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  1. #241
    Freccione Avatar von Street Bob
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    Ausrufezeichen

    Bodybuilding

    Das Bodybuilding kennen wir Älteren schon aus den Siebzigern. Helden wie Arnold Schwarzenegger, Lou Ferrigno und Frank Zane hingen in jedem Studio. In den Gyms wurde beim Training noch richtig gebrüllt, und es gab nur einen einzigen echten Shake, bestehend aus Eiweißpulver, Grapefruitsaft und einem rohen Ei.
    Durch viele Veranstaltungen mit all den Profis habe ich einiges von dem Sport verstanden und kann so dem interessierten Laien vielleicht einen kurzen Einblick geben in diese Sportart, die eine der härtesten der Welt ist.

    Das Essen wird für manche Athleten zur Qual. Off season müssen sie alle paar Stunden gigantische Mengen Eiweiß und Kohlehydrate in sich hineinschaufeln, um Muskelmasse aufzubauen. Dazu kommt ein enormer finanzieller Aufwand für diverse Mittelchen und Präparate, die meist auf der Dopingliste stehen. Aber davon allein wird man nicht massig. Die Legende, Bodybuilder hätten keine Kraft und seien nur aufgepumpt, ist völliger Blödsinn. Was dort im täglichen Training an Eisen bewegt wird, ist von einem Stahl- oder Straßenbauer selbst im Akkord nicht zu bewältigen. Die Jungs sind saustark.

    Das ändert sich, wenn der Athlet in die Definitionsphase einsteigt. Jetzt heißt es abnehmen, ohne Muskelmasse zu verlieren. Markus Rühl wiegt off season 150kg und zeigt auf der Bühne strohtrocken und definiert 125kg Muskelmasse. Diese Diät ist abartig, kein Salz, zum Schluss keine Kohlehydrate, wenig Wasser. Für mich sind die, auf Deutsch gesagt, alle bekloppt, was das angeht. Wer tut sich das an???? Dazu ist der Wettkampf abartig anstrengend, selbst beim Lineup sind alle Muskeln unter Dauerbelastung. Oft sieht man auch Athleten einfach umfallen. Geld verdienen dabei netto wirklich nur sehr wenige. Aber das muss halt jeder mit sich selbst ausmachen. So habe ich weder die Muskulatur noch Bock auf so etwas. Die Wirkung insbesondere der Wachstumshormone ist oft verheerend: es wachsen nicht nur die Muskeln. Sicher hat sich der ein oder andere schon gefragt, warum bei manchen Athleten der Bauch vorgewölbt scheint, obwohl ein mit Adern übersähtes Sixpack zu sehen ist: darunter wachsen Organe!!


    Ein gutes Beispiel für kräftige Bodybuilder war mein alter Kollege Frankie, ebenfalls BSA-Athlet. Er war nicht nur Internationaler Deutscher Meister im Bodybuiling, sondern noch zwei Jahre zuvor noch Weltmeister im Powerlifting, davor vierfacher Vizeweltmeister und Weltrekordhalter im Kreuheben.

    Anhang 140759

    Er hatte gute Voraussetzungen - gelernter Fleischer, später Straßenbauer und vom Boxen über das Powerlifting zum Bodybuilding gekommen. Ein echter Berliner Jung, ca. 170 groß und 100kg schwer, leider mit schlechten Augen und einer starken Brille.

    Seinen Weltmeistertitel feierten wir mit der BSA-Combo in der Bar des Golfhotels Juliane. Wir waren zu acht oder neunt: BSA-Chef Ralf H., der im Hotel lebte, sein Assistent Sven, Michael Brügger, Frank, Ralf Gierz, ich, etc. .... . Die Athleten und ich waren alle im schwarzen BSA-Sportleroutfit, Ralf und Sven natürlich in Anzügen.

    Neben uns feierte eine größere Gruppe von Managern eines japanischen Automobilherstellers feuchtfröhlich die erfolgreiche Präsentation eines neuen Coupés. Offenbar wunderten sich aus dieser Gesellschaft einige der sichtlich angetrunkenen Schlipsträger über das für sie seltsame Äußere unserer Combo und hatten vom Barkeeper wohl erfahren, dass der kleinste von uns (Franki) wohl gerade Weltmeister "in irgendwas" geworden war.

    Sofort lösten sich einige der besoffenen Erfolgstypen aus ihrer Gruppe, umringten Frank, und einer fragte ihn breit grinsend:

    "Na Kleiner, was bist denn Du für ein Weltmeister? Gib uns doch mal ein Autogramm" und so weiter.
    Der berlinerte höflich, er habe keine Autogrammkarten dabei, diese seien im Auto.
    "Was, Du kleiner Weltmeister, Du fährst besoffen Auto?" und so weiter. Sie kannten Frankie nicht. Der arme Frankie war total irritiert, mit Verbalinjurien hatte er nicht gerechnet. Und es kam, was kommen musste:

    Mit einer fast unsichtbaren kurzen Rechten ans Kinn stimmte der sichtlich überforderte Berliner Jung dem Großmaul im Dress dermaßen den Tempelgong, dass dieser die Augen absonderlich verdrehte und sofort an Deck ging. Frank drehte sich wieder zum Tresen und trank ruhig weiter.

    Oweia, und ich war Polizist!!! (Nun stehe ich auf dem Standpunkt, dass das Notwehrrecht nicht nur bei Angriffen gegen die körperliche Unversehrtheit, sondern auch gegen das Rechtsgut der Ehre durchaus Anwendung findet. Ein Notwehrexzess lag für mich auch nicht vor, da Frankie so leicht geschlagen hat, wie er halt konnte. )

    Dieser eine Schlag war gleichzeitig Anfang und Ende der Schlägerei. Sven, der Assistent von Ralf H. reagierte als erster und holte den Eiskübel vom Barkeeper. Gemeinsam mit ein paar Tünnessen aus der anderen Gruppe päppelte man den röchelnd am Boden Liegenden wieder auf. Der Arme kam plötzlich zu sich und sprang auf. Er hob verwirrt beide Fäuste und drehte sich dabei langsam mit irren Blicken im Kreis.

    Ihm schwante wohl, dass er gerade eine eingescheppt bekommen hatte, er wusste nur nicht mehr, von wem. Einige der vernüftigeren aus seiner Gruppe entfernten ihn dann aus der Bar. Er war etwas mitgenommen. Die Sache verlief gottseidank für alle weiter folgenlos.

    Man könnte vermuten, dass zumindest manche Menschen mit zunehmendem Erfolg den Bezug zur Realität verlieren. Also beim besten Willen: selbst in seinem weiten Hoodie und mit seiner dicken Brille hätte ein einfacher Mann wie ich einen mir unbekannten Typen wie den kleinen Frankie S. niemals angemacht.
    Gruß Lou

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  2. #242
    Freccione Avatar von Street Bob
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    Hier der gute Frankie:

    Frank.jpg
    Gruß Lou

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  3. #243
    Daytona Avatar von fiumagyar
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    Herrlicher thread
    Gruß Ulrich

  4. #244
    PREMIUM MEMBER Avatar von Artur
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    Absolut!
    Error: reality.sys corrupted. Reboot Universe? [y/n]

  5. #245
    Freccione Avatar von Street Bob
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    Nun ja, in dieser Zeit war ich sicherlich Insider, aber keinesfalls Bestandteil dieser Szene, die besser war als ihr Ruf. So haben wir mit der BSA doch so einige Charity-Veranstaltungen gestaltet und waren sogar für Frau Chr. Herzog und ihr Mukoviszidose-Projekt ehrenamtlich unterwegs.

    Nachdem Ralf H. und seine BSA den Rechtsstreit um die Verwendung der Olympischen Ringe in Verbindung mit der Leipziger Olympiabewerbung verloren und enorm viel Geld versenkt hatte (RA der Gegenseite: Otto Schily), fiel unsere Combo auseinander. Auch ließ mein berufliches Engagement und der damit verbundene Aufstieg nicht mehr viel Zeit für mehrtägige Veranstaltungen außerhalb des Dienstes. Bis auf einige Motorradmessen (Fighterama pp.) machte ich dann nicht mehr viel. Auch privat war das eine sehr wuselige Zeit mit einigen, teils schmerzhaften Veränderungen.
    Gruß Lou

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  6. #246
    Deepsea Avatar von Teppo
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    Es gibt sehr wenige, die so pointiert schreiben können, erdig, niemals überheblich und mit einem wunderbaren Wortschatz (Tempelgong!) gesegnet sind. Als Buch würde ich es verschlingen.
    Grüße aus Hamburg

  7. #247
    Freccione Avatar von Street Bob
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    Danke lieber Teppo, mir selbst ist das gar nicht so deutlich. So wundere ich mich selbst, hier so viel von mir preiszugeben. Vielleicht habe ich gerade einfach zuviel Zeit.
    Es ist natürlich total anders als all das, was ich bislang so zu Papier brachte. So zu formulieren macht allerdings auch deutlich mehr Spaß als beispielsweise die Ausfertigung eines Internationalen Rechtshilfeersuchens an Interpol Tirana oder einen Schlussbericht zur Abgabe eines aussichtslosen Umfangsverfahren gegen 24 Beschuldigte aus vier Nationen wegen Beteiligung an einer Schlägerei und wechselseitiger Körperverletzung mit vier Dolmetschern und ohne eine Aussage.

    Was drückt sich der normale Beamte denn seit Jahrzehnten so alles aus dem Kreuz, wenn er "rechtssicher" formuliert?

    Beispiele:

    "Der Unterzeichner nahm in vorliegender Sache am xx.xx.2017, um 14.11 Uhr, erneut fernmündlich Rücksprache mit dem GS Bontenakels Berti ..."
    (Heute um 14.11h habe ich Herrn Bontenakels angerufen)

    In den 80er Jahren hatte ich Betäubungskriminalität in einem Regionalkommissariat bei der Kripo im Kreis Neuss bearbeitet. Bei Abgabe eines geklärten Falles an die StA war zusätzlich per Sofortmeldung an das LKA zu berichten. Hierzu wurde ein Formular ausgefüllt und dort im Freitext die Begehungsweise sowie Hinweise für Ermittler künftiger Fälle niedergelegt (z.B. "besitzt einen Stafford", "reagiert auf freundliche Ansprache", "springt aus dem Küchenfenster", "täuscht einen Affen vor" usw...). Solche Hinweise erleichtern dem nächsten Ermittler die Sachbearbeitung.

    Meiner Kriminalgruppenleiterin Wiebke M., eine ältliche, allein lebende Dame, war das zuviel. Sie war in den frühen 60er Jahren als Krankenschwester zur damaligen "Weiblichen Kriminalpolizei" gestoßen. Diese Damen, meist aus Sozialberufen, durften gar wählen, ob sie eine Dienstwaffe führen wollten oder nicht.
    EKHKin Wiebke M. (mit Weißgold-Anhänger "noli me tangere"!) rügte also meine Rauschgift-Sofortmeldungen mit den Worten, diese seien zu lang für das LKA und künftig kurz und knapp zu fassen. Schließlich müssten die Freitexte dort händisch eingegeben werden.

    Wenngleich aus Ermittlersicht damit durchaus nicht einverstanden, formulierte ich meine nächste RG-Sofortmeldung wegen Einfuhrschmuggels wie folgt:

    "Die Beschuldigte XY führte ein Pack mit 12 Gramm Heroin zunächst in die Vaginalöffnung und dann in die Bundesrepublik ein." Fertig.
    Gruß Lou

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  8. #248
    Sea-Dweller Avatar von Iskandria
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    Markus Rühl ist einer der ältesten die ich kenne. Mich hat immer gewundert das der noch lebt.

  9. #249
    Steve McQueen
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    Zitat Zitat von Street Bob Beitrag anzeigen

    "...
    "Die Beschuldigte XY führte ein Pack mit 12 Gramm Heroin zunächst in die Vaginalöffnung und dann in die Bundesrepublik ein." Fertig.

  10. #250
    gruß Jörg

  11. #251
    Day-Date Avatar von Milou
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    Unabhängig davon, dass ich hier jede Fortsetzungsfolge der Lou-Biographie begeistert erwarte und geniesse:
    diese Organtumore, die da unterm Sixpack wachsen sind nicht immer gutartig.
    Ich weiss von Fällen wo jungen Männern Leberkrebs gewachsen war und wo der Pat. nach Entfernung des halben Organs nix besseres wusste, als unverändert weiter zu trainieren einschliesslich der genannten Kollateralmassnahmen.

  12. #252
    Freccione Avatar von Street Bob
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    Du hast absolut Recht, es ist entsetzlich. Ebenso die Folgen von Gynäkomastie, in Athletenkreisen "Zippeltitten" genannt, in Folge von Hormoneinnahme. Der Körper reagiert auf extreme Testosterongaben mit Östrogenproduktion - ein Phämomen, das fast regelmäßig auftaucht. Brustkrebs ist bei Spätbehandlung nicht selten die Folge. Mir sind Fälle bekannt, wo pro Seite bis zu 1kg Gewebe entfernt werden mussten. Auch stellt der Körper irgendwann die eigene Testosteron-Produktion ein, es kommt zum Hodenschwund, den gefürchteten "Wachteleiern". Also Leute, wenn es mit dem Muskelwachstum irgendwann nicht mehr weitergeht, freut Euch über eine schöne Schwimmbad-Figur, aber lasst die Finger von dem Zeug.

    Ferner weiß ich aus Sportleraussagen vom Missbrauch von Insulin als Matrix zur Eiweißaufnahme in die Muskulatur: der Athlet stellt sich drei große Becher Protein-Shakes auf den Tisch und spritzt hochdosiert Insulin. Sobald er spürt, gleich ohnmächtig zu werden, trinkt er den ersten Shake, bis ihm wieder flau wird. Dann den zweiten usw. .... Eine wirklich ebenso effektive wie lebensgefährliche Art zu dopen, die schwer nachweisbar ist.

    Fakt ist: wer gar nichts unternimmt, braucht sich erst gar nicht auf die Bühne zu stellen. Wie auch beim Powerlifting: als in Deutschland Trainingskontrollen eingeführt wurden, gab es keinen A-Kader mehr, weil konkurrenzfähige Leistungen nicht mehr zu erbringen waren. Ich klage das weder an, noch beführworte ich das. Aber für mich kommt so etwas definitiv nicht in Frage. Ich denke auch, dass es definitiv gefährlicher ist als Rennsport.

    Dennoch war es damals hochinteressant, völlig ungefährdet in die internationale Spitze dieser Disziplinen einen Einblick zu bekommen, der Außenstehenden und Hobbysportlern regelmäßig verwehrt bleibt. Und es war mir wichtig aufzuzeigen, dass diese Leute tatsächlich weder schlapp noch faul sind, wie immer mal gern, vielleicht gar etwas neidisch, behauptet wird.

    Das sollte allerdings nur ein kleiner Exkurs sein, beim nächsten Mal gibts wieder etwas von mir persönlich
    Gruß Lou

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  13. #253
    PREMIUM MEMBER Avatar von Michael S.
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    Hallo zusammen,

    Das ist ein wirklich trauriges Thema. Ein Freund meines Trainers hatte sich vor einigen Jahren in der Vorbereitung für eine Landesmeisterschaft mit diuretika ins Krankenhaus gebracht wo er dann auch verstorben ist.
    Als Außenstehender kann man das wirklich nicht nachvollziehen.

    Gruß Michael

  14. #254
    Freccione Avatar von Street Bob
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    Na ja, bei mir ist das alles Schnee von gestern. Wie es heute läuft, weiß ich nicht. Auch mag ich ungern spekulieren, lieber schreibe ich über Erlebtes.
    Sicher hat jeder von uns seine eigene Erlebniswelt, die sich durchaus nicht immer deckt mit der meinen. Und wir alle wissen auch, dass gleiche Sachverhalte durchaus unterschiedlich erlebt werden.

    By the way - ich habe es nie zu sonderlichem Reichtum gebracht mit dem, was ich tat. Dass ich da stehe, wo ich jetzt bin, sieht man mir sicher deutlich an. Es war nicht einfach, aber es war spannend bislang. Und ich beklage mich nicht, auf keinen Fall. Sicher ist es heute, finanziell gesichert und mit einiger Lebensqualität, durchaus einfacher als damals. Ich muss mir kein Spiegelei mehr mit meinem Bruder teilen, und wenn die Milch einmal sauer wird, kommt kein Zucker mehr hinein, sondern sie kommt weg. Dennoch war ich seinerzeit irgendwie ... sorgloser?
    Geändert von Street Bob (27.01.2017 um 22:42 Uhr)
    Gruß Lou

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  15. #255
    Comex Avatar von raul
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    Zitat Zitat von Street Bob Beitrag anzeigen
    Na ja, bei mir ist das alles Schnee von gestern. Wie es heute läuft, weiß ich nicht. Auch mag ich ungern spekulieren, lieber schreibe ich über Erlebtes.
    Sicher hat jeder von uns seine eigene Erlebniswelt, die sich durchaus nicht immer deckt mit der meinen. Und wir alle wissen auch, dass gleiche Sachverhalte durchaus unterschiedlich erlebt werden.

    By the way - ich habe es nie zu sonderlichem Reichtum gebracht mit dem, was ich tat. Dass ich da stehe, wo ich jetzt bin, sieht man mir sicher deutlich an. Es war nicht einfach, aber es war spannend bislang. Und ich beklage mich nicht, auf keinen Fall. Sicher ist es heute, finanziell gesichert und mit einiger Lebensqualität, durchaus einfacher als damals. Ich muss mir kein Spiegelei mehr mit meinem Bruder teilen, und wenn die Milch einmal sauer wird, kommt kein Zucker mehr hinein, sondern sie kommt weg. Dennoch war ich seinerzeit irgendwie ... sorgloser?
    Ich denke, das bringt einfach das Alter mit sich, dieses über alles nachdenken und grübeln. Hat seine Vorteile, weil man Erfahrungen in künftige Entscheidungen einbringen kann, aber das wie Du schreibst sorglose oder spontane wird einfach weniger. Von daher ist es einfach schön Kindern in Ihrer Sorglosigkeit und Spontanität zuzuschauen und Ihre doch zumeist offenen Emotionen zu erleben.

    Andererseits war früher ja eh alles besser, weil zumeist die positiven Erlebnisse gespeichert werden … aber ich versuch dabei auch immer dran zu denken, dass frei nach Ustinov heute die guten alten Zeiten sind, von welchen wir (hoffentlich) irgendwann mal schwärmen werden.
    Grüße Stefan
    ...offizieller "R-L-X fährt Rennrad 1.0, 2.0 und 3.0" - Teilnehmer
    JUST TRI IT

  16. #256
    Freccione Avatar von Street Bob
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    Du hast Recht, Stefan. Auch stelle ich fest, dass es für meine Seelenhygiene nicht ganz ungefährlich ist, mich derart mit meiner Vergangenheit zu beschäftigen.
    Nein nein, die schlimmsten Erlebnisse schreibe ich hier nicht nieder, und keinesfalls das, wofür ich mich zutiefst geschämt habe. So mag ich Euch gern unterhalten, aber keinesfalls mit bad vibes die Forumslaune senken

    Auch muss ich mich fragen, ob ich wirklich alles über mich erfahren will. Ich denke, das möchte ich jetzt eigentlich nicht! Was ich bis heute an Selbsterkenntnis gewonnen habe, soll reichen.

    Schließlich bin ich definitiv im letzten Lebensdrittel. Vielleicht gelingt es mir noch, etwas Glück zu verbreiten in meiner Familie und bei den Menschen, die mir geblieben sind. Retrospektive Betrachtungen sollen mir nur dazu dienen, Fehler nicht nochmal zu machen, keinesfalls aber dazu, in Schwermut zu verfallen. Was mir bleibt, ist mein Humor, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich diesen nicht gelegentlich mit Fatalismus verwechsle. Sei´s drum, ich habe auch schon vor Verzweiflung gelacht

    Und solange der überwiegende Teil der Falten in meinem Antlitz vom Lachen stammt, ist alles gut!
    Geändert von Street Bob (28.01.2017 um 09:53 Uhr)
    Gruß Lou

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  17. #257
    Daytona Avatar von pfandflsche
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    nun ja...im letzten lebensdrittel befinden sich hier ja nun einige..ich mich auch...und zur hölle...es "fühlt sich gut an".ich werde gerne älter und bedauere jeden tag die nachfolgende generation,die den mist,die unvermeidbaren enttäuschungen und den grosstei des lebenskampfes noch vor sich hat.

    glücklicherweise bin ich noch mit einer passablen gesundheit gesegnet und habe kaum altersbedingte einschränkungen.die jahre,in denen ich raubbau betrieb,sind lange vorbei und regeneration war möglich.

    ich denke,dass du nicht zuletzt auch wegen deiner berufswahl ein nicht uninteressantes und abwechslungsreiches leben über die runden getragen hast,welches sich so heute kaum noch abreissen lassen dürfte.

    in der rückschau betrachtet und bei kritischem blick in den spiegel dürfte jeder von uns so seine leichen im keller haben und bestimmte dinge mit dem erkenntnisstand von heute anders tun als damals.

    das gehört zum leben dazu und macht irgendwo seine tragik der späten reue aus.

    und bekanntlich wird zum schluss abgerechnet...solange die rote suppe durch die adern schwappt,kann der reuige sünder noch seinen teil des ausgleichs der lebensbilanz leisten.
    pfandflaschensammeln formt den charakter. get woke,go broke
    country music....three chords and the truth

  18. #258
    Double-Red Avatar von ligthning
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    Hut ab vor der Offenheit, mit der ihr eure Vita hier darlegt - nicht selbstverständlich in einem Forum, in dem eigentlich der äussere Glanz und die Dinge des schönen Lebens Gewicht und Geltung haben ......
    LG Helmut


    Datejust 41 GG/ST mit Jubilee, Full set - Garantie bis 11/25 im SC

  19. #259
    Freccione Avatar von Street Bob
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    Mein Rentnerleben nimmt langsam Gestalt an. Sparen ist ein großes Thema unter meinen Brüdern im Alter. Auch kann ich nicht mehr in die Apotheke, ohne unaufgefordert gefragt zu werden, ob ich die neue Apothekenzeitung mitnehmen will - ein offenbar sehr begehrtes Giveaway für Menschen meiner Altersklasse, die zu geizig für eine Fernsehzeitung sind. Danach hat mich 58 Jahre lang keine Sau gefragt. Auch werde ich mittlerweile überall gesiezt, selbst unlängst an der hippen Bar in Schäbbisch Gläbbisch*, der großen weiten Welt unweit meines kleinen Dorfes.

    Zurück an der Theke im "Weidener Grillstübchen" ist neben dem Verlauf diverser Krankheiten jedes neue Thema willkommen. So erzähle ich von meiner bevorstehenden Reise nach Andalusien und beantworte die Frage nach der Fluggesellschaft wahrheitsgemäß mit "Air Berlin". Sofort greift Janse´ Pitter, der zweiundvierzig Jahre lang beim SV Bechen im Sturm gespielt hat und daher weitgereist ist, greift sofort dankbar den Faden auf und übernimmt meine Beratung. (Nein nein, er hat nicht Europa-League gespielt, aber er ist jedes Jahr "mitte Mannschaff" nach "Malorka" geflogen).

    "Do muss op jeden Fall enne platte Karl* mötnämme, Jong. Bei Air Berlin jiddet nix ze frässe un alt jaanix ze suffe* vüür lau!". Und so weiter und so weiter. Wieder eine Stunde Langeweile vorbei. Aber seinen Ratschlag mit dem platten Karl beherzige ich, sehr zum Entsetzen meiner Gabi, die im Flieger versucht, noch tiefer im Sitz zu versinken als beim Start normalerweise üblich. Janse´ Pitter hatte mir zu "Both Dreistern" geraten, der besonders gut mit Flugzeug-Cola käme. Dieser ebenso edle wie preiswerte Tropfen ist nicht mehr zu bekommen, also entscheide ich mich für Asbach.

    Nun beschließe ich, mich im Hotel in Benalmadena meinen Mitreisenden, die alle älter sind als ich, anzupassen. Ich will ein würdiger Rentner sein. Aber wenngleich ich überhaupt keinerlei Anstalten dazu mache, verbietet mir Gabi am ersten Morgen sofort, mir Butterbrote vom Frühstück mitzunehmen und kündigt widrigenfalls ihren sofortigen Rückflug an. Offensichtlich beobachtet sie meine Entwicklung mit einiger Sorge

    ...

    Heinz und Karin aus Quadrath-Ichendorf hatten wir schon beim Einchecken in Düsseldorf kennen gelernt. Heinz nennt Karin liebevoll "Katinka", Karin ist eher bodenständig und nennt ihren Gatten "Heini".

    Heini ist, wie Janse´ Pitter auch, Profi in Sachen Flugreisen. Nach zwei Minuten weiß ich, dass er fast "fuffzich Joor beim RWE" war. Sein Outfit ist stimmig: kariertes Hemd und Hose mit Dauerbügelfalte, nur seine flammneuen Joggingschuhe sind eine Spur zu bunt. Katinka wirkt eher spröde, die bunte Sonnenbrille steckt keck in der zweifarbigen Fleischereifachverkäuferinnen-Frisur. Liebenswerte, aber auch sehr offene Menschen, um das einmal so auszudrücken.

    Heini weiß sehr viel von der Welt und hat einen wundervollen Slang, eine Mischung aus Rainer Calmund und dem jungen "Rollex-Ralf" Schumacher vor Beginn seines Sprachunterrichtes. Auch kennt er sich offenbar mit Menschen aus: so beobachtet er, wie ich gleich bei der Ankunft an der Hotelbar den Rest meiner Flugangst mit einem großen kalten Cruzcampo wegspüle. Einen halben Liter auf Ex.

    Obwohl er eigentlich auch keinen schlechten Zug hat, fragt er mich gleich: "Äy Lou, bisse uss Jlabbach?*". Die Barfrau, Lucia aus Cádiz, wie ich später erfahre, Ende vierzig vielleicht, nennt er großherzig "Frollein". Kurz: Heini ist ein Mann von Welt.

    Meine Hoffnung, im Urlaub von ihm etwas mehr über meinen neuen, letzten Lebensabschnitt lernen zu dürfen, zerstreut sich schnell: meine Gabi ist ein sehr offener, liebenswerter Mensch und seit langen Jahren im Sozialbereich tätig, aber Katinka ist ihr dann doch zu anstrengend. Stattdessen schließt meine geliebte Frau lieber sofort einen kleinen roten Kater, den sie "Hombre" tauft, in ihr großes Herz. Hombre sitzt morgens immer in der Sonne vor dem Hotel und gehört niemandem.

    So schleichen wir uns jeden Morgen nach dem Frühstück mit Umwegen am Tisch von Heini und Katinka vorbei und bringen Hombre zwei Scheiben Kochschinken nach draußen. Hombre erscheint mir definitiv zu dünn. Ich bringe am zweiten Tag ein großes Stück guter Butter vom Buffet in einer Kaffetasse mit nach draußen, um ihn aufzupäppeln, weiß ich doch neuerdings von meinen neuen Freunden, dass gute Butter im Krieg fehlte und nur deshalb alle mager und lungenkrank waren. Kategorischer O-Ton Gabi: "Spinnst Du? Du bringst das sofort zurück!" -
    Bei aller Liebe zur Kreatur: Gabis Befindlichkeit war mir in dem Moment wichtiger als der gute Hombre.

    Pünktlich um zehn kommt dann täglich der Bus zu den täglichen Ausflügen der Rentner nach Granada, Sevilla oder Malaga, dem wir freundlich nachwinken. Zum Mitfahren konnte ich mich dann doch nicht durchringen. Das ist zuviel Input auf einmal, möchte ich doch das Rentnergeschäft langsam erlernen.




    Glossar:

    Platte Karl = Taschenflasche mit Schnaps, auch >Flachmann
    frässe/suffe = ugs. für Essen/Alkohol trinken
    Schäbbisch Gläbbisch = Kölsch/verächtlich für >Bergisch Gladbach
    Jlabbach = ugs. in MG für >Mönchengladbach
    Gruß Lou

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  20. #260
    PREMIUM MEMBER Avatar von ein michael
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    Man darf das mit der Assimilierung auch nicht überstürzen
    Hoffe der erste Rentner(Pensionärs)urlaub war schön

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