
Danke fürs zeigen
Gruß Dino
...always surprising
Ähnliche Themen
-
Erfahrung mit Uhrmacher in Bielefeld (Reglage)?
Von Doktor Krone im Forum Rolex - Tech-TalkAntworten: 4Letzter Beitrag: 20.06.2011, 14:42 -
Reglage: verschiedene Uhrmacherstile?
Von Doktor Krone im Forum Rolex - Tech-TalkAntworten: 10Letzter Beitrag: 22.02.2009, 23:14 -
14060M zurück aus Réglage
Von 6r4nko im Forum Rolex - Tech-TalkAntworten: 10Letzter Beitrag: 20.06.2008, 12:05 -
Omega Kaliber 3303 & Reglage...
Von falkenlust im Forum OmegaAntworten: 6Letzter Beitrag: 09.11.2005, 16:01 -
Gehäuse öffnen Reglage bei Häffner
Von JLC im Forum Rolex - Haupt-ForumAntworten: 19Letzter Beitrag: 08.04.2004, 13:13
Lesezeichen