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Donluigi

Ist das denn gesund?

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Gute Runde heute, die 5,2 km wieder am Stück geschafft, identische Zeit wie gestern, Micki fands gut, ich auch.

Mit dem Training kommen die Fragen. Ist das gesund? Macht man das richtige? Aus dem völlig unbedarften Laufen wird langsam eine Wissenschaft. Jetzt also IPhone mit Runkeeper und Pulsuhr am Arm, vergurtet, verdrahtet. Fragen nach ärztlicher Betreuung werden laut, diverse Tests und Analysen geistern durch den Blog.

Nichts darf man mehr. Als ich jung war, lebten wir in Oberfranken. Wälder und Wiesen überall, wilde Heidelbeeren wurden im Sommer täglich gepflückt, Pilze auch, Walderdbeeren auch. Auf den Hügeln hat man sich runtergekugelt ("rolli machen" hieß das) und am Bach Staudämme gebaut. Heute geht das alles nicht mehr: Fuchsbandwurm, Bakterien, Grasmilben, Zecken. Wenn wir heute mit den Kindern in den Wald gehen, erinnert mich das durch den Gang durch Falludschah in "Call of Duty 4" - unsichtbare Feinde überall. Ich bin bis heute überrascht, daß mich die Berge von verendeten Heidelbeersammlern damals im Wald nicht nachhaltiger traumatisiert haben.

Man verliert seinen Instinkt und verläßt sich auf Experten. Die Erkenntnis ist nix neues. Ich erfahr das grad selbst an mir. Sport ist sicherlich nicht nur gesund. Übertreibung schadet. Lustig nur, daß man sich diese Frage just bei Dingen stellt, die einem eigentlich gut tun. Die Cohiba gestern hab ich völlig ohne Zweifel konsumiert, das 700-g Steak am Mittwoch wird sicherlich nicht durch ärztliches Testat oder nachfolgende Blutanalyse nachträglich legitimiert. Und aufs Oktoberfest werde ich auch künftig ohne Pulsmesser gehen, obwohl ich weiß, daß ich am Abend sicher keinen optimalen Blutdruck haben werde.

Auch sehe ich mich nicht beim Arzt. Die Antwort "Hier, Fettsack, ich hab das Wartezimmer voller echter Patienten, Menschen, die wirklich krank sind und meiner Hilfe bedürfen und du fragst mich ernsthaft, ob ich es für ratsam halte, daß du deine Wophlstandswampe täglich für ne dreiviertel Stunde durch den Wald schleifst? Raus jetzt, und das nächste mal komm gefälligst mit dem Fahrrad!" auf meine Frage, ob das denn alles gesund ist, spar ich mir jedenfalls.

Die Fakten: in den letzten 2 Wochen hab ich 2 Kilo abgenommen. Kilos, die ich sonst einfach nicht runterbekomme. Denn mir gehts zu gut. In meiner Singlezeit vor 2 Jahren war das alles kein Problem: es war mir möglich, meine Ernährung und meine Routine völlig auf meine Bedürfnisse zuzuschneiden. 15 Kilo waren schnell runter. Dann kamen neue Frau und neue Familie und dann geht das einfach nicht mehr. Ich kann meine Familie nicht in Geiselhaft nehmen und ihnen den Umgang mit Kalroienbomben verbieten. Ich hab 2 Mädels im Haus, die vor der Pubertät stehen, soll ich denen jetzt eine Eßstörung vorleben? Auch schmeckt das Glas Wein abends zu zweit besser und meine Frau, die fürs Einkaufen zuständig ist, denkt immer an den Käse und die luftgetrocknete Salami. Daß wir uns nicht falsch verstehen: der Prozeß des zunehmens ist dem des abnehmens deutlich vorzuziehen, aber das Resultat ist halt uncool. Ich hab für 5-stellig Maßanzüge im Schrank, in denen ich mich nicht mehr wohlfühle und überhaupt: früher war alles besser. Nun also Spocht. Und siehe da: es klappt. Wie könnte das schlecht sein?

Ich laß jetzt also den ganzen Nippes weg und hör auf meinen Instinkt. Bin ich müde, hör ich auf, hab ich Schmerzen, hör ich auch auf.

Und was, wenn meine Instinkte falsch sind?

Mein letzter Tag - der heutige - wäre dann so verlaufen: heute morgen um 7 aufgestanden, die Kinder in die Schule verabschiedet und ihnen einen schönen Tag gewünscht, danach mit meiner Partnerin einen Milchkaffee im Bett getrunken, die anstehende Hochzeit und die anstehende Barcelona-Reise besprochen, dann so gegen kurz nach 8 das Auto gesattelt, den Hund eingeladen und in die Sonne und in den Wald gefahren. Hier irgendwo zwischen Kilometer 1 und 5 hätte mich dann mein Instinkt getäuscht, das letzte wären vermutlich Waldboden, der Duft von Tannennadeln und der Anblick meines Hundes, der über mir steht und mich komisch anschaut. Wollte ich das? Nein. Aber würde ich mir meinen letzten Moment so wünschen? Warum eigentlich nicht, man kann sichs eh nicht aussuchen.

Kam aber anders, heute gehts mir gut.

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Kommentare

  1. Avatar von 21prozent
    Besonders schöner und nachdenklicher Beitrag heute.

    Hör' in dich rein, wenn du dich wohl fühlst ist es dein Ding. Ob etwas gut für deinen Körper ist, ist eine Sache - wichtiger noch ist, was dein Herz und dein Kopf sagen :)
  2. Avatar von mac-knife
    ... ah, Barcelona, eine der schönsten Städte überhaupt. Für einen Urlaub zu Zweit eine perfekte Wahl!
  3. Avatar von madmax1982
    Ich hab nicht alle Deine Blogs gelesen Tobias, aber gehe mal davon aus, dass Du dich vor deinen Sportexzessen mal vom Arzt hast checken lassen.
    EKG, Blutwerte etc. schon ist man auf der eher sicheren Seite, dass einen der Sport nicht ins Grass beißen lässt.
    Auf den Körper hören ist definitiv wichtig. Allerdings tut die Anstrengung gut; und ein gewisses Unwohlsein bei körperlicher Belastung gehört dazu.
    Man muss unterscheiden können, ob der innere Schweinehund mault oder die Signale tatsächlich sagen "Stopp, sonst wirds gleich dunkel".......
  4. Avatar von Subdate300
    Mein Tipp, nicht so viel denken. Schuhe an und loslaufen. Achte einfach auf Dein Gefühl, NUR das zählt, wenn es Dir gut geht passt alles.
    Du kannst gut atmen während des Laufs, dann passt alles. Wenn Du Dich überanstrengst wird Dich Dein Körper wesentlich eher darauf hinweisen als irgendein Arzt. Hör in Dich hinein und genieße die Zeit im Wald oder wo auch immer.

    In 2 Wochen 2 Kilogramm abgespeckt?
    Das würde heißen, dass Du in 2 Wochen eine negative Energiebilanz von ca. 14.000 kcal hattest.
  5. Avatar von Fred v Jupiter
    Vor oder nach der Toilette?
    Einzelmessung oder statistisch?
    2kg in 2 Wochen sind selbst bei 1,92 und 75kg gar kein Problem.
    (ganz im Gegenteil, hab eher Probleme nicht unter die 75 zu fallen)

    Wahrscheinlich schon mal gesagt, aber:
    Muskeln und Kondition können die Belastung im Handumdrehen.
    Gelenke, Sehnen brauchen bis zu einem Jahr.
    Dehnen nicht vergessen.
    Ich dehne am Trainingstag aber nur ganz kurz, dafür "zwischendurch" öfter (das ist Glaubenssache).
    Laufe pro Woche so 30km.
  6. Avatar von Subdate300
    Nur mal eine Frage.

    Was soll Dehnen bringen, was sind die Erwartungen?
  7. Avatar von NicoH
    Durch das Dehnen werden die Sehnen vorgewärmt und auf die Belastung vorbereitet. Wenn man das nur ein paar Jahrzehnte macht, ist es auch für den Körper das Signal, dass es gleich los geht.

    Es gibt Leute, die das anders sehen
  8. Avatar von eos
    Mal ein paar Erfahrungen von mir als theoretischer Hochleistungssportler:

    Blinkende und fiepende Gadgets, die Deinen Puls und die Route inkl. Höhenprofil vor dem Exitus messen sind geil. Man kann die Nahtoderfahrung aufzeichnen und mit Freunden teilen. Enodomondo als Trainingportal inkl iPhone App. Ich mag diesen ganze Nippes sehr, brauchen tut man es nicht. Schuhe und Klebeband für die Nippel sind wichtiger.

    Hör auf Deinen Körper und in der aktuellen Phase lass es lieber locker angehen (=aerob) statt von Anfang an mit Adenosintriphosphat um Dich zu ballern. Ufbasse ooch beim iPod: Dir richtige Musik bringt und gerne vom Wohlfühltempo ab! Eindringliches Technogewummer mit den falschen bpm und Du versaust Dir u.U. den Lauf, weil Du nach der Musik läufst und nicht nach Deiner Pumpe.

    Da Du ja langsam auf mein Trainingniveau zusteuerst kann es auch nicht schaden mal zum Arzt zu gehen und die Pumpe checken zu lassen. Kurze Sono vom Herzen, gucken, dass noch alles ordentlich schließt und dann solltest Du das Risiko weitgehend minimiert haben. Restrisiko bleibt immer, der Blitz trifft mitunter Leute beim Schaizzen.

    Leistungsdiagnostik ist aktuell sicher rausgeschmissenes Geld, sowas würde ich mit wenn für mitte nächsten Jahres aufheben.

    Dehnung ... lass' Dich von anderen beraten. Ich glaube, wenn Du nicht aus dem Stand 100m sprintest, als wäre der Teufel hinter Dir her, nimmt Dir das Dein Körper nicht krumm, wenn Du langsam losläufst. Wir müssen einfach auf unser ursprüngliches biologisches Programm vertrauen, denn es ist ausgefeilter, als man denkt. Achso, ja, Selektion, ja, auch Teil des Programms, egal, ich hab' gerade vor Augen wie sich eine Gruppe Keulenschwingender Neanderntaler vor der Mammutjagd im Kreis erwärmt und deht ...
  9. Avatar von Subdate300
    Ich bin kein Mediziner, dennoch beschäftige ich mich sehr gerne mit Literatur aus dem Bereich der Sportmedizin (Fachliteratur).
    Daher kann ich nur jedem empfehlen etablierte Gewohnheiten öfters kritisch zu hinterfragen.

    Es spielt dabei keine Rolle ob es sich dabei um den berühmten "Fettverbrennungspuls" handelt (den es so nicht gibt), ob es um Ernährung - Stichwort Kohlenhydrate - oder ob es um Dehnen resprektive Stretching geht. Es kursieren viele Mythen, welche nur ein Halbwissen wiederspiegeln.

    Es gibt unzählige Literatur, welche eindeutig evaluiert, dass statisches Dehnen nichts mit "Aufwärmen" zu tun hat. Es verhindert weder das Verletzungsrisiko noch hat es einen Leistungssteigernden effekt, weiters fördert es auch nicht die Regeneration der Muskeln. Dies gilt sowohl für den Freizeitsport als auch für den Hochleistungssport.

    Aufwärmen erfolgt ausschließlich durch Bewegung. Langsames laufen, Hampelmann, Sidesteps - Keines Falls durch Dehnen.

    Das "British Medical Journal" geht sogar soweit und bezeichnet Dehnen vor oder nach dem Sport als Zeitverschwendung.
  10. Avatar von Clapton
    Interessanter Blog.

    Mein Rat:
    Locker angehen lassen und nicht übertreiben. Am schlimmsten ist falscher Ehrgeiz.
    Aktualisiert: 16.09.2011 um 15:02 von Clapton
  11. Avatar von Fred v Jupiter
    Dehnen: ja das ist (wie oben geschrieben) Glaubens- und auch "Stand der Erkenntnis"-Sache.
    Schliesslich ändert sich die Lehrmeinung dazu auch laufend (der war gut, oder? ).
    Deshalb auf den Körper hören.
    Ich persönlich dehne vor dem Laufen ganz kurz, und an trainigsfreien Tagen eher ausführlich, bekommt mir einfach gut.
    Nach dem Sport sollte man (angeblich) gar nicht dehnen, da die Mikro-Verletzungen im Muskel vergrößert werden (?).

    Ich laufe übrigens ab und zu absichtlich mit zu schnellem Beat. Nach ca. 45 Minuten hat mein Körper das akzeptiert, dann geht's einfach so weiter als wäre es nix
    (unglaublich welchen Durchschnitts- und Maximalpuls man da - verglichen mit einem normalen flotten Lauf - erreicht).
  12. Avatar von Donluigi
    Musik hab ich garnicht im Ohr, das würde mich nur verrückt machen.
  13. Avatar von uhrvieh
    Wenn man Probleme mit der Beweglichkeit hat, kann man probieren, den warmen Muskel zu dehnen. Ich habe damit leichte Erfolge erzielen können.
    Langsam angehen lassen bringt für die Ausdauerleistung bzw. als Vorsorge gegen Verletzungen sicher mehr.
  14. Avatar von AcidUser
    No Pain - No Gain! Ein bisschen wehtun muss es schon!

    Und hier, Instinkte sind doch Scheiße! Würde ich stets auf meine Instinkte hören, würde ich ständig irgendwem vor die Birne hauen und andauernd irgendwelche Weibchen an den Haaren in meine Höhle zerren!

    Ernsthaft, ein kurzer Check up beim Doc kann sicher nicht schaden! Wir, um die 40, sind zwar alles noch ganz junge Talente, aber sicher ist sicher!
  15. Avatar von Donluigi
    Wer mir jetzt noch einmal von nem Check beim Doc vorschwärmt, kommt auf meine Ignore-Liste. I mean it
  16. Avatar von AcidUser
    Der Klassiker: Verdrängung!
  17. Avatar von Donluigi
    Ins Grab kommen alle
  18. Avatar von NicoH
    Ach ja, und glaub nicht, dass wir die relevanten Details überlesen

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