Vielen Dank für die tolle Bilderstrecke unde den ausführlichen Erklärungen Erik. Das 2120 ist eines meiner Lieblingskalieber von daher habe ich mich auf die detaillierte Vorstellung der Technik hier sehr gefreut.
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13.05.2021, 17:58 #1
Royal Oak 15002 featuring AP 2121
Liebe Foristi,
herzlich Willkommen zu einer weiteren Reise ins Innere eines Uhrwerks. Heute geht es um das Audemars Piguet 2121, ein absoluter Klassiker und seit fast 50 Jahren der Motor der Zwei-Zeiger Royal Oaks.
010_15002.jpg
1967 stellte Jäger LeCoultre unter der Bezeichnung Kaliber 920 ein Werk mit folgenden technischen Daten vor:
- 28.4 mm Durchmesser
- 2 Zeiger (Stunde, Minute)
- 40h Gangreserve
- Automatik mit vollwertigem Rotor (kein Mikrorotor), in beide Richtungen aufziehend
Das klingt zunächst mal nicht besonders spannend, die große Besonderheit war die Höhe dieses Werks: Sagenhafte 2.45 mm. Dieses Werk kam nie in einer Jäger LeCoultre-Uhr zum Einsatz. Ergänzt um eine Datumsanzeige (was die Höhe des Werks dann auf 3.05 mm vergrößerte) hielt es allerdings mit jeweils einigen markenspezifischen Anpassungen Einzug in drei ikonische Uhren der 70er Jahre:
- als Audemars Piguet 2121 in die Royal Oak 5402
- als Patek Philippe 28-255C in die Nautilus 3700
- als Vacheron Constantin 1121 in die 222
Da ich glücklicherweise eine AP Royal Oak mit Kaliber 2121 besitze, möchte ich mich im Folgenden auf die AP-Variante beschränken. Es gibt im Netz viele Artikel über dieses Werk, die oftmals bestimmte Features erwähnen (z.B. den auf Rubinrollen geführten Rotor, das fliegend gelagerte Federhaus, etc.) und dazu einige High-End-Bilder des kompletten Uhrwerks zeigen. Aber einen Artikel, der detailliert und ausführlich auf die Technik eingeht, habe ich noch nicht gefunden. Also „musste“ ich mal wieder alles auseinander schrauben, um die Funktionsweise dieses Klassikers wirklich zu verstehen.
Ich zeige hier den Aufbau von der nackten Platine bis zur fertig montierten Uhr und werde dabei auf viele Details eingehen, insbesondere solche, die Beitragsleister für die außergewöhnliche Flachheit des Werks und der gesamten Uhr sind (meine Royal Oak, Referenz 15002 mit Stahlboden, hat eine Gesamthöhe von 7 mm).
Los geht’s. Die Zifferblattseite der (fast) leergeräumten Platine.
020_Platine_ZS.jpg
Und hier die Rückseite.
030_Platine_WS.jpg
Es geht gleich mit einem Highlight los, nämlich der Rotorlagerung/-führung. Als Beispiel für eine gängige Rotorlagerung hier mal die Darstellung eines Rolex 1570.
040_Rotor_Rolex.jpg
Der Rotor ist in einem mittig im Werk angeordneten Rubin gelagert, seine Stahlachse hat minimales radiales und axiales Spiel (sonst könnte er sich ja nicht drehen und würde klemmen). Das heißt natürlich auch, dass er ein bisschen rauf und runter kippeln kann (dieser Effekt wird mit zunehmendem Verschleiß über die Jahre noch größer). Die Spalte A und B müssen also so groß ausgelegt werden, dass der Rotor unter Berücksichtigung aller Toleranzen und dieses Kippelns nie an der Platine oder am Deckel schleift. Ich habe an einem meiner 1570 nachgemessen, dass der Spalt A je nach Lage der Uhr zwischen 0.4 und 0.8 mm variiert. Der Spalt hat sozusagen ein Nennmaß von 0.6 mm. Wenn man davon ausgeht, dass der Spalt B denselben Sicherheitsabstand zum Deckel hat, kommt man also auf 1.2 mm. Wenn man eine 7 mm hohe Uhr realisieren möchte, ist das ein Haufen Zeugs. Oder anders gesagt: Inakzeptabel, da muss eine andere Lösung her.
Die Konstrukteure bei Jäger LeCoultre haben sich an der Stelle eine ebenso aufwändige wie schöne Lösung ausgedacht. Anstatt den Abstand so groß zu machen, dass der Rotor nie aufsetzt, haben sie einfach etwas konstruiert, so dass der Rotor immer aufliegt. In der Platine sind relativ weit außen 4 kleine Rubinrollen angeordnet. Auf diesen läuft ein kreisförmiger Ring, der Bestandteil des Rotors ist. In Kombination mit dem Lager in der Mitte ist dieses System bis auf wenige Hunderstelmillimeter praktisch spielfrei und erlaubt einen sehr geringen Abstand zum Gehäusedeckel.
050_Rotor_AP.jpg
Hier mal die Lagerung der Rubinrolle im Detail. Die Rolle steckt auf einer kleinen Stahlachse, welche in eine kleine Brücke eingepresst wird. Diese wird dann mit zwei Schrauben auf die Platine montiert.
060_Rubinrolle.jpg
070_Rubinrollen_montiert.jpg
Der Rotor besteht aus der kreisförmigen „Laufbahn“ für die Rubinrollen, einem sichelförmigen Goldelement und dem halbkreisförmigen Stahlmittelteil, welches das Lager, das Antriebsritzel und die Schiebefeder für die Verrastung an der auf der Brücke befindlichen Achse enthält. Das Goldelement ist hierbei nicht nur dem Luxusanspruch der Marke geschuldet, sondern erzeugt durch seine höhere Dichte natürlich auch mehr Drehmoment, als wenn man an dieser Stelle Stahl verwendet hätte.
080_Rotor_AP.jpg
Und so sieht das Ganze dann später zusammengebaut aus.
090_Rotor_montiert.jpg
Aber der Reihe nach. Als nächstes werden die Decksteine der Ankerradlager eingesetzt, eins in die Platine, eins in den kleinen Kloben, der die oberen Lager für Ankerrad und Sekundenrad trägt. Die Decksteine sind auf beiden Seiten plan geschliffen und werden von einer speziellen Feder gehalten.
100_Deckstein_Ankerrad.jpg
Eingelegt.
110_Deckstein_eingelegt.jpg
Und durch eine 90 Grad-Drehung gesichert.
120_Deckstein_gesichert.jpg
Das gleiche am Kloben.
130_Ankerradkloben.jpg
Und wo ich schon mal dabei bin setze ich auch gleich das platinenseitige Unruhlager in die KIF-Stoßsicherung ein.
140_Unruhlager.jpg
Jetzt werden das Ankerrad und das Sekundenrad eingesetzt und der entsprechende Kloben montiert.
150_Ankerrad.jpg
160_Ankerradkloben.jpg
Es folgt der Rest des Räderwerks: Kleinbodenrad, Minutenrad und Federhaus. Und beim Einlegen des letztgenannten stutzt man natürlich erstmal. Denn dort, wo normalerweise das untere Lager für das Federhaus zu finden ist, ist hier nur ein großes Loch (siehe Bild oben).
170_Raederwerk.jpg
Das liegt einfach daran, dass die Konstrukteure sich für ein fliegend gelagertes Federhaus entschieden haben. Was bedeutet das? Hier mal eine grobe Prinzipdarstellung/Gegenüberstellung einer konventionellen (links) und einer fliegenden Lagerung (rechts).
180_Prinzip_FL.jpg
Bei der konventionellen Lagerung stützen ein oberes und ein unteres Lager die über das Federhaus und das Sperrrad eingeleiteten radialen Kräfte ab. Axiale Kräfte treten praktisch nicht auf.
Anders bei der fliegenden Lagerung. Es gibt nur ein Lager in der Brücke, das untere in der Platine fehlt. Da die Kräfte nicht in der Ebene des Lagers, sondern etwas versetzt ober- und unterhalb davon eingeleitet werden, entsteht ein Kippmoment, welches natürlich abgestützt werden muss. Im Falle des AP 2121 stützt sich an der Unterseite der Brücke ein Absatz des Federkerns an einem Messinglager ab, an der Oberseite liegt das Sperrrad an zwei „Laufbahnen“ an, die gegenüber der Grundfläche der Brücke leicht erhaben sind.
Das Messinglager (links) und die „Laufbahnen“ (rechts).
190_Federhauslager.jpg
Und dass hier tatsächlich Kräfte walten sieht man an der Laufspur auf der Unterseite des Sperrrads.
200_Laufspur_Sperrrad.jpg
Die konventionelle Lagerung ist bzgl. der Aufnahme der Kräfte sicherlich die sauberere Lösung, die fliegende Lagerung spart jedoch eine Wandstärke Bauhöhe.
Ein kurzer Ausflug ins Innere des Federhauses. Hier die Einzelteile. Man erkennt einen leichten Knick in der Zugfeder. Da dieser förmlich „Sollbruchstelle!“ schreit, gibt es eine neue Feder.
201_Einzelteile_Federhaus.jpg
Neue Feder drin und den zweiteiligen Federkern montiert.
202_Zugfeder_montiert.jpg
Und Deckel drauf. Der Deckel besitzt einen Absatz, er ist aussen noch ein paar Zehntelmillimeter flacher als in der Mitte. Darauf komme ich später nochmal zurück.
204_Federhaus_verschlossen.jpg
Normalerweise würden jetzt erstmal die Räderwerkbrücke, die Federhausbrücke und irgendwann später die Automatikbrücke montiert werden. Aber beim AP 2121 gibt es nur eine Brücke, die alle 3 Bereiche abdeckt. Das hängt natürlich wieder mit der Bauhöhe zusammen. Um möglichst flach zu bauen, sind die Räder der Automatik auf derselben Ebene wie das Basis-Räderwerk angeordnet. Deshalb widmen wir uns jetzt erstmal der Automatik (damit es ein wenig übersichtlicher wird, habe ich an dieser Stelle das Minutenrad und das Kleinbodenrad nochmal rausgenommen).
Es geht los mit der Vormontage der Brücke. Auf diese werden 2 Zwischenräder verschraubt, welche die über das Ritzel des Rotors eingeleitete Drehung sozusagen nach außen an den Rand der Platine durchreichen. Zwischenrad 1 ist kugelgelagert, Zwischenrad 2 in einem Rubin.
210_Bruecke_oben.jpg
Hier die Unterseite der Brücke mit dem Abtriebsritzel von Zwischenrad 2.
220_Bruecke_unten.jpg
Jetzt folgt die kleine Sperrklinke der Automatik mit ihrem Kloben. Die Feder war während der Reinigung an der Platine verblieben.
230_Sperrklinke.jpg
230_Sperrklinke_montiert.jpg
Dann werden die Räder eingesetzt: Die Wippe, das Automatik-Sperrrad, das Zwischenrad und das Kupplungsrad.
240_Automatikraederwerk.jpg
Wie funktioniert diese beidseitig aufziehende Automatik? Im Folgenden 2 Bilder, in denen ich die jeweiligen Drehrichtungen einiger Räder skizziert habe. Damit man überhaupt was sieht, natürlich ohne Rotor und Brücke, die an diesen Komponenten befindlichen Räder habe ich einfach mal durch farbige Kreise dargestellt.
Nehmen wir an, der Rotor dreht sich im Uhrzeigersinn. Dann ergeben sich für die folgenden Räder diese Drehrichtungen:
251_Automatik1.jpg
Man beachte, was an der Wippe passiert. Durch die Uhrzeigersinn-Drehung von Zwischenrad 2 wird die Wippe gegen den Uhrzeigersinn geschwenkt. Somit kommt Wippenrad 2 in Eingriff zum Automatik-Sperrrad und dreht dieses gegen den Uhrzeigersinn.
Jetzt der andere Fall, der Rotor dreht sich gegen den Uhrzeigersinn:
261_Automatik2.jpg
Hier wird die Wippe durch die Gegenuhrzeigersinn-Drehung von Zwischenrad 2 im Uhrzeigersinn geschwenkt, Wippenrad 1 kommt in Eingriff zum Automatik-Sperrrad und dreht dieses gegen den Uhrzeigersinn. Wippenrad 2 dreht in diesem Fall einfach funktionslos mit. Es ist also egal, wie rum sich der Rotor dreht, ab dem Automatik-Sperrrad dreht sich alles immer nur in einer Richtung.
Der Rotor erzeugt nur einen Bruchteil des Drehmoments welches zum Aufziehen der Zugfeder erforderlich ist, daher sind im Automatik-Räderwerk diverse Untersetzungsstufen eingebaut. Das hat aber natürlich den Haken, dass das letzte Rad in der Kette (das Kupplungsrad) auch deutlich weniger Drehwinkel macht als der Rotor. Wenn der Rotor z.B. eine halbe Umdrehung macht, macht das Kupplungsrad nicht mal 3 Grad. Das reicht nicht, um die Sperrklinke in den nächsten Zahn des Sperrrads einrasten zu lassen. Wenn jetzt der Rotor die Drehrichtung ändert und die Wippe beim Schwenken kurzzeitig die Verbindung zu den folgenden Rädern unterbricht, würden diese einfach wieder zurückschnalzen und es wäre bzgl. Aufzug nichts passiert.
Wir brauchen also einen Mechanismus, der das Zurückdrehen von Kupplungsrad & Co. verhindert und sozusagen die vielen kleinen Drehwinkel des Rotors aufaddiert. Das erledigen die Automatik-Sperrklinke und das Automatik-Sperrrad. Letzteres ist noch vor den beiden großen Untersetzungsstufen angeordnet, daher reicht eine kleine Verdrehung des Rotors aus, um die Automatik-Sperrklinke in die nächste Verzahnung schnappen zu lassen.
270_Sperrklinkeneingriff.jpg
Hier ein kleiner Film, der das Überspringen der Automatik-Sperrklinke im zusammengebauten Zustand zeigt. Ich simuliere die Rotordrehung, indem ich mit einem Zahnstocher Zwischenrad 1 drehe.
https://vimeo.com/548880043
Jetzt fehlt nur noch das Kupplungsrad, dann sind wir mit der Funktion der Automatik durch. Hier nochmal zur Veranschaulichung das „Getriebe“ mit aufgelegtem Sperrrad.
280_Kupplung.jpg
Mal angenommen, das Kupplungsrad wäre ein ganz normales Zahnrad, was würde dann beim Handaufzug passieren? Der Besitzer dreht an der Krone und diese Drehung wird über das Kronrad auf das Sperrrad übertragen und dann weiter auf sämtliche Räder in der Kette bis zum Rotor. Und damit nicht genug, da sich die Übertragungsrichtung ja geändert hat, wirkt das Getriebe nicht mehr wie eine große Untersetzung, sondern wie eine große Übersetzung. Der Rotor würde sich also mit monstermäßiger Geschwindigkeit drehen. Die Folgen sind inakzeptabel: Hoher Widerstand beim Handaufzug, große Kräfte in den Lagern und an den Zahnflanken, hoher Verschleiß, Gefahr von Zahnbruch. Beim Handaufzug muss also das „Automatik-Getriebe“ abgekuppelt werden (das ist natürlich keine Besonderheit dieses Werks, das ist bei allen Automatik so). Dieses Entkoppeln erledigt das Kupplungsrad.
Das Kupplungsrad besteht aus 2 Zahnrädern. Das obere greift in das Sperrrad ein und besitzt 10 kleine Aussparungen. Das untere greift in das Ritzel des Zwischenrads ein und besitzt 5 kleine keilförmige Haken, die zu den Aussparungen des oberen Rads passen. Das untere Rad wird durch eine winzige Spiralfeder gegen das obere gedrückt.
290_Kupplungsrad_oben.jpg
300_Kupplungsrad_unten.jpg
Das Ganze funktioniert nun folgendermaßen: Wenn die Automatik aufzieht, dreht sie das untere Rad gegen den Uhrzeigersinn. Die Haken stoßen mit ihrer senkrechten Flanke gegen die Aussparungen des oberen Rads und drehen es mit. In dieser Richtung wirkt das Kupplungsrad also wie ein ganz normales, starres Zahnrad.
Beim Handaufzug wird das obere Rad gegen den Uhrzeigersinn gedreht. Aber jetzt gleiten die Aussparungen an der schrägen Flanke der kleinen Haken entlang, das untere Rad weicht gegen den kleinen Widerstand der Feder nach unten aus und die Haken springen in die nächsten Aussparungen ohne dass sich das untere Rad mit dreht. Ausgekuppelt.
So, jetzt wird endlich weiter zusammengebaut. Die Winkelhebelschraube wird eingesteckt, die Räder positioniert, dann wird die Brücke aufgelegt und mit 3 Schrauben befestigt. Ich glaube, ich habe noch nie eine Brücke montiert, bei der so viele Zapfen gleichzeitig die entsprechenden Lager treffen müssen. Durchaus knifflig und nichts für Ungeduldige.
310_Winkelhebelschraube.jpg
320_Raederwerk.jpg
330_Automatikraeder.jpg
340_Bruecke.jpg
Als nächstes das Sperrrad. Viele Sperrräder werden mit einer zentralen Schraube auf dem Federkern befestigt, wobei der Schraubenkopf dann leicht übersteht. Nicht so beim AP 2121, hier verwendet man 3 filigrane Senkkopfschrauben, die bündig mit der Oberfläche des Rads abschließen. Zehntelmillimeter-Feilscherei bis ins kleinste Detail.
350_Sperrrad.jpg
Es folgen Sperrklinke und Kronrad.
360_Sperrklinke.jpg
370_Kronrad.jpg
Szenenwechsel, es geht auf der Zifferblattseite mit Kupplungsrad, Kupplungstrieb und Aufzugswelle weiter. Vorneweg mal ein Bild zum Größenvergleich: Links Rolex 1520, rechts AP 2121.
375_Vergleich_Aufzug.jpg
Dann kommen der Winkelhebel und der Kupplungshebel mit integrierter Feder dran.
380_Winkelhebel.jpg
390_Kupplungshebel.jpg
Das Minutenrohr wird aufgepresst, das Wechselrad und die 2 Zwischenräder für das Zeigerstellen eingelegt. Auffällig ist das 3-stufige Wechselrad, darauf werden wir beim Datumsmechanismus noch zurückkommen.
400_Zeigerstellung.jpg
Winkelhebelfeder obendrauf und dann zurück auf die Unterseite.
410_Winkelhebelfeder.jpg
Einbau des Ankers und seiner Brücke. Das AP 2121 hat wie die modernen Rolex-Werke keine klassischen Begrenzungsstifte mehr, die Endanschläge des Ankers erfolgen an gefrästen Flächen der Brücke.
420_Anker.jpg
430_Ankerbruecke.jpg
Es folgt die Unruh. Analog zu den meisten Rolex-Kalibern besitzt die Unruh keinen Rücker, der Gang wird über sechs am Umfang des Unruhreifs angeordnete, verdrehbare Gewichte reguliert.
440_Unruh.jpg
Hier nochmal ein Größenvergleich zu einem Rolex 1520 Unruhreif. Die Zapfen der AP-Unruhwelle sind so filigran dass ich mich nicht traue, im eingebauten Zustand an die Reguliergewichte ranzugehen.
435_Vergleich_Unruh.jpg
Also messen, ausbauen, Gewicht verdrehen, einbauen, messen, ausbauen, Gewicht verdrehen, …
445_Zeitwaage.jpg
Ok, soll reichen, hat ja eh keinen Sekundenzeiger, das Ding.
Ich hatte im Vorfeld einiges über diverse Features dieses Werks gelesen, aber nichts über den Bereich, der mir im Nachhinein überraschenderweise am besten gefallen hat: Den Datumsmechanismus. Und zu dem kommen wir jetzt. Zur Erinnerung: Das AP 2121 verfügt über eine augenblickliche Datumsschaltung (d.h. es macht „KLICK“ und das Datum springt im Bruchteil einer Sekunde um) und über Semi-Quickset (d.h. man muß nicht 24 Stunden weiterkurbeln wie beim Rolex 1575, sondern nach dem Umspringen des Datums nur bis ca. 22 Uhr zurückdrehen, dann wieder vor bis zum KLICK, usw.).
Beginnen wir gleich mal mit der Datumsscheibe. Diese liegt nicht wie bei vielen Werken auf einer Metallbahn auf. In der Platine sind 5 leicht bombierte Rubine positioniert, auf diesen liegt die Scheibe auf. Punktauflagen mit minimaler Reibung, mal wieder ein Detail vom Feinsten.
450_Bombierter_Rubin.jpg
Dann kommt die Datumsraste an die Reihe, welche die Scheibe in einer definierten Position hält. Die zugehörige Feder ist an der Unterseite der Datumsbrücke montiert.
460_Datumsraste.jpg
Nun zu den Rädern und Hebeln, da wird es etwas kompliziert. Zunächst wird das Datumsrad eingelegt, dieses wird vom mittleren Ritzel des Wechselrads angetrieben. Die Übersetzung ist so ausgelegt, dass das Datumsrad 5 Umdrehungen pro Tag ausführt. Ungewöhnlich, sollte das bei einem Datumsrad nicht 1 Umdrehung pro Tag sein?
470_Datumsrad.jpg
Nun zu einem weiteren Rad, dem Nockenrad. Dieses wird von einem Ritzel angetrieben, welches sich auf der Unterseite des Stundenrads befindet. Die Übersetzung ist so gewählt, dass es 1 Umdrehung pro Tag macht. Hier mal das Stundenrad verkehrt rum daneben gelegt. Jetzt erkennt man auch den Sinn des Absatzes auf dem Federhausdeckel.
480_Nockenrad.jpg
Und mit montiertem Stundenrad.
490_Stundenrad.jpg
Jetzt zu den beiden Hebeln, dem Übertragungshebel und dem Schalthebel. Der Übertragungshebel besitzt am einen Ende einen Zacken, der zu dem Haken am Datumsrad passt. Auf dem Hebel befindet sich ein erhabener Rubin. Dieser läuft in einer Kulisse, die in die Datumsbrücke gefräst wurde.
Der Schalthebel ist mit dem Übertragungshebel über eine Art Gelenk verbunden, so dass die beiden ein Stück weit gegeneinander verschwenken können. Am unteren Ende trägt der Schalthebel einen Rubin, gegen diesen drückt im montierten Zustand die Schalthebelfeder.
500_Datumshebel.jpg
Hier ein Bild der Feder vor der Montage.
505_Datum.jpg
Wie arbeiten jetzt diese Komponenten zusammen? Das ist ein bisschen schwierig zu zeigen, da die Datumsbrücke im montierten Zustand alles verdeckt. Also zeige ich mal Bilder ohne die Brücke, die Kulissenführung für den Rubin auf dem Übertragungshebel und die Feder muss man sich dazudenken. Fangen wir mal um kurz vor 4 Uhr morgens an, da sieht die Situation ungefähr so aus.
510_Datum1.jpg
Der Führungsrubin liegt am Ende der Kulisse an und fungiert als Drehpunkt. Die Schalthebelfeder drückt beide Hebel Richtung Zentrum (schwarzer Pfeil), dabei liegt die Innenflanke des Übertragungshebels am Nocken an. In dieser Stellung befindet sich der Zacken des Übertragungshebels sozusagen außer Reichweite des Hakens am Datumsrad.
1 Stunde später sieht es dann so aus. Der Haken ist am Zacken vorbei gewandert und… äh, ja, des Weiteren ist nix passiert.
520_Datum2.jpg
Dasselbe um ca. 9 Uhr, um ca. 14 Uhr, etc., lediglich die Stellung der Nockenscheibe ist eine andere.
530_Datum3.jpg
540_Datum4.jpg
Gegen 22 Uhr geht’s dann endlich los. Jetzt hat der Nocken den Übertragungshebel so geschwenkt, dass sich der Zacken im Einflussbereich des Hakens befindet.
550_Datum5.jpg
Jetzt greift der Haken und schiebt die beiden Hebel entlang der Kulissenführung, dabei wird die Schalthebelfeder immer stärker gespannt. Gleichzeitig wandert das äussere Ende des Schalthebels entlang der Innenverzahnung der Datumsscheibe, bis es hinter den nächsten Absatz fällt.
560_Datum6.jpg
570_Datum7.jpg
Um Mitternacht rutscht dann der Zacken aus dem Haken heraus und die Feder jagt die beiden Hebel im Bruchteil einer Sekunde durch die Kulissenführung zurück zum Ausgangspunkt. Dabei wirft das äussere Ende des Schalthebels die Datumsscheibe um einen Tag weiter.
580_Datum8.jpg
590_Datum9.jpg
Im normalen Betrieb geht das ganze Spiel jetzt wieder von vorne los. Aber nun noch kurz zum Semi-Quickset. Wenn man nach dem Schaltvorgang um Mitternacht die Uhr auf ca. 22 Uhr zurückdreht, rastet der Zacken des Übertragungshebels wieder im Haken des Datumsrads ein. Dann kann man wieder bis zum Umschalten um Mitternacht vorkurbeln, usw.
Nun wird auch klar, warum die Konstruktion so kompliziert aufgebaut ist. Um die Feder für die augenblickliche Datumsschaltung um Mitternacht vorzuspannen und den Schalthebel in Position zu bringen, muss das Datumsrad einfach diverse Millimeter „Weg machen“. Wenn die Konstrukteure jetzt einfach die übliche Drehzahl der Datumsscheibe (1 Umdrehung pro Tag) realisiert hätten, dann müsste man beim Semi-Quickset viele Stunden zurückkurbeln. Durch den Kunstgriff mit der Nockenscheibe, die das Datumsrad quasi vier Mal ins Leere laufen lässt bevor bei der fünften Umdrehung endlich was passiert, wurde das Zurückkurbeln auf 2 Stunden reduziert.
Hier das Ganze nochmal im Film. Die Datumsbrücke verdeckt zwar ziemlich viel, aber ein paar Details kann man durch die diversen Aussparungen doch erkennen. Beim ersten Umlauf läuft der Haken am Zacken vorbei, beim zweiten greift er und der Schaltvorgang beginnt. Danach zeige ich zweimal den Semi-Quickset.
https://vimeo.com/548885265
Der Rotor wird aufgesetzt und einfach durch das Verschieben einer flachen Feder gesichert.
600_Rotor.jpg
Jetzt kommt das Blatt wieder drauf und wird mit 2 seitlichen Schrauben gesichert.
610_Blatt.jpg
620_Blatt_Schraube.jpg
Dann werden die Zeiger gesetzt. Natürlich so, dass das Datum exakt um Mitternacht schaltet.
630_Zeiger.jpg
Nun zum Einbau ins Gehäuse. Hier erstmal zur Orientierung eine Schnittdarstellung aus der Patentschrift.
635_Patentschnitt.jpg
Hier ein Blick auf die große Formdichtung mit dem Werkhaltering. Da hatte ich echt Bammel, wenn an dem Ding was kaputt gegangen wäre - unmöglich, an Ersatzteile ranzukommen.
640_Formdichtung.jpg
Das Werk ist eingesetzt und wird mit 2 verschraubten Klammern gesichert.
650_Werkmontage1.jpg
660_Werkmontage2.jpg
Nun werden von oben ein Stützring und das Glas eingelegt. Die schräge Fläche an der Glasunterseite wird im Zusammenbau von der Lünette nach unten gegen die Dichtung gepresst und stellt die Wasserdichtigkeit her.
670_Glas.jpg
680_Glasmontage.jpg
Die Formdichtung wird in das Monocoque-Gehäuse eingelegt. Eine Besonderheit der 15002 ist die U-förmige Ausfräsung, die die Montage ohne Entfernen der Aufzugswelle ermöglicht.
690_Monocoque.jpg
700_Montage.jpg
Es folgen eine filigrane Folienscheibe und die Lünette.
710_Luenette.jpg
720_Luenette_aufgelegt.jpg
Dann die berühmten 8 Schrauben und die Gegenhülsen von der Rückseite.
730_Schrauben.jpg
740_Huelsen.jpg
Fertig ist die Royal Oak.
750_Finale.jpg
Das war’s mit unserer diesmal etwas ausführlicheren Reise ins Innere einer Royal Oak. Und obwohl das AP 2121 „nur“ eine 2-Zeiger Automatik mit Datum ist, hat mir diese Zerlegung bisher am meisten Spaß gemacht. Es gibt einfach so viele schöne Details zu entdecken, und Verarbeitungsqualität und Präzision bewegen sich auf höchstem Niveau.
Danke fürs Reinschauen.
Gruß
Erik"Ich bin Mr. Wolf. Ich löse Probleme."
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13.05.2021, 19:02 #2Gruß, Stefan
Vintage-Slim-Dresser-Fan ( Sorte x003,x120, P9. FP21, P12 und die Klassiker der Zeit 1002/23-300/1072).
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13.05.2021, 19:07 #3
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Hammer!
Dankeschön!
Grüße
Andreas
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13.05.2021, 19:24 #4
Danke fürs zeigen Erik,
ganz großes Kino!
Gruß
Kurt
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13.05.2021, 20:22 #5
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Danke für den tollen Beitrag bin sprachlos
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13.05.2021, 20:25 #6
Wieder einmal ein absolutes Highlight an Beitrag von Dir, Erik.
Herzlichen Dank für diese ausführliche und tolle Reise in das Innenleben des "12-Zylinders"!Viele Grüße, Jens
Ein Leben ohne mechanische Armbanduhr ist möglich, aber sinnlos
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13.05.2021, 20:32 #7
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Erik, das war einmal mehr ein Beitrag der absoluten Spitzenklasse!
In diesem Forum gibt es viele schöne Dinge zu sehen und viel zu entdecken, aber ein Post wie dieser spielt in einer eigenen Liga.
Vielen Dank fürs Mitnehmen.
Schöne Grüße
ThomasOffizieller Finisher der "r-l-x-Triathlon-Challenge 2020"- und "521 Tage im November - die Lockdown Streak Running Lauf-Challenge"
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Nichts ist so schlecht, dass es nicht für irgendetwas gut ist.
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13.05.2021, 20:32 #8
Hammer, Hammer, Hammer.... Super erklärt.
Danke für den AufwandGrüße
Tom
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13.05.2021, 20:41 #9
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Apropos Aufwand: Wie lange brauchst Du für so einen Service eigentlich etwa (nur die Uhrmacherarbeiten / inkl. Fotos, Filme, Text)?
Gruß
ThomasOffizieller Finisher der "r-l-x-Triathlon-Challenge 2020"- und "521 Tage im November - die Lockdown Streak Running Lauf-Challenge"
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13.05.2021, 20:49 #10
Hammer, Erik!
Vielen Dank dafür.Grüße
Dirk
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13.05.2021, 21:02 #11
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Sehr stark -
tolle Uhr, übrigens, und sehr mutig!
Grüsse, Jan
He was ambushed with a cake.
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13.05.2021, 21:31 #12
Vielen Dank für‘s Zeigen, Erik! Schon mutig, Sowas zu zerlegen und dann wieder so zusammen zu bauen, dass das Ganze wieder funktioniert
GRÜSSE TOM
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13.05.2021, 21:32 #13
Saustark, Danke für die Tollen Bilder und Erläuterungen!!
77 Grüße!
Gerhard
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13.05.2021, 21:46 #14
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Sehr beeindruckend! Danke.
Grüße
Duc
Day Date 18238 gesucht. Scharfes Gehäuse und 1A straffes Band sind Grundvoraussetzung.
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13.05.2021, 22:27 #15
Fantastische Einblicke und interessante technische Fakten, die du sehr anschaulich dargestellt hast. Vielen Dank fürs Mitnehmen!
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13.05.2021, 23:05 #16
Danke für diesen interessanten Bericht und die tollen Fotos, besser als ein Lehrbuch für Uhrmacher.
Gruß Tom
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14.05.2021, 06:07 #17ehemaliges mitgliedGast
Top, vielen Dank👍
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14.05.2021, 06:46 #18
WOW! Vielen Dank für die Mühe und fürs Zeigen! Wieder viel gelernt!
Nicht das Erzählte reicht - nur das Erreichte zählt!
Beste Grüße,
Matthias
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14.05.2021, 07:10 #19
Vielen Dank, Namensvetter!
Das sind Themen, die ich - auch um die Uhrzeit im Büro - verschlinge. Ich selber habe davon leider gar keine Ahnung und finde es immer wieder faszinierend, dass man am Ende solch einer Operation nicht sagt: "Mist... hier sind noch 2 Schrauben übrig... wo habe ich die wohl vergessen?"LG Erik
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14.05.2021, 07:25 #20
Unglaublich Erik
!
Vielen Dank für Deine Mühe!viele grüße Andreas
Ich bin bereit jeden Weg zu gehen, solange er vorwärts führt. David Livingstone
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